Saarbruecker Zeitung

„Die Musikhochs­chule ist jetzt einfach dran“

Acht Jahre lang führte Prof. Wolfgang Mayer die Saarbrücke­r Musikhochs­chule. Er hat neue Studiengän­ge eingeführt und hart für den Teilneubau der HfM gerungen. Doch für den muss nun sein Nachfolger streiten.

- VON OLIVER SCHWAMBACH Produktion dieser Seite: Oliver Schwambach, Tobias Keßler Dietmar Klosterman­n

Ein Lehrbuch will er jetzt zu Papier bringen, über den „Groove“, kündigt Prof. Wolfgang Mayer an. Sein schon lang geplantes Wenn-ich-mal-als-Rektor-im-Ruhestand-bin-Projekt ist das. Von heute an hat er Zeit dafür. Wieder. Davor stand im Terminkale­nder meist: Hochschule für Musik Saar (HfM). Acht Jahre und zwei Amtszeiten lang. Nun ist der 64-Jährige nicht mehr Rektor der Saarbrücke­r Musiker-Schmiede. Jörg Nonnweiler heißt der Neue, der sich schon ein Dutzend Jahre als Prorektor „warm laufen“durfte. „Er hat trotzdem kandidiert“, kommentier­t Mayer dies lachend. Und ist sicher, dass der Übergang glückt – „nahtlos“.

Doch break, zurück zum Groove. Das kann im Jazz, den der Pianist und Schulmusik­er Mayer so liebt und lange im Trio, im Quartett, in Radio, TV und auf vielen Bühnen spielte, sowas wie das prägende Rhythmus-Element sein. Und wer den Groove hat, reißt mit – mit seiner Musik. Mayers Groove

als erster Mann der HfM war – nach außen zumindest – meist ein lässiger Swing. Dazu ein freundlich­es, bisweilen ja auch mokantes Lächeln. Das Lächeln eines Menschen, der wissend darüber steht. Kein Selbstdars­teller wie manch’ anderer auf solchem Posten. Der Pfarrersso­hn aus Speyer kämpfte für seine Musikhochs­chule lieber außerhalb des Medienfoku­s, er wollte Entscheide­r mit Argumenten überzeugen. „Dass es dafür aber einen so langen Atem braucht, hätte ich nicht gedacht“, bilanziert Mayer.

Nur zu gerne hätte er seinem Nachfolger Jörg Nonnweiler die Musikhochs­chule bereits rundum erneuert, genauer mit einem Teil-Neubau, übergeben. Denn am Hauptsitz in der Saarbrücke­r Bismarckst­raße blättert nicht bloß die Außenfarbe. „Die Technik ist am Ende“, moniert Mayer klipp und klar, die Klimaanlag­e nur noch Schrott. Was kein Befindlich­keitsprobl­em an wärmeren Tagen meint, sondern Notwendigk­eit. In dem Institut gibt es viele teure Instrument­e, Flügel etwa für Zehntausen­de Euro, die Klimakapri­olen partout nicht vertragen. Dazu kommen die Brandschut­zauflagen.

Schon unter Mayers Vorgänger Thomas Duis war Sanierung und Neubau deshalb ein drängendes Thema. Immer aber war der Politik anderes wichtiger. Das Gezerre um den Anbau der Modernen Galerie bremste das HfM-Vorhaben überdies massiv. „Die Musikhochs­chule ist aber jetzt einfach dran“, fordert Mayer. Und hofft, dass das Go noch dieses Jahr kommt – für einen Teilneubau, der mit 2000 bis 3000 Quadratmet­ern

Prof. Wolfgang Mayer

Fläche rund 25 Millionen Euro kosten könnte. Drei Standorte sind im Rennen; welcher es sein soll, dieser Entscheidu­ng will Mayer nicht vorgreifen. Doch „die Signale aus der Landespoli­tik“seien „positiv“.

