Wie Obst und Gemüse Immunzellen auf Trab bringen
Sekundäre Pflanzenstoffe können Gene in menschlichen Zellen aktivieren. Dadurch bilden sich neue Zellen der Immunabwehr.
(ml) Unser Darm dient nicht nur der Verdauung, sondern wehrt auch Krankheitserreger und Umweltschadstoffe ab, die wir mit der Nahrung aufnehmen. Dabei muss das Immunsystem im Darm jedoch im Gleichgewicht bleiben. Reagiert es zu schwach, haben Erreger und Schadstoffe leichtes Spiel, schießt es über, kann es zu gefährlichen Entzündungen bis hin zu Kreislaufversagen und Organschädigungen kommen. Eine ausgeglichene Immunreaktion ist auch wichtig, um Autoimmunkrankheiten zu verhindern.
Die Schleimhaut im Verdauungstrakt ist der Bereich unseres Körpers, der am stärksten schädlichen Keimen aus der Außenwelt ausgesetzt ist. Daher sind im Darm über 70 Prozent der körpereigenen Immunzellen angesiedelt. Die Darmschleimhaut ist mit circa 200 Quadratmetern Oberfläche sehr groß, allerdings auch sehr dünn, damit die Nährstoffe aus der Nahrung gut ins Blut übergehen können.
„Die Lymphozyten bilden an dieser ausgedehnten Barriere zur Außenwelt die erste Verteidigungslinie gegen giftige Keime“, erklären Forscher der University of Connecticut in Farmington, USA. Lymphozyten sind spezielle weiße Blutkörperchen, die zu den natürlichen Killerzellen des Körpers gehören.
Die Kraft der Kreuzblütler Forscher der Universität Utrecht, Niederlande, haben nachgewiesen, dass die Pflanzenfamilie der Kreuzblütler die Immunzellen im richtigen Maß auf Trab bringt. Gemeint sind beispielsweise Brokkoli, Kohl, Grünkohl, Rotkohl, Blumenkohl und Rosenkohl sowie Rettich, Radieschen und Meerrettich. Der Verzehr von Kreuzblütler-Gemüse stärke
Unser westlicher Lebensstil mit einseitiger Ernährung und Bewegungsmangel trägt eine Mitschuld, wenn unser Immunsystem fehlerhaft reagiert. Studien am Massachusetts Institute of Technology (MIT), einer Universität in Cambridge im US-Bundesstaat Massachusetts, haben gezeigt, dass eine Ernährung
das Immunsystem. Die Anzahl der Lymphozyten erhöhe sich, wenn regelmäßig Gemüse gegessen werde. Lymphozyten schützen und stärken die Darmschleimhaut.
Schutz vor Übereifer Für ein Immunsystem im Gleichgewicht spielt der Ah-Rezeptor (Aryl-Hydrocarbon-Rezeptor) eine wichtige Rolle. Ein Rezeptor ist eine Andockstelle auf der Zelloberfläche. Auf den mit wenig Obst und Gemüse ein Risikofaktor für Darmerkrankungen ist. Der amerikanische Ernährungsmediziner Dr. Michael Greger meint, wir könnten unser Immunsystem auf Dauer nur fit halten, wenn wir regelmäßig Gemüse und Obst essen. „Essen wir keine Pflanzen bei jeder Mahlzeit, arbeiten wir wahrscheinlich der Strategie des Körpers entgegen, die darauf abzielt, uns zu schützen“, erläutert Greger
Ah-Rezeptor passen vor allem sekundäre Pflanzenstoffe, die in Gemüse und Obst stecken.
Mit diesen Stoffen schützen sich Pflanzen vor Krankheitserregern, Schädlingen, Pflanzenfressern, UV-Strahlung oder Verdunstung. Es sind im Grunde giftige Abwehrstoffe, doch an viele davon hat sich der Mensch im Lauf seiner langen Evolution angepasst. Allerdings aktivieren sekundäre Pflanzenstoffe
noch immer das Immunsystem des Menschen, denn sie sind leicht giftig. Daher produziert unser Körper Abwehrstoffe und Immunzellen.
Docken Pflanzenstoffe am Ah-Rezeptor an, wird dieser aktiviert und wandert in den Kern der Zelle, woraufhin dort Gene eingeschaltet und Entgiftungsenzyme gebildet werden sowie die Bildung von Immunzellen angeregt wird.
Laufen die Ah-Rezeptoren der Darmzellen auf Hochtouren, schalten sich im Kern der Zellen auch Gene ein, die für die Produktion eines „Gegenspielers“zuständig sind, des Ah-Rezeptor-Repressors. Er verhindert eine Überaktivität der Ah-Rezeptoren und sorgt so dafür, dass das Immunsystem nicht überreagiert Das haben Forscher der Universität Bonn, des Leibniz-Instituts Düsseldorf und der Waseda-Universität in Tokio bei Versuchen mit Mäusen herausgefunden.
Wissenschaftler der Pennsylvania State University fütterten Mäuse mit Brokkoli. Das führte zu einer erhöhten Aktivität der Ah-Rezeptoren und einer verstärkten Bildung von Ah-Rezeptor-Repressoren. Die Experten sprechen von einer vorteilhaften Reaktion des Immunsystem, was der Darmgesundheit zugute komme.
Gestörte Zellfunktion Auf den Ah-Rezeptor passen aber auch andere Substanzen – wie mehrere Schlüssel auf dasselbe Schloss. Darunter sind Umweltgifte wie Dioxin oder Benzopyren aus Zigarettenrauch. In größerer Menge aktivieren dies Stoffe die Ah-Rezeptoren offenbar übermäßig, die Gegenspieler können kein Gleichgewicht mehr herstellen. Es kommt zu Störungen der Zellfunktion und somit zu einer Schwächung des Immunsystems.
Auf schädliche Keime im Essen reagiert unser Organismus oft mit Erbrechen und Durchfall, um sie schnell loszuwerden. Nehmen wir jedoch ständig zu viele Schadstoffe auf, kann es zu Entzündungen bis hin zum Organversagen kommen.
Farbstoffe zum Entgiften An der Universität Kobe, Japan, wurde in Versuchen mit Mäusen und in Laborexperimenten nachgewiesen, dass sekundäre Pflanzenstoffe, speziell die grünen, gelben und roten Farbstoffe der Pflanzen, tierische und somit auch menschliche Zellen vor Dioxin schützen können. Die Menge an sekundären Pflanzenstoffen, die in drei Äpfeln oder einem Esslöffel roter Zwiebeln steckt, reicht nach Ansicht der Forscher bei täglichem Verzehr schon aus, um die Giftigkeit von Dioxin zu halbieren. Allerdings hält die Wirkung nur wenige Stunden an, sodass man regelmäßig Obst und Gemüse essen muss, um Giftstoffe abzuwehren.
Auch sekundäre Pflanzenstoffe aus Obst, Teeblättern und Bohnen dämmen nachweislich die Wirkung von Dioxinen ein. Die Stärkung unseres Immunsystems durch Kreuzblütler schützt zudem vor Schadstoffen aus Zigarettenrauch, Autoabgasen, stark gebratenem Fleisch oder belasteten Milchprodukten. „Der Verzehr von Grünkohl könnte bei Menschen die Abwehr gegen Krankheitserreger verbessern“, schreiben die japanischen Forscher.
Der amerikanische Ernährungsforscher Dr. Michael Greger nimmt an, dass die Ernährung unserer Vorfahren über Millionen Jahre hinweg vor allem von Grünzeug geprägt war. Wohl deshalb reagiert unser Immunsystem im richtigen Maß auf die sekundären Pflanzenstoffe.