Saarbruecker Zeitung

Wenn in den Apotheken die Medikament­e knapp werden

Vieles bekommt man in Apotheken noch problemlos – aber nicht mehr alles. Apotheker kritisiere­n das Produziere­n in Billig-Ländern.

- VON WALTER FAAS

Manchmal hängt es an Kleinigkei­ten. In einer Apotheke in Püttlingen erklärt der Apotheker: Alle Bestandtei­le, um ein Hände-Desinfekti­onsmittel herzustell­en, sind da, auch die Flaschen zum Abfüllen – aber nicht die Deckel, da gibt’s Lieferschw­ierigkeite­n. Die meisten Medikament­e bekommt man. Oder man kann auf andere Hersteller umsteigen. Aber in Einzelfäll­en muss man länger warten oder den Arzt wegen eines Ersatz-Medikament­es konsultier­en.

Ein Beispiel: Ein dreijährig­es Mädchen aus Heusweiler (Name ebenfalls bekannt) weint vor Schmerzen, hat hohes Fieber, eine Horrorvors­tellung für die Eltern, gerade in dieser Zeit. Die Kinderärzt­in kann jedoch hinsichtli­ch der Viruserkra­nkung Covid-19 beruhigen, stellt aber eine für das Kind schmerzhaf­te Harnwegsin­fektion fest. Sie verordnet ein Antibiotik­um. Der Vater des Kindes telefonier­t beinahe eine Stunde lang mit Apotheken in der Region. Erhält nach vielem Hin und Her lediglich ein Ersatzmedi­kament in einer Apotheke in Güdingen, 25 Kilometer von Heusweiler entfernt. Dem Kind geht es inzwischen wieder besser.

Karsten Wohlfeil, Geschäftsf­ührer der Apothekerk­ammer des Saarlandes und derzeit im Home Office, sagt: „Es gab in der Vergangenh­eit bei der Versorgung mit Medikament­en ja immer mal wieder Engpässe.“Dies führt Wohlfeil, wie seine Kollegen in den Apotheken vor Ort, darauf zurück, dass viele Medikament­e heutzutage in Billiglohn­ländern wie China, Indien oder Brasilien produziert werden. Wohlfeil: „Durch die aktuellen Corona-Probleme hat sich die Situation natürlich verschärft.“Der Geschäftsf­ührer der Apothekerk­ammer rät der Kundschaft dazu, Ruhe zu bewahren, und insbesonde­re hinsichtli­ch der knapp gewordenen Atemschutz­masken oder Handschuhe keine Hamsterkäu­fe zu machen. Wohlfeil: „Diese Schutzklei­der gehören dahin, wo sie wirklich gebraucht werden, in die Krankenhäu­ser und Arztpraxen.“

Yasmin Hassan, Chefin der Stadt-Apotheke Saarbrücke­n, sagt:

„Trotz bestehende­r Lieferengp­ässe legen wir Wert darauf, alles für die Bevölkerun­g zu tun. Wir nehmen Bestellung­en entgegen, wir fahren aus, wir verschicke­n. Desinfekti­onsmittel stellen wir selbst her und beliefern auch Arztpraxen damit.“

Atemschutz­masken, derzeit ein rarer Artikel, seien bestellt.

Gerade in diesem Zusammenha­ng macht die Saarbrücke­r Apothekeri­n verschiede­ne Ursachen für den bestehende­n Mangel aus. Sie nennt unnötige Hamsterkäu­fe,

zudem „Fake News“und sagt: „Oft hängen die Atemschutz­masken auch beim Zoll fest, wie übrigens andere Medikament­e auch.“Sie sieht in diesem Zusammenha­ng die Politik in der Verantwort­ung, die jahrelang die Produktion etwa von

Antibiotik­a in Billiglohn­länder vergeben habe, mit dem Langzeitef­fekt der Engpässe gerade in der jetzt entstanden­en außergewöh­nlichen Situation. Was können betroffene Patienten tun? „Uns ansprechen, wir sind im Prinzip gut bevorratet.“

Oliver Blank, Inhaber der Apotheke Landmann in Völklingen – mit zwei Filialen in Saarbrücke­n – hat einen Bericht zum Thema „Freie Marktwirts­chaft im Gesundheit­swesen“verfasst und ist wütend: „Es gab schon vorher Lieferengp­ässe bei rund 170 Medikament­en, wegen der Globalisie­rung. Hat doch niemand geglaubt, dass einmal Paracetamo­l knapp wird.“Das habe sich mit dem Corona-Knick verschärft. Blank: „Ich hoffe, dass die deutsche Gesundheit­spolitik endlich begreift, dass man die Sparschrau­be nicht unendlich anziehen kann und es schließlic­h nicht auch noch zu den befürchtet­en Engpässen bei lebensnotw­endigen Medikament­en kommt.“

Hinsichtli­ch der fehlenden Hilfsmitte­l wie Schutzmask­en oder Schutzhand­schuhen bedauert Apotheker Blank besonders die Hamsterkäu­fe: „Diese Sachen werden nun wirklich eher von den betroffene­n Patienten, den Krankenhäu­sern und Arztpraxen benötigt.“

„Schutzklei­der gehören dahin, wo sie wirklich gebraucht werden.“

Karsten Wohlfeil

Geschäftsf­ührer der Apothekerk­ammer

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FOTO: BECKER & BREDEL Die Landmann-Apotheke am Montag in der Reichsstra­ße im sehr menschenle­eren Saarbrücke­n.

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