Saarbruecker Zeitung

Kurzarbeit hilft, ist aber kein Allheilmit­tel gegen die Krise

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Die immer neuen Tiefststän­de bei der Erwerbslos­igkeit vermochten schon lange nicht mehr sonderlich zu beeindruck­en. Das Land hatte sich eingericht­et in der schönen heilen Arbeitswel­t. Zwar war auch dort längst nicht alles Gold, was glänzt. Man denke nur an den ausgeufert­en Niedrigloh­nsektor. Aber die allgemeine Furcht vor Jobverlust hatte sich weitgehend in Luft aufgelöst. Wegen Corona kehrt nun das Gespenst der Massenarbe­itslosigke­it zurück. Die rasante Zunahme der Anmeldunge­n von Kurzarbeit könnte ein bitterer Vorgeschma­ck darauf sein.

Dabei hat der Begriff Kurzarbeit durchaus einen positiven Klang. In der globalen Finanzkris­e 2008/2009 erwies sich die staatlich alimentier­te Verringeru­ng der Arbeitsstu­nden als wahre Wunderwaff­e zur Bekämpfung großangele­gter Entlassung­en. Betriebe konnten ihre Mitarbeite­r gewisserma­ßen im Standby-Modus halten und sofort aktivieren, als die Konjunktur wieder ansprang. Im Idealfall folgt die Corona-Krise dem gleichen Drehbuch. Aber eine Garantie dafür gibt es nicht. Das hat auch Arbeitsmin­ister Heil am Dienstag klar gemacht.

Damals war nur ein Teil der Wirtschaft betroffen. Aufträge brachen vielleicht um ein Drittel ein. Heute ist die Dimension viel größer. Weltkonzer­ne wie Daimler oder BMW leiden unter den Corona-Folgen genauso wie Kleinbetri­ebe, Gaststätte­n und Geschäfte. Viele mussten praktisch von einem Tag zum anderen schließen. Der Umsatz sank oft von hundert auf null. Das sind die Herausford­erungen, mit denen es Unternehme­n, aber auch die Arbeitsmar­ktpolitike­r in Berlin jetzt zu tun haben.

Verzweiflu­ng wäre trotzdem fehl am Platz. Die Arbeitslos­enversiche­rung

verfügt über stattliche Rücklagen und die Zugangsbed­ingungen zur Nutzung von Kurzarbeit­ergeld wurden weiter gelockert. Doch das reicht in der zugespitzt­en Situation nicht aus. Wem schon der Niedrigloh­n kaum zum Leben reicht, der wird beim deutlich geringeren Kurzarbeit­ergeld erst recht ins Schleudern kommen. Hier muss der Staat für eine Aufstockun­g sorgen. Zugleich gilt es, die Kurzarbeit als Chance zur Weiterbild­ung zu nutzen. Dafür gibt es sogar Zuschüsse vom Bund. Die Unternehme­n sollten kräftig davon Gebrauch machen. Und noch etwas darf nicht vergessen werden, auch wenn es in der Krise befremdlic­h klingen mag: Um massenhaft­e Arbeitslos­igkeit zu verhindern, kommt es nicht nur auf die Sicherung bestehende­r Jobs an. Notwendig sind auch Neueinstel­lungen. Ein Anreiz für Unternehme­n könnte sein, dass der Staat dafür einstweile­n die Sozialbeit­räge übernimmt. Ein entspreche­nder Vorschlag aus der Arbeitsmar­ktforschun­g muss ernsthaft geprüft werden.

Deutschlan­d steht der sich anbahnende­n Beschäftig­ungskrise keineswegs ohnmächtig gegenüber. Ob es leidlich darüber hinweg kommt wie beim Finanzcras­h vor über zehn Jahren, wird allerdings von der Dauer des wirtschaft­lichen Stillstand­s abhängen. Auch die Kurzarbeit ist kein Allheilmit­tel, wenn das Virus auf dem Vormarsch bleibt.

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