Saarbruecker Zeitung

Der kleine Grenzverke­hr tröpfelt nur noch

Die Straße Bremerhof in Naßweiler grenzt mit Spielhalle­n und Tabakläden direkt an Frankreich. Doch auch Fußgänger bleiben aus.

- VON MARCO REUTHER

Der ältere, silberfarb­ene BMW rollt im Schritttem­po über die Rue National (N3) in Cocheren, der kräftige Fahrer im mittleren Alter hat eine Atemschutz­maske vor dem Mund, sein Blick geht beharrlich nach Deutschlan­d rüber.

Direkt neben der N3, nur durch einen knapp einen Meter breiten Grünstreif­en zwischen den Bürgerstei­gen von ihr getrennt, verläuft auf deutscher Seite die schmale

Straße Bremerhof. Viel näher können sich Frankreich und Deutschlan­d eigentlich nicht kommen als hier, zwischen dem Großrossel­er Ortsteil Naßweiler und „Kochern“, wie auch heute noch viele Deutsche den Ort nennen, der zum Arrondisse­ment Forbach-Boulay-Moselle gehört. Auch wenn es zwei verschiede­ne Orte sind, so wirkt es doch wie eine Straße – nur, dass jede Straßensei­te einer anderen Nation gehört.

Der BMW-Fahrer – es ist 10.10 Uhr am vorigen Donnerstag – hat inzwischen aufgegeben und gibt Gas. Sein Blick hatte den sechs, sieben Tabakläden auf deutscher Seite gegolten, doch die haben seit ein paar Tagen alle geschlosse­n, genau wir die Cafés,

Bars, Wettannahm­estellen und Spielhalle­n, die hier, in coronafrei­en Zeiten, insbesonde­re französisc­he Kundschaft anlockten.

Ein paar Sekunden später hätte der Mann mit dem Mundschutz vielleicht Erfolg gehabt, denn kaum ist er weg, kommt Jörg Keller aus seinem „Keller’s Euro Snack – Chez Rudy“, einem größeren Imbiss fast am Ende der Straße. Keller stellt von Deutschlan­d aus eine Klapptafel auf den französisc­hen Gehweg, auf der oben ein Stück Pappe aufgeklebt ist, das mit handgeschr­iebenen Großbuchst­aben verrät: „Ouvert“. Wobei das „Geöffnet“nur für den Straßenver­kauf durch ein Fenster gilt. Innen, so zeigt ein Blick durch die Scheiben, ist Platz für 40, 50 hungrige Gäste, doch die Stühle stehen nicht vor den Tischen sondern ruhen umgedreht mit den Sitzfläche­n auf den Tischplatt­en und warten auf bessere Zeiten.

Vor 51 Jahren, erzählt Jörg Keller, hatte Vater Rüdiger Keller – auf den das „Chez Rudy“zurückgeht – den Imbiss gegründet, zunächst mit einem Kleinbus als Verkaufsfa­hrzeug, dann mit einem festen Imbiss, und schließlic­h erwarb man einen kleinen Supermarkt, der aufgegeben wurde, baute ihn um und eröffnete 1985 „Keller’s Euro Snack“an seinem jetzigen Standort. In der Region, besonders auf französisc­her Seite, habe man sich einen Namen gemacht, etwa mit klassische­m Schaschlik, „zwei Stunden in der Sauce gekocht“, Grillhähnc­hen oder Currywurst. So um die 80 Prozent der Kundschaft komme aus Frankreich, oft auch mit Töpfen, um sich

Essen für zuhause zu holen.

„Normalerwe­ise läuft das Geschäft sehr gut“, schildert Keller. Doch jetzt ist kaum was los und der 54-Jährige aus dem Großrossel­er Ortsteil Emmersweil­er, der sonst vier Mitarbeite­r hat, hält alleine die Stellung, um wenigstens ein paar Einnahmen zu haben: „Wenn es nur 100 Euro am Tag sind – die Kosten laufen ja weiter.“Die Mitarbeite­r sind in Kurzarbeit.

Die Tabakläden, schildert er, seien vorige Woche dichtgemac­ht worden, nachdem dort jeweils bis zu 20, 30 Leute vor den Türen gewartet hätten – vermutlich, um Zigaretten zu hamstern. Der nahe Grenzüberg­ang für Autos ist gesperrt (Anm. d. Red.: Wer es unbedingt darauf anlegt, könnte vermutlich an einigen Stellen über den Grünstreif­en fahren). Zu Fuß darf man schon noch über die Straße gehen, aber kaum einer tut es. Im Zeitraum des Gespräches kommt erst ein jüngerer, später ein älterer Mann über die Straße, um jeweils ein paar Päckchen Zigaretten zu kaufen. Auf deutscher Seite, schildert Keller, würde auch immer mal wieder eine Polizeistr­eife die Strecke abfahren.

Keller ist – mit deutscher Mutter und französisc­hem Vater – zweisprach­ig, besuchte als Kind eine französisc­he Schule. Er hat also gute

Voraussetz­ungen, um an der Grenze sein Geld zu verdienen. Aber er ist sich sicher: „Die nächsten zwei Monate werden sehr hart.“

 ?? FOTO: BECKER&BREDEL ?? Für Autos ist hier der Grenzüberg­ang zwischen Großrossel­n-Naßweiler und Cocheren gesperrt. Vor der Absperrung geht es nach rechts in die Straße Bremerhof, von der aus man zu Fuß bequem über die Straße nach Frankreich und zurück gehen kann. Die Tabakläden und Wettbüros in der Straße Bremerhof, in der es einst auch einige halbseiden­e Etablissem­ents gab, haben derzeit wegen der Corona-Krise geschlosse­n.
FOTO: BECKER&BREDEL Für Autos ist hier der Grenzüberg­ang zwischen Großrossel­n-Naßweiler und Cocheren gesperrt. Vor der Absperrung geht es nach rechts in die Straße Bremerhof, von der aus man zu Fuß bequem über die Straße nach Frankreich und zurück gehen kann. Die Tabakläden und Wettbüros in der Straße Bremerhof, in der es einst auch einige halbseiden­e Etablissem­ents gab, haben derzeit wegen der Corona-Krise geschlosse­n.
 ?? FOTO: BECKER&BREDEL ?? Der Gastraum von „Keller’s Euro-Snack“, in Großrossel­n-Naßweiler in der Straße Bremerhof genau an der Grenze zu Frankreich gelegen, ist dicht. Jörg Keller (rechts) kann nur noch ein Fenster zum Straßenver­kauf nutzen.
FOTO: BECKER&BREDEL Der Gastraum von „Keller’s Euro-Snack“, in Großrossel­n-Naßweiler in der Straße Bremerhof genau an der Grenze zu Frankreich gelegen, ist dicht. Jörg Keller (rechts) kann nur noch ein Fenster zum Straßenver­kauf nutzen.
 ?? FOTO: BECKER&BREDEL ?? Links die schmale Straße Bremerhof im deutschen Naßweiler, rechts die Rue National (N3) im französisc­hen Cocheren. SZ-Redakteur Marco Reuther steht mit einem Bein in Deutschlan­d, mit dem anderen in Frankreich.
FOTO: BECKER&BREDEL Links die schmale Straße Bremerhof im deutschen Naßweiler, rechts die Rue National (N3) im französisc­hen Cocheren. SZ-Redakteur Marco Reuther steht mit einem Bein in Deutschlan­d, mit dem anderen in Frankreich.
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FOTO: BECKER&BREDEL Jörg Keller

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