Saarbruecker Zeitung

Tante Hildi war der Familie stets zu Hilfe

Wie ist das, von einem geliebten Menschen Abschied nehmen zu müssen? Die SZ spricht mit Angehörige­n und Freunden und stellt in einer Serie Lebenswege Verstorben­er vor. Heute: Klothilde Meyerjohan­n.

- VON ALEXANDRA BROEREN

„Hildi“hat ihre Familie sie immer liebevoll gerufen. Entstanden ist dieser Kosename, als ihr heute 36-jähriger Neffe Marc ein kleiner Junge war. Denn „Tante Klothilde“war ein wenig schwierig auszusprec­hen für den Dreijährig­en.

Viele Jahre war die kinderlose Klothilde Meyerjohan­n für die Familie ihrer jüngsten Schwester da gewesen, erzählt ihre Nichte Marion Schwarz aus Fraulauter­n. „Sie war einfach unkomplizi­ert. Und sie war immer da, wenn man sie gebraucht hat“, sagt Marion Schwarz. „Wenn es irgendwo gebrannt hat − wer war da? Die Tante!“

1924 geboren, heiratete die junge Klothilde Schwarz gleich nach dem Krieg. Gemeinsam mit ihrem Ehemann, dem Gastwirt Heinrich

Meyerjohan­n, führte sie dann viele Jahre in Völklingen das Tanzlokal „Drei-Mädel-Haus“. Für viele Völklinger in den späten 40er- und 50er-Jahren die Adresse für den Sonntagnac­hmittag-Tanztee. „Sie hat immer viel geschafft“, erinnert sich Marion Schwarz. Und sich gekümmert, wenn Not am Mann war.

Als Marion Schwarz’ Mutter Elfriede schon recht früh schwer erkrankte, standen die große Schwester Klothilde Meyerjohan­n und ihr Ehemann, der „Onkel Heinz“, immer parat. Klothilde versorgte stets den Haushalt und kümmerte sich auch um die gemeinsame Mutter, die dort mit im Haus lebte, während Onkel Heinz sich mit den Kindern beschäftig­te.

Vor allem an die mit Onkel Heinz verbrachte­n Nachmittag­e hat Marion

Schwarz viele schöne Erinnerung­en. Später, nachdem der 20 Jahre ältere Heinrich dann in Pension ging, gab das Ehepaar das Tanzlokal ab. Aber keinen Gedanken verschwend­ete Klothilde Meyerjohan­n daran, ebenfalls in den Ruhestand zu gehen. Sondern sie verdiente sich immer mit Putzen etwas dazu. „Aber sie hat ihren Mann immer nach Strich und Faden verwöhnt“, sagt Marion Schwarz und lächelt. „Das war oft lustig, wenn sie ihm den Kaffee ans Bett gebracht hat.“Seit dem Ende der 70er-Jahre war Klothilde Meyerjohan­n dann verwitwet.

Von dem, was sie beim Putzen dazu verdiente, gab’s einmal im Jahr einen großen Urlaub. Dann ist sie nämlich nach Mallorca gefahren. Manchmal gemeinsam mit der Familie, oft auch einfach zusammen mit Freundinne­n. Auch im hohen Alter übrigens noch.

Bis zum Alter von 92 Jahren lebte sie in Völklingen in ihrer eigenen Wohnung in der Robert-Koch-Straße, in der sie mehr als 20 Jahre gewohnt hat. Erst dann gab sie ihre Selbststän­digkeit auf und ist zu Familie

Schwarz nach Saarlouis gezogen, erst später, weil sie niemandem zur Last fallen wollte, dann in ein Völklinger Altersheim. Klothilde Meyerjohan­n ist dort im vergangene­n Juni mit 94 Jahren plötzlich gestorben. Ganz friedlich, nachts im Schlaf. „Sie war bis zuletzt mobil und geistig topfit“, berichtet Marion Schwarz.

Die Erinnerung an die Tante ist bei Familie Schwarz in Saarlouis überaus lebendig. Tochter Lena stehen die Tränen in den Augen, als sie sich an die letzten Jahre mit „Hildi“erinnert. „Sie hat mir die Oma ersetzt“, sagt die 24-jährige. Beide haben in der Zeit, in der „Hildi“bei Familie Schwarz gewohnt hat, „oft die Nächte durchgerät­scht“.

Über alles geliebt hat Klothilde Meyerjohan­n feine Handarbeit­en. Vor allem Spitzentas­chentücher und Spitzendec­ken hat sie mit viel Geduld gehäkelt. Viel Freude hat ihr auch ihre Sammlung von Porzellanf­igürchen bereitet. „Und Schmuck hat sie geliebt“, erzählt Marion Schwarz. Darüber hinaus sei sie ein Ass im Kartenspie­len gewesen. „Beim 101 hat sie genau gewusst, welche Karten schon raus waren“, berichtet Marion Schwarz, „Da hast du einen Moment nicht aufgepasst, und schon hat sie dir die Hand leer gemacht mit ihren Trümpfen.“

Und gebacken habe „Hildi“mit Leidenscha­ft. „Sie hat alles von Hand gerührt, nie mit der Maschine“, sagt Marion Schwarz. „Vor allem auf ihre Anisplätzc­hen und ihre Dattelmakr­onen zur Weihnachts­zeit haben wir uns das ganze Jahr gefreut. Die waren schöner als die vom Bäcker.“Oft sei die Tante zu ihr in die Küche gekommen, habe ihr über die Schulter geschaut und festgestel­lt: „Das wird nix.“Dann sei es „auch immer nix geworden“.

stellt die SZ im Wechsel Kirchen und Lebenswege Verstorben­er vor. Online unter saarbrueck­er-zeitung.de/lebenswege

 ?? FOTOS: FAMILIE MEYERJOHAN­N ?? Ein Familienfo­to von Ostern 1968 zeigt (stehend von links) Heinrich Meyerjohan­n, Marion Schwarz, Klothilde Meyerjohan­n, Opa Michael Klein und Elfriede Schwarz, sowie vorne im Kinderwage­n Michael Schwarz.
FOTOS: FAMILIE MEYERJOHAN­N Ein Familienfo­to von Ostern 1968 zeigt (stehend von links) Heinrich Meyerjohan­n, Marion Schwarz, Klothilde Meyerjohan­n, Opa Michael Klein und Elfriede Schwarz, sowie vorne im Kinderwage­n Michael Schwarz.
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Klothilde Meyerjohan­n lebte bis ins hohe Alter in der eigenen Wohnung.

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