Saarbruecker Zeitung

Weise sehen nicht völlig schwarz

Ein Sonderguta­chten des Sachverstä­ndigenrate­s zeigt, die Konjunktur könnte weniger stark einbrechen als gedacht.

- VON STEFAN VETTER

Nach Einschätzu­ng der Wirtschaft­sweisen wird die Rezessione­n in Deutschlan­d wegen der Corona-Pandemie weniger drastisch ausfallen als von anderen Ökonomen prognostiz­iert. Der Sachverstä­ndigenrat zur Begutachtu­ng der gesamtwirt­schaftlich­en Entwicklun­g hat am Montag ein Gutachten vorgelegt. Nachfolgen­d die wichtigste­n Punkte Überblick:

Woher rührt der Optimismus?

Als Blaupause dient den Wirtschaft­sweisen das Beispiel China, wo sich die wirtschaft­liche Lage nach einem rund zwei Monate herrschend­en Einbruch wieder zu normalisie­ren beginnt. Für Deutschlan­d würde das bedeuten, dass sich die Lage „über den Sommer“entspannt. In diesem Fall würde das Bruttoinla­ndsprodukt (BIP) im laufenden Jahr „nur“um 2,8 Prozent schrumpfen. Schon im Jahr darauf käme es dann zu einem Plus von 3,7 Prozent. Nach dieser Prognose würde die Wirtschaft sogar weniger stark einbrechen als im Finanzkris­enjahr 2009. Damals schrumpfte das BIP um 5,7 Prozent. 2010 gab es dann schon wieder einen Zuwachs von 4,2 Prozent.

Wie glaubwürdi­g ist die Prognose? Die Wirtschaft­sweisen räumen in ihrem Gutachten selbst ein, dass die Unsicherhe­it über die zukünftige Entwicklun­g derzeit „sehr hoch“sei. Neben dem schon skizzierte­n Szenario, das die Forscher für die wahrschein­lichste Möglichkei­t halten, werden deshalb noch zwei Risikovari­anten aufgezeigt.

Was gilt für den schlechtes­ten Fall? Sollten die Restriktio­nen zur Eindämmung der Pandemie mindestens sieben Wochen dauern, könnte das BIP um 5,4 Prozent schrumpfen, 2021 aber wieder um 4,9 Prozent wachsen. Bei einer noch länger anhaltende­n Flaute würde das Wachstum in diesem Jahr um 4,5 Prozent einbrechen, aber im Folgejahr um nur 1,0 Prozent wachsen. Mit diesen beiden „Risikoszen­arien“sind die Wirtschaft­sweisen aber immer noch deutlich zuversicht­licher als das Münchner Ifo-Institut. Dort rechnet man für 2020 im schlimmste­n Fall mit einem wirtschaft­lichen Einbruch von bis zu 20,6 Prozent.

Wie werden die politische­n Maßnahmen bewertet?

Der Chef der Wirtschaft­sweisen, Lars Feld, lobte das von Bundestag und Bundesrat in der Vorwoche verabschie­dete Milliarden-Hilfspaket als „genau richtig“. Zu den Maßnahmen zählen Liquidität­shilfen für Unternehme­n, Steuerstun­dungen, Direktzusc­hüsse sowie der erleichter­te Zugang zum Kurzarbeit­ergeld. Für den Fall einer nur sehr zögerliche­n Erholung der Wirtschaft wird in dem Gutachten auch bemerkt, dass die getroffene­n Maßnahmen „womöglich nicht ausreichen“, um tiefgreife­nde wirtschaft­liche Verwerfung­en zu verhindern.

Was empfehlen die Forscher?

Die Europäisch­e Union sollte für den Euro-Raum stärker aktiv werden und „bei Bedarf“zusätzlich­e Mittel über den europäisch­en Stabilität­smechanism­us (ESM) zur Verfügung stellen, heißt es im Gutachten. Der ESM ermöglicht es der Europäisch­en Zentralban­k, verstärkt Anleihen von Krisenstaa­ten aufzukaufe­n, um deren Verschuldu­ngsfähigke­it zu sichern. Für Deutschlan­d empfehlen die Forscher, schon jetzt über ein Konjunktur­programm für den Fall nachzudenk­en, dass die Wirtschaft schwer an Boden gewinnt. Dafür kämen Unternehme­nssteuerse­nkungen, ein Vorziehen der Soli-Teilabscha­ffung und eine Erhöhung der Ausgaben für Bildung und Forschung in Betracht. Die Maßnahmen zur Ankurbelun­g der Konjunktur sollten aber „erst mit Auslaufen der Einschränk­ungen in Kraft treten“, heißt es in dem Gutachten.

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FOTO: PATRICK SEEGER/DPA Lars Feld, Vorsitzend­er des Sachverstä­ndigenrate­s zur Begutachtu­ng der gesamtwirt­schaftlich­en Entwicklun­g, bekannt unter dem Namen „Wirtschaft­sweise“, hält das Hilfspaket des Bundes für „genau richtig“.

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