Tante Hildi war der Familie stets zu Hilfe
Wie ist das, von einem geliebten Menschen Abschied nehmen zu müssen? Die SZ spricht mit Angehörigen und Freunden und stellt in einer Serie Lebenswege Verstorbener vor. Heute: Klothilde Meyerjohann.
„Hildi“hat ihre Familie sie immer liebevoll gerufen. Entstanden ist dieser Kosename, als ihr heute 36-jähriger Neffe Marc ein kleiner Junge war. Denn „Tante Klothilde“war ein wenig schwierig auszusprechen für den Dreijährigen.
Viele Jahre war die kinderlose Klothilde Meyerjohann für die Familie ihrer jüngsten Schwester da gewesen, erzählt ihre Nichte Marion Schwarz aus Fraulautern. „Sie war einfach unkompliziert. Und sie war immer da, wenn man sie gebraucht hat“, sagt Marion Schwarz. „Wenn es irgendwo gebrannt hat − wer war da? Die Tante!“
1924 geboren, heiratete die junge Klothilde Schwarz gleich nach dem Krieg. Gemeinsam mit ihrem Ehemann, dem Gastwirt Heinrich
Meyerjohann, führte sie dann viele Jahre in Völklingen das Tanzlokal „Drei-Mädel-Haus“. Für viele Völklinger in den späten 40er- und 50er-Jahren die Adresse für den Sonntagnachmittag-Tanztee. „Sie hat immer viel geschafft“, erinnert sich Marion Schwarz. Und sich gekümmert, wenn Not am Mann war.
Als Marion Schwarz’ Mutter Elfriede schon recht früh schwer erkrankte, standen die große Schwester Klothilde Meyerjohann und ihr Ehemann, der „Onkel Heinz“, immer parat. Klothilde versorgte stets den Haushalt und kümmerte sich auch um die gemeinsame Mutter, die dort mit im Haus lebte, während Onkel Heinz sich mit den Kindern beschäftigte.
Vor allem an die mit Onkel Heinz verbrachten Nachmittage hat Marion
Schwarz viele schöne Erinnerungen. Später, nachdem der 20 Jahre ältere Heinrich dann in Pension ging, gab das Ehepaar das Tanzlokal ab. Aber keinen Gedanken verschwendete Klothilde Meyerjohann daran, ebenfalls in den Ruhestand zu gehen. Sondern sie verdiente sich immer mit Putzen etwas dazu. „Aber sie hat ihren Mann immer nach Strich und Faden verwöhnt“, sagt Marion Schwarz und lächelt. „Das war oft lustig, wenn sie ihm den Kaffee ans Bett gebracht hat.“Seit dem Ende der 70er-Jahre war Klothilde Meyerjohann dann verwitwet.
Von dem, was sie beim Putzen dazu verdiente, gab’s einmal im Jahr einen großen Urlaub. Dann ist sie nämlich nach Mallorca gefahren. Manchmal gemeinsam mit der Familie, oft auch einfach zusammen mit Freundinnen. Auch im hohen Alter übrigens noch.
Bis zum Alter von 92 Jahren lebte sie in Völklingen in ihrer eigenen Wohnung in der Robert-Koch-Straße, in der sie mehr als 20 Jahre gewohnt hat. Erst dann gab sie ihre Selbstständigkeit auf und ist zu Familie
Schwarz nach Saarlouis gezogen, erst später, weil sie niemandem zur Last fallen wollte, dann in ein Völklinger Altersheim. Klothilde Meyerjohann ist dort im vergangenen Juni mit 94 Jahren plötzlich gestorben. Ganz friedlich, nachts im Schlaf. „Sie war bis zuletzt mobil und geistig topfit“, berichtet Marion Schwarz.
Die Erinnerung an die Tante ist bei Familie Schwarz in Saarlouis überaus lebendig. Tochter Lena stehen die Tränen in den Augen, als sie sich an die letzten Jahre mit „Hildi“erinnert. „Sie hat mir die Oma ersetzt“, sagt die 24-jährige. Beide haben in der Zeit, in der „Hildi“bei Familie Schwarz gewohnt hat, „oft die Nächte durchgerätscht“.
Über alles geliebt hat Klothilde Meyerjohann feine Handarbeiten. Vor allem Spitzentaschentücher und Spitzendecken hat sie mit viel Geduld gehäkelt. Viel Freude hat ihr auch ihre Sammlung von Porzellanfigürchen bereitet. „Und Schmuck hat sie geliebt“, erzählt Marion Schwarz. Darüber hinaus sei sie ein Ass im Kartenspielen gewesen. „Beim 101 hat sie genau gewusst, welche Karten schon raus waren“, berichtet Marion Schwarz, „Da hast du einen Moment nicht aufgepasst, und schon hat sie dir die Hand leer gemacht mit ihren Trümpfen.“
Und gebacken habe „Hildi“mit Leidenschaft. „Sie hat alles von Hand gerührt, nie mit der Maschine“, sagt Marion Schwarz. „Vor allem auf ihre Anisplätzchen und ihre Dattelmakronen zur Weihnachtszeit haben wir uns das ganze Jahr gefreut. Die waren schöner als die vom Bäcker.“Oft sei die Tante zu ihr in die Küche gekommen, habe ihr über die Schulter geschaut und festgestellt: „Das wird nix.“Dann sei es „auch immer nix geworden“.
stellt die SZ im Wechsel Kirchen und Lebenswege Verstorbener vor. Online unter saarbruecker-zeitung.de/lebenswege