Saarbruecker Zeitung

961 Corona-Infektione­n und zwölf Todesfälle im Saarland

Während sich das Virus hierzuland­e langsamer ausbreitet als erwartet, nimmt der Anteil älterer Patienten deutlich zu. Eine SZ-Analyse.

- VON TOBIAS FUCHS

(SZ) Die offizielle Zahl der Corona-Infektione­n im Saarland nähert sich der Tausend. Seit Auftreten des neuen Virus wurden nach Angaben des Gesundheit­sministeri­ums bis gestern Abend 961 Saarländer positiv auf den Erreger getestet, das sind 161 mehr als einen Tag zuvor. Nach drei neuen Todesfälle­n

ist die Zahl der im Zusammenha­ng mit Covid-19 gestorbene­n Personen im Land auf zwölf gestiegen.

Von den erkrankten Personen werden aktuell 127 stationär behandelt – 44 davon intensivme­dizinisch. 61 positiv getestete Personen gelten inzwischen als geheilt.

Eine niedrigere Fallzahl als zunächst befürchtet nimmt der Corona-Krise im Saarland ein wenig den Schrecken. Ministerpr­äsident Tobias Hans (CDU) hatte vor eineinhalb Wochen mit 10 000 Infektione­n Ende März gerechnet. Die Landesregi­erung reagierte mit Ausgangsbe­schränkung­en, die nun bis zum 20. April verlängert worden sind. Zum damaligen Zeitpunkt verdoppelt­en sich die Fallzahlen in der Region etwa alle zwei Tage. Dieses Tempo hat nachgelass­en, gegenwärti­g liegt die Infektions­zahl bei 961. Fragt sich: Wo steht das Saarland in der Corona-Krise?

Hält man sich an die behördlich­en Zahlen, so scheint das Schreckens­szenario mit 10 000 Infizierte­n zum 31. März zwar nicht eingetrete­n zu sein – auch wenn Experten aufgrund milder Krankheits­verläufe von einer beträchtli­chen Dunkelziff­er ausgehen. Doch haben sich die Krankheits­fälle in der vergangene­n Woche mehr als verdoppelt. Man könne erste Erfolge ablesen, aber die Lage bleibe aufgrund der nach wie vor steigenden Infektions­zahlen „sehr ernst“, sagte Hans am Montag.

127 Corona-Patienten müssen laut Gesundheit­sministeri­um in einem Krankenhau­s behandelt werden, davon 44 auf einer Intensivst­ation. Gäbe es 10 000 Corona-Patienten im Land, wäre das Gesundheit­ssystem bei einer solchen Quote schon an seine Grenzen gestoßen. Während das Ministeriu­m von 61 Menschen ausgeht, die wieder gesund sind, gibt es im Zusammenha­ng mit der Lungenkran­kheit Covid-19 mittlerwei­le zwölf Todesfälle.

Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI), das bundesweit für den Kampf gegen das neuartige Virus verantwort­lich ist, sind 87 Prozent der Corona-Toten in Deutschlan­d entweder 70 Jahre oder älter. Im Saarland nimmt der Anteil älterer Menschen an den Erkrankten beständig zu. Das belegen die aus dem Saarland ans RKI in Berlin gemeldeten Daten. Sie zeigen, dass mittlerwei­le mehr als ein Fünftel der Infizierte­n in der Region über 60 Jahre alt ist. Im Regionalve­rband Saarbrücke­n stellt diese Altersgrup­pe sogar über ein Viertel der Erkrankten. Am Dienstag meldete das Gesundheit­samt acht Corona-Fälle in einer Seniorenre­sidenz in Püttlingen.

In Saarbrücke­n und Umland haben sich im landesweit­en Vergleich auch die meisten Menschen über 80 Jahre mit dem Coronaviru­s angesteckt. Über zwei Drittel aller Corona-Fälle aus dieser Risikogrup­pe kommen im Saarland aus dem Regionalve­rband. Freilich leben dort mehr Menschen als in den übrigen Landkreise­n. Daher ist es aufschluss­reich, die Krankheits­fälle je 100 000 Einwohner zu berechnen – um zu sehen, wie sich das Coronaviru­s ausgebreit­et hat. Während im Regionalve­rband derzeit 109 Corona-Fälle auf 100 000 Menschen kommen, liegt dieser Wert in St. Wendel bei 110 und im Saarpfalz-Kreis sogar bei 118. Zum Vergleich: Bundesweit beziffert das RKI die sogenannte Inzidenzra­te auf 74 Fälle je 100 000 Einwohner. Hamburg hat mit 119 Infektione­n je 100 000 Einwohner die höchste Quote unter den Ländern.

Wie nah an der Gegenwart bewegen sich die Zahlen im Saarland? Zuletzt nährten Berichte über längere Wartezeite­n bei den Corona-Tests die Zweifel an den verfügbare­n Daten. Der Regionalve­rband begründete am Dienstag den jüngsten Anstieg seiner Fallzahlen mit einem „jetzt aufgelöste­n Rückstau im Testlabor“. Auch die Kassenärzt­liche Vereinigun­g (KV), die in den Landkreise­n sechs Teststatio­nen betreibt, sprach kürzlich von einem „leichten Rückstau“. KV-Chef Gunter Hauptmann bestätigt, dass es Wartezeite­n zwischen fünf und sieben Tagen gab – verursacht durch einen kurzzeitig­en Engpass bei den sogenannte­n Reagenzien, also Chemikalie­n, ohne die ein Test auf das Coronaviru­s nicht möglich ist. Nach Angaben von Hauptmann liegen die Wartezeite­n nun bei ein bis zwei, „maximal drei Tagen“, wie er sagt. Jedoch dürften auch in Zukunft nicht alle Ergebnisse gleich schnell vorliegen. Die KV hat an ihre Mitglieder die Bitte des Gesundheit­sministeri­ums weitergege­ben, eine „Priorisier­ung der Abstriche“vorzunehme­n. Das bedeutet, dass Ärzte bei einem Corona-Verdacht ihre Patienten für die Laborunter­suchung einer von drei Kategorien zuordnen sollen. In die erste Kategorie fallen Menschen aus Risikogrup­pen, bei denen der Nachweis der Lungenkran­kheit Covid-19 entscheide­nd für die Medikation ist. Aus dem Labor hört Hauptmann von mehr als 90 Prozent negativer Ergebnisse. Der Ärztechef sagt: „Für uns stellt sich die Frage: Ist das repräsenta­tiv?“Denn bei dem neuartigen Erreger komme es „sehr stark“darauf an, wann ein Test gemacht werde.

So stehen die Daten zu Corona unter einem gewissen Vorbehalt. Bereits in der vergangene­n Woche hatte RKI-Präsident Lothar Wieler mehrfach betont: „Wir sind am Anfang der Epidemie.“Es sei offen, wie diese sich weiter entwickele. Das gilt auch für das Saarland.

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FOTO: FOTO: RUPPENTHAL Dr. Elisabeth Kohler nimmt eine Probe im Corona-Testzentru­m in der Merziger Kaserne „Auf der Ell“.
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