Wie Müll-Sünder im Saarland die Corona-Krise ausnutzen
Wertstoffzentren und Kompostieranlagen sind geschlossen. Derweil türmt sich in einigen Kommunen der Unrat – vor allem rund um Containerstandplätze.
Der Garten wird auf Vordermann gebracht, der Keller entrümpelt, der Kleiderschrank ausgemistet. Viele nutzen während der Corona-Pandemie die Zeit zu Hause, um aufzuräumen. Doch wohin mit dem Unrat? Wertstoffhöfe und Kompostieranlagen sind geschlossen. Die Forderung der Kommunen, ihn erstmal zu Hause zu lagern, befolgen nicht alle. Manch einer entsorgt den Müll illegal.
Gartenabfälle werden in den Wald geschmissen, Elektrogeