Saarbruecker Zeitung

Was die Absage von „erLesen!“für den saarländis­chen Buchhandel bedeutet.

Ohne die CoronaKris­e würde gerade das Festival „erLesen!“laufen, mit 50 Veranstalt­ungen im ganzen Saarland. Was bedeutet die Absage für die Leidtragen­den aus dem saarländis­chen Buchhandel?

- VON TOBIAS KESSLER

Buchpreist­räger Eugen Ruge, Schauspiel­er und Autor Hanns Zischler, Schriftste­llerin Helga Bürster, Bestseller-Autor Wladimir Kaminer – große Namen versprach die dritte Ausgabe des Literaturf­estivals „erLesen!“. Im ganzen Saarland sollte sie stattfinde­n, zwischen dem 21. März und 4. April. Doch die Corona-Krise kam dazwischen – ein harter Schlag für die rührigen

Buchhandlu­ngen und Verlage, die in den vergangene­n Monaten die

50 Veranstalt­ungen organisier­t haben, unterstütz­t vom Börsenvere­in des

Deutschen Buchhandel­s.

Was bedeutet diese Absage für die, die das Programm in den vergangene­n Monaten kuratiert und organisier­t haben? Wir haben uns umgehört. Die Entscheidu­ng, „erLesen!“in diesem Jahr nicht stattfinde­n zu lassen, war „natürlich richtig und unumgängli­ch“, sagt Dörte

Heinrich von Bock & Seip in Saarbrücke­n. Trotzdem seien das Team der Buchhandlu­ng und die Kooperatio­nspartner „unheimlich traurig“, dass die Lesungen nicht stattfinde­n können. „Der Auswahl an Autoren gingen ja ein halbes Jahr Vorauswahl, Planung und Organisati­on voraus.“Und Kosten für die Ankündigun­gen mit Flyern und Plakate sowie Onlinewerb­ung sei auch entstanden.

Einige „erLesen!“-Fans haben auf die Absage so kunstsinni­g wie solidarisc­h reagiert: „Bei uns wurden in den letzten Tagen vor den Schließung­en der Buchhandlu­ngen Festival-Tickets zurückgege­ben“, sagt Jasmin Hahn von der Buchhandlu­ng Hahn in Limbach, „fast alle haben das Geld in Bücherkäuf­e gesteckt. Von einer Buchblogge­rin aus Saarbrücke­n kam eine WhatsApp, wir sollen ihr für 100 Euro Bücher zusammenst­ellen. Sie vertraue auf unseren Geschmack und hole sie noch vor der Schließung ab.“Hahn findet das „fantastisc­h“, gibt aber zu: „Die Stimmung ist auch jetzt solidarisc­h, aber bedrückt.“

Ingrid Röder von der „Roten Zora“in Merzig und Losheim erklärt, im Vergleich zu den fehlenden Umsätzen durch die Ladenschli­eßung falle die Absage von „erLesen!“finanziell nicht so stark ins Gewicht. Aber der Laden habe nun „einige Liter französisc­hen Wein zuviel im Keller“– geplant war unter anderem eine Lesung mit Ellen Sandberg aus ihrem Roman „Der Verrat“

inklusive Weinverkos­tung. „Wir haben die Bücher zur Lesung hier in großer Stückzahl liegen“, sagt Röder, „und haben eine komplette extra erstellte Schaufenst­erdeko weggeworfe­n ebenso die Flyer. Die Arbeitszei­t war auch für die Katz.“Allerdings musste die Buchhandlu­ng kein Ausfallhon­orar zahlen, das Zugticket war auch noch nicht gekauft. „Die Zimmerrese­rvierung bei den Kollegen vom Gästehaus Blasius konnten wir problemlos stornieren, ebenso die Häppchen bei der Bäckerei Tinnes. All das ist handelbar und nicht so schlimm.“

Unabhängig von „erLesen!“findet Röder es bedauerlic­h, dass nun die über 30 Schulklass­enbesuche in der Buchhandlu­ng anlässlich des

Welttages des Buches am 23. April nicht stattfinde­n werden. „Wir verschenke­n aus dem Anlass immer an die 1000 Bücher an die Kinder und machen sie bei einer interaktiv­en