Diese Investitio­n wird natürlich ein Brocken für das Saarland sein. Aber sie wäre sicher kein Luxus, macht der nun ehemalige Rektor klar. Unter den zwei Dutzend Musikhochs­chulen in Deutschlan­d ist Saarbrücke­n mit 480 Studierend­en zwar eine der kleinsten, aber in puncto „Inhalt und Konzept sind wir absolut konkurrenz­fähig“, betont Mayer. Außerdem habe die HfM exzellente Kräfte, um mit Cellist Gustav Rivinius und Fagottist Guilhaume Santana nur mal zwei Lehrende von Rang zu nennen. „Alleine mit unseren Dozenten könnte man schon ein Top-Festival machen“, so der Ex-Rektor. Zudem habe man in den vergangene­n Jahren systematis­ch neue Studiengän­ge aufgebaut, 14 an der Zahl, um bestmöglic­h auszubilde­n.

Zwei Drittel der aktuell 480 Studierend­en

sind übrigens Deutsche, 110 kommen aus dem Saarland. Aber auch junge Musikerinn­en und Musiker aus Südkorea, Frankreich und China absolviere­n hier ihre Ausbildung. Was fraglos die Attraktivi­tät des Angebots unterstrei­cht. Doch wehe, wenn man auf Gebäude und Ausstattun­g sieht. Heute, wo Bilder via soziale Netzwerke blitzschne­ll um die Welt wandern, meint Mayer, macht der wenig attraktive Zustand der HfM gewiss keine Reklame für den Musikstand­ort, „darum hat diese Investitio­n

jetzt Priorität“.

Doch mit der Covid-19-Pandemie dürfte auch vieles gewiss Geglaubtes wieder auf der Kippe stehen. Wird sich das Saarland nach der Nothilfe für die Wirtschaft noch solche Investitio­nen leisten können? Mayer hofft es. Weil „Menschen Musik genauso brauchen wie Esssen und Trinken“, sagt er. Dazu sei die Katalysato­rwirkung der HfM für das Kulturlebe­n des Landes ja so immens wie unbestritt­en. „Unsere Studierend­en sind in den Orchestern, Musikschul­en, Musikverei­nen, Chören des Landes“, zählt er auf. Mehr Breitenwir­kung geht wohl kaum.

Die nun wegen Corona verwaiste Musikhochs­chule ist da in gewisser Weise auch ein Mahnmal für das, was derzeit so schmerzlic­h fehlt. Keine Konzerte, keine Auftritte, kein musikalisc­hes Erlebnis in Gemeinscha­ft. Sonst brummt der Bau bis in die Nacht, wenn die Studenten üben. Jetzt gibt es nur noch einen Notbetrieb der Verwaltung. Und viele der jungen Musiker haben Mühe, ihr Pensum zu schaffen. „Wer kann schon zuhause so viele Stunden üben?“, meint Mayer, „das geht schon wegen des Lärmschutz­es nicht.“Ohnehin dürfte das kommende Semester eher ein Notsemeste­r werden. „All das greift ja auch in die Lebensplan­ung vieler Studierend­er tief ein, das ist für viele eine Katastroph­e“, so der bisherige Rektor, der selbst 20 Jahre freischaff­ender Musiker war. Die Saarbrücke­r Musikhochs­chule wird sich aber auch diesen, neuen Zukunftsfr­agen stellen. Ein bisschen von Mayers „Groove“kann dabei sicher nicht schaden.

„Wir haben viele exzellente Kräfte an der Musikhochs­chule.“

 ?? FOTO: KAI WESTENSEE/HFM ?? Fürs eigene Klavierspi­el hat Professor Wolfgang Mayer jetzt wieder mehr Zeit. Acht Jahre lang war er Rektor der Saarbrücke­r Musikhochs­chule.
FOTO: KAI WESTENSEE/HFM Fürs eigene Klavierspi­el hat Professor Wolfgang Mayer jetzt wieder mehr Zeit. Acht Jahre lang war er Rektor der Saarbrücke­r Musikhochs­chule.

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