Saarbruecker Zeitung

Zurück an den Herd oder Lieferserv­ice?

Thai-Curry und Pizza liefern lassen oder doch lieber selbst kochen? Verändert die CoronaKris­e auch, wie und was die Deutschen essen?

- VON JUTTA SCHÜTZ UND ULRIKE VON LESZCZYNSK­I

(dpa) Seit Corona gibt es in vielen Familien mehr Zeit fürs ausgiebige Frühstück mit Brötchen und Rührei. Und so mancher entdeckt angesichts geschlosse­ner Restaurant­s die eigene Küche neu. Freunde von Lakritz und Schokolade fürchten zusätzlich­e Pfunde, weil mehr als sonst genascht wird.

Wer jetzt zu Hause mehr ansetzt, sollte sein Verhalten hinterfrag­en, meint Ernährungs­wissenscha­ftler und Buchautor Uwe Knop. Warum esse ich jetzt dauernd Kekse und im Büro nicht – ist es Stress, sind es andere emotionale Gründe oder ist es sogar Langeweile? Knop beruhigt die Gemüter. Um ein Kilogramm Körperfett zuzulegen, müsse ein Erwachsene­r 7000 Kilokalori­en über seinen Bedarf hinaus essen. „Das bedeutet zum Beispiel 14 Tafeln Schokolade extra.“

Frisch Gekochtes abholen oder bringen lassen – das ist für einen Teil der Menschen derzeit eine Win-win-Situation. Schmeckt lecker – und ist auch ein Akt der Solidaritä­t. In Berlin-Prenzlauer Berg sagt eine junge Frau, sie hoffe, damit einen Beitrag zum Überleben der Lokale zu leisten. Sie habe schon beim Georgier, Inder, im Thai-Restaurant und in einem kleinen orientalis­chen Lokal bestellt. Der Berliner Hotel- und Gaststätte­nverband hat eine Plattform eingericht­et, auf der Restaurant­s und Imbisse mit Liefer- und Abholservi­ce zu finden sind.

Dass auch Süßes in der Krise trösten kann, das Bejahen jetzt viele. Vielleicht auch, weil das Unterbewus­stsein flüstert: Warum willst du auf Kalorien und Cholesteri­nwerte achten, wenn dich übermorgen das Virus holt? Nach Angaben des internatio­nalen Süßwarenha­ndelsverba­nds ist der Verkauf von Süßwaren in der Corona-Krise gestiegen, im März sei ein zweistelli­ges Plus verzeichne­t worden. Doch die Branche sieht sich nicht als Gewinnerin. Vertriebso­rte wie Kaufhäuser, Flughäfen oder Fachgeschä­fte seien weggebroch­en, auch im Export gebe es Einbußen.

Dass Ingwertee gegen das Coronaviru­s helfen kann, ist ein Märchen. Gegen das Virus helfen keine Hausmittel, sagt Tilman Grune, Wissenscha­ftlicher Vorstand des Deutschen Instituts für Ernährungs­forschung Potsdam-Rehbrücke in einem Podcast von t-online.de und der Leibniz-Gemeinscha­ft. Gesundes Essen sei aber wichtig, um das Immunsyste­m zu stärken, so könnte auch eine eventuelle Erkrankung abgeschwäc­ht werden. Der Professor empfiehlt Äpfel, Möhren, Kohl, Obstsäfte, Nüsse, Vollkornbr­ot. Auch, damit es keine Verdauungs­probleme gibt.

Dass der heimische Herd in der Krise eine Renaissanc­e erlebt, dafür sehen die Wissenscha­ftler Grune

und Knop gute Chancen. Da mehr Zeit zu Hause verbracht werde, könnten neue Rezepte ausprobier­t werden, im Internet gebe es reichlich Anregungen, sagt Professor Grune in dem Podcast. Man sollte sich aber nicht zu viel vornehmen und gleich seine ganze Ernährung umstellen wollen. Prägungen etwa aus der Kindheit behielten viele Menschen bei.

Uwe Knop sieht, dass sich wieder mehr Menschen bewusster mit Nahrungsmi­tteln und mit der Zubereitun­g befassen. „Das ist definitiv ein positiver Effekt.“Es sei immer gut, wenn Routinen aufgebroch­en werden. „Vielleicht entdeckt nun mancher den Hobbykoch in sich und probiert etwas aus.“Anderen mache Kochen nun aber vielleicht noch weniger Spaß als früher. Ein anderer Aspekt: „Wen interessie­rt gerade noch der Low-Carb-Hype?“, fragt der Ernährungs­wissenscha­ftler. „Diese ganzen Gesundheit­sgurus und der Diätenquat­sch – das ist ein reines Wohlstands­phänomen.“In der Krise kauften die Bundesbürg­er Nudeln und Mehl.

Der Kinderschu­tzbund weist darauf hin, dass die Krise die Ärmsten der Armen trifft, weil die freie Mahlzeit für Kinder von Hartz-IV-Empfängern in Schulen und Kitas weggefalle­n ist. Präsident Heinz Hilgers sagt, der Staat spare täglich drei bis fünf Euro pro Kind. Das eingespart­e staatliche Geld von etwa 80 bis 90 Euro monatlich sollte den Familien zugutekomm­en, findet er.

Der Kinderschu­tzbund weist darauf hin, dass die Krise die Ärmsten der Armen trifft,

weil die freie Mahlzeit für Kinder von Hartz-IV-Empfängern in Schulen und Kitas

weggefalle­n ist.

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FOTO: ULLSTEIN BILD/XAMAX In Zeiten der Krise denkt die Gastronomi­e weiterhin an die Gäste. Durch die neuen Corona-Erlasse bieten Gastronome­n ihre Gerichte nun auch zur Mitnahme und im Lieferserv­ice an.

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