Bundespartei setzt Vorstand der AfD Saar ab
Die Bundespartei hat den AfD-Landesvorstand seines Amtes enthoben. Josef Dörr ist kein Landeschef mehr. Er ist sicher, dass er am Ende gegen den Bundesvorstand siegen wird – so wie schonmal.
Von einer Minute auf die nächste waren am Dienstagmorgen gegen 10 Uhr die 16 Männer im AfD-Landesvorstand – Frauen gibt es dort nicht – ihre Positionen los. In einer Telefonschaltkonferenz beschloss der Bundesvorstand, den Landesvorstand um den machtbewussten Landesvorsitzenden Josef Dörr abzusetzen – mit sofortiger Wirkung. Der Vorstand habe „schwerwiegende Verstöße“gegen die Grundsätze und Ordnung der Partei begangen, begründete dies die Partei in einer Stellungnahme.
Als Grundlage für den Beschluss diente ein 16-seitiges Rechtsgutachten einer Berliner Anwaltskanzlei, das bereits im vergangenen Jahr im Auftrag des Bundesvorstandes erstellt wurde. Darin werden 13 Vorwürfe gegen den Landesvorstand aufgelistet, die „hinreichend nachweisbar“seien.
Dem Landesvorstand wird unter anderem vorgeworfen, die Aufnahme neuer Mitglieder verzögert oder vereitelt, den Kreisvorstand Merzig-Wadern nicht anerkannt, Prozesskosten Dritter übernommen und das Landesschiedsgericht beeinflusst zu haben. Einzelne Bestimmungen der Satzung sollen zudem gegen das Parteiengesetz beziehungsweise gegen Vorschriften der Bundessatzung verstoßen. Außerdem soll der Landesvorstand versucht haben, parteiinterne Kritiker mit Sanktionen zu disziplinieren. Dem Landesvorsitzenden Josef Dörr wird vorgeworfen, Delegiertenwahlen manipuliert und in einer Parteitagsrede parteiinterne Kritiker zum Austritt aufgefordert zu haben.
Josef Dörr erfuhr nach eigenen Worten zu Hause von seiner Absetzung. Seine Frau habe die Nachricht im Rundfunk gehört und ihm dann gesagt: „Ihr seid des Amtes enthoben!“Dörr bezeichnete die Absetzung als „völlig unbegründet“. Er sagte: „Es ist eindeutig, dass wir uns nichts haben zuschulden kommen lassen.“Die Vorwürfe seien lächerlich, einige Streitpunkte seien schon gerichtlich ausgeräumt worden. Zum Vorwurf der Manipulation
von Delegiertenwahlen sagte Dörr, es gebe im Landesverband klare Mehrheiten: „Wir haben das überhaupt nicht nötig.“
Der Landesvorstand hatte die Vorwürfe bereits im vergangenen Jahr bestritten. Er zweifelt auch an der Unvoreingenommenheit des Rechtsanwalts, der das Gutachten erstellt hat. Denn dieser hatte 2019 in einem Rechtsstreit vor dem Landgericht Saarbrücken den Dörr-feindlichen Kreisverband Merzig-Wadern gegen den Landesvorstand vertreten. „Sein Papier wimmelt von ihm wohl zugetragenen und unreflektiert übernommenen Lügen, Unwahrheiten, Falschaussagen, Fehleinschätzungen usw.“, schrieb der Landesvorstand. Die Vorwürfe werden als „gegenstandslos“, „einfach nur albern und unwürdig“, „böswillige Unterstellung“oder „grotesk“bezeichnet.
Dörrs Kritiker im Landesverband sehen nun die Stunde der Abrechnung gekommen, bei ihnen herrscht Hochstimmung. Sie hoffen darauf, dass jetzt das Lager um den Bundestagsabgeordneten Christian Wirth
und den Landtagsabgeordneten Lutz Hecker die Oberhand im Landesverband gewinnen wird.
Doch das ist längst nicht ausgemacht. Dörr will weiter kämpfen.
„Wir werden am Schluss gewinnen!“, sagte er. So wie 2016: Damals hatte der Bundesvorstand wegen Kontakten Dörrs zu Rechtsextremisten den gesamten Landesverband aufgelöst, verlor aber vor dem Schiedsgericht der Partei. Rechtliche Schritte will der Landesvorstand nach Dörrs Worten auch jetzt wieder ergreifen.
Der Bundesvorstand will beim Schiedsgericht die Einsetzung eines Notvorstands beantragen – bestehend aus drei Mitgliedern des Bundesvorstands: Stephan Protschka, Carsten Hütter und Joachim Paul.
Bleibt die Frage, was passiert, wenn der nächste AfD-Landesparteitag Dörr & Co. einfach wieder in ihre alten Ämter wählen wird. Für diesen Fall enthält das Rechtsgutachten, das der Bundesvorstand 2019 anfertigen ließ, eine eindeutige Empfehlung: Dann käme die Auflösung des gesamten Landesverbandes in Betracht.
Sollten Josef Dörr & Co. beim nächsten Parteitag wieder gewählt werden, hält ein Gutachten die Auflösung des Landesverbandes für möglich.