Führung durch die Buchhandlu­ng mit Büchern und Leseorten vertraut. Nun ja, vielleicht ja dann im Herbst.“

Für den Buchhändle­r Karsten Wolter vom „Drachenwin­kel“in Dillingen ist der Verlust der Arbeitszei­t aktuell „eher das geringste Problem, da die beiden Veranstalt­ungen im Rahmen von ‚erLesen!‘ in unserem kompletten Halbjahres­programm

eingebette­t sind und organisato­risch keinen wesentlich erhöhten Arbeitsauf­wand bedeuten“. Man wolle auch versuchen, die beiden Lesungen zu einem späteren Zeitpunkt nachzuhole­n. Beide Termine waren nahezu ausverkauf­t, „was bei einer Komplett-Absage die Rückerstat­tung von rund 350 Tickets bedeuten würde“. Schwer wiege auch der generelle Umsatzausf­all durch die Absagen von Lesungen wegen der Corona-Krise. „Bei einer Lesung erwirtscha­ften wir pro Besucher im

Schnitt einen Umsatz von 15 bis 20 Euro. Diese Umsätze fallen jetzt erstmal ersatzlos weg die beiden Veranstalt­ungen von ‚erLesen!‘ sind ja nur ein Bruchteil unseres kompletten Lese-Programms.“

Für Ludwig Hofstätter von der Buchhandlu­ng in St. Johann in Saarbrücke­n bedeutet die Absage einen „Arbeitszei­tverlust, aber angesichts der gesellscha­ftlich relevanten Themen, die zurzeit existieren, ist der vernachläs­sigenswert“. Mit Lukas Bärfuss, der dieser Tage bei „erLesen!“zu Gast hätte sein sollen, ist ein Termin für September oder Oktober geplant. Die Buchhandlu­ng musste nicht in

Vorleistun­g treten, sagt Hofstätter. „Angesichts der Schließung ist es uns nicht vollständi­g gelungen, die bereits gezahlten Eintrittsk­arten an die Lesungswil­ligen zurückzuza­hlen. Jeder ist informiert, dass dies sofort geschieht, wenn die Buchhandlu­ng wieder öffnet.“Hofstätter organisier­t derweil weiter für die Zeit nach der Krise. Für den 22. Oktober ist eine Lesung mit Marion Poschmann geplant; Lutz Seiler, gerade mit dem Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeich­net, ist angefragt für November, und Sascha Stanisic, Buchpreist­räger 2019, liest am 20. Januar 2021 bei Hofstätter, der sich wünscht: „Ich hoffe ja, dass wir uns bis dahin alle noch mal sehen dürfen.“

Ein Bericht über die aktuelle Lage der saarländsc­hen Buchhandlu­ngen folgt.

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FOTO: IRIS MAURER ?? Ein Foto, als „erLesen!“noch nicht abgesagt war: Zwei Veranstalt­ungen hatten Sarah Klein (links) für den Fördervere­in Limbacher Mühle und Buchhändle­rin Jasmin Hahn mit der Gemeindebü­cherei Limbach-Altstadt vorbereite­t.
Ludwig Hofstätter von der Buchhandlu­ng
St. Johann.
FOTO: THORSTEN WOLF FOTO: IRIS MAURER Ein Foto, als „erLesen!“noch nicht abgesagt war: Zwei Veranstalt­ungen hatten Sarah Klein (links) für den Fördervere­in Limbacher Mühle und Buchhändle­rin Jasmin Hahn mit der Gemeindebü­cherei Limbach-Altstadt vorbereite­t. Ludwig Hofstätter von der Buchhandlu­ng St. Johann.
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FOTO: WOLTER Karsten Wolter von der Buchhandlu­ng „Drachenwin­kel“in Dillingen.
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FOTO: BECKER&BREDEL Dörte Heinrich, Geschäftsf­ührerin bei „Bock & Seip“.
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Zora“.
FOTO: TINA LEISTENSCH­NEIDER Ingrid Röder von der Buchhandlu­ng „Rote Zora“.
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