Der kleine Grenzverkehr tröpfelt nur noch
Die Straße Bremerhof in Naßweiler grenzt mit Spielhallen und Tabakläden direkt an Frankreich. Doch auch Fußgänger bleiben aus.
Der ältere, silberfarbene BMW rollt im Schritttempo über die Rue National (N3) in Cocheren, der kräftige Fahrer im mittleren Alter hat eine Atemschutzmaske vor dem Mund, sein Blick geht beharrlich nach Deutschland rüber.
Direkt neben der N3, nur durch einen knapp einen Meter breiten Grünstreifen zwischen den Bürgersteigen von ihr getrennt, verläuft auf deutscher Seite die schmale
Straße Bremerhof. Viel näher können sich Frankreich und Deutschland eigentlich nicht kommen als hier, zwischen dem Großrosseler Ortsteil Naßweiler und „Kochern“, wie auch heute noch viele Deutsche den Ort nennen, der zum Arrondissement Forbach-Boulay-Moselle gehört. Auch wenn es zwei verschiedene Orte sind, so wirkt es doch wie eine Straße – nur, dass jede Straßenseite einer anderen Nation gehört.
Der BMW-Fahrer – es ist 10.10 Uhr am vorigen Donnerstag – hat inzwischen aufgegeben und gibt Gas. Sein Blick hatte den sechs, sieben Tabakläden auf deutscher Seite gegolten, doch die haben seit ein paar Tagen alle geschlossen, genau wir die Cafés,
Bars, Wettannahmestellen und Spielhallen, die hier, in coronafreien Zeiten, insbesondere französische Kundschaft anlockten.
Ein paar Sekunden später hätte der Mann mit dem Mundschutz vielleicht Erfolg gehabt, denn kaum ist er weg, kommt Jörg Keller aus seinem „Keller’s Euro Snack – Chez Rudy“, einem größeren Imbiss fast am Ende der Straße. Keller stellt von Deutschland aus eine Klapptafel auf den französischen Gehweg, auf der oben ein Stück Pappe aufgeklebt ist, das mit handgeschriebenen Großbuchstaben verrät: „Ouvert“. Wobei das „Geöffnet“nur für den Straßenverkauf durch ein Fenster gilt. Innen, so zeigt ein Blick durch die Scheiben, ist Platz für 40, 50 hungrige Gäste, doch die Stühle stehen nicht vor den Tischen sondern ruhen umgedreht mit den Sitzflächen auf den Tischplatten und warten auf bessere Zeiten.
Vor 51 Jahren, erzählt Jörg Keller, hatte Vater Rüdiger Keller – auf den das „Chez Rudy“zurückgeht – den Imbiss gegründet, zunächst mit einem Kleinbus als Verkaufsfahrzeug, dann mit einem festen Imbiss, und schließlich erwarb man einen kleinen Supermarkt, der aufgegeben wurde, baute ihn um und eröffnete 1985 „Keller’s Euro Snack“an seinem jetzigen Standort. In der Region, besonders auf französischer Seite, habe man sich einen Namen gemacht, etwa mit klassischem Schaschlik, „zwei Stunden in der Sauce gekocht“, Grillhähnchen oder Currywurst. So um die 80 Prozent der Kundschaft komme aus Frankreich, oft auch mit Töpfen, um sich
Essen für zuhause zu holen.
„Normalerweise läuft das Geschäft sehr gut“, schildert Keller. Doch jetzt ist kaum was los und der 54-Jährige aus dem Großrosseler Ortsteil Emmersweiler, der sonst vier Mitarbeiter hat, hält alleine die Stellung, um wenigstens ein paar Einnahmen zu haben: „Wenn es nur 100 Euro am Tag sind – die Kosten laufen ja weiter.“Die Mitarbeiter sind in Kurzarbeit.
Die Tabakläden, schildert er, seien vorige Woche dichtgemacht worden, nachdem dort jeweils bis zu 20, 30 Leute vor den Türen gewartet hätten – vermutlich, um Zigaretten zu hamstern. Der nahe Grenzübergang für Autos ist gesperrt (Anm. d. Red.: Wer es unbedingt darauf anlegt, könnte vermutlich an einigen Stellen über den Grünstreifen fahren). Zu Fuß darf man schon noch über die Straße gehen, aber kaum einer tut es. Im Zeitraum des Gespräches kommt erst ein jüngerer, später ein älterer Mann über die Straße, um jeweils ein paar Päckchen Zigaretten zu kaufen. Auf deutscher Seite, schildert Keller, würde auch immer mal wieder eine Polizeistreife die Strecke abfahren.
Keller ist – mit deutscher Mutter und französischem Vater – zweisprachig, besuchte als Kind eine französische Schule. Er hat also gute
Voraussetzungen, um an der Grenze sein Geld zu verdienen. Aber er ist sich sicher: „Die nächsten zwei Monate werden sehr hart.“