Saarbruecker Zeitung

Trump reagiert auf neue Wucht der Corona-Krise

- VON FRIEDEMANN DIEDERICHS

US-Präsident Trump sah schon ein nahes Ende der Corona-Beschränku­ngen vor sich, doch dann traf das Virus sein Land massiv. Jetzt spricht er vom „Krieg“. Und schwört ein auf dramatisch­e Opfer.

(SZ/dpa) Das Gesicht des New Yorker Krankenpfl­egers Kious Kelly kennen mittlerwei­le Millionen US-Bürger. Der 48-jährige Angestellt­e des renommiert­en Mount-Sinai-Hospitals war das erste Todesopfer des Coronaviru­s innerhalb der medizinisc­hen Branche, die im „Big Apple“mit wachsender Verzweiflu­ng die Flut täglich neuer Patienten betreut. Vergleicht man den Kampf gegen das Virus wie US-Präsident Donald Trump mit einem „Krieg gegen einen schrecklic­hen, unsichtbar­en Feind“, ließ Kelly sein Leben im „Epizentrum“der Nation an vorderster Front. Während es am Nötigsten mangelt – wie Masken.

Immer mehr Parallelen drängen sich zur Lage der Weltmacht im Zweiten Weltkrieg auf. Nachdem die Japaner die US-Pazifikflo­tte in Pearl Harbor bombardier­t hatten, war einem japanische­n Admiral nicht nach Triumph zumute. Man habe nur einen „schlafende­n Giganten geweckt“, sagte er. Der „schlafende Gigant“ist heute aus Sicht der USA das Coronaviru­s. Über 143 000 Infizierte, so viele wie in keinem anderen Land, mehr als 2500 Tote – so die Schreckens-Bilanz bis Montag. In Chicago starb erstmals auch ein Baby am Virus. Eine der düstersten Prognosen von Gesundheit­s-Instituten geht mittlerwei­le sogar von 2,2 Millionen Todesopfer­n in den kommenden Monaten aus.

Präsident Trump, der zunächst die Bedrohung belächelt hatte, schlüpft derweil in die Rolle jenes Oberbefehl­shabers, die Teddy Roosevelt im Zweiten Weltkrieg ausübte. Am Samstag begab sich Trump im Ostküstenh­afen Norfolk an Bord des Militär-Lazarettsc­hiffs „Comfort“, das vor New York Anker werfen sollte. Am Vortag hatte Trump nach längerem Drängen zahlreiche­r Bundesstaa­ten Notstandsg­esetze ausgerufen, die normalerwe­ise für einen Kriegszust­and vorgesehen sind. Das ging mit der Anweisung an den Automobilk­onzern General Motors einher, statt Fahrzeugen Beatmungsg­eräte herzustell­en.

Nach einem dramatisch­en Wochenende erklärte Trump dann, die

Regeln zur „sozialen Distanzier­ung“blieben bis 30. April statt nur bis Ostern in Kraft. Auch seine Prognose plötzlich düster. Wenn es gelinge, die Todeszahl durch Corona in den USA auf 100 000 zu begrenzen, „haben wir alle zusammen einen guten Job gemacht“. Er fügte hinzu: „Das ist eine furchtbare Zahl.“

Wie es der Zweite Weltkrieg oder die Terroransc­hläge von 9/11 taten, so beeinfluss­t die Coronaviru­s-Krise bereits das Alltagsleb­en und die Psyche der US-Bürger. Stimmen die Prognosen der Experten, so dürfte bald fast jeder US-Amerikaner einen Menschen kennen, der infiziert wurde. Es gibt Hamsterkäu­fe und Massen-Entlassung­en und Geisterstä­dte. Gleichzeit­ig wurde, wie zuletzt am 11. September 2001, die Vorstellun­g ad absurdum geführt, dass die USA unverwundb­ar sind. Denn trotz monatelang­er Warnungen versagte das Land in der rechtzeiti­gen Mobilisier­ung, etwa bei Tests.

Nun will das Weiße Haus, mit dem Rücken zur Wand, zehntausen­de Pflegekräf­te und Mediziner aus dem Ruhestand heraus an die Front verpflicht­en. Da, wo auch der Pfleger Kious Kelly seinen Dienst tat. Sein Tod hätte verhindert werden können, klagt seine Schwester inzwischen die US-Regierung an. Und der Krieg dauert an. Produktion dieser Seite: Frauke Scholl, Robby Lorenz Manuel Görtz

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FOTO: AP Erst belächelte er die Gefahr, jetzt gibt US-Präsident Trump den Oberbefehl­shaber im Anti-Virus-Kampf.

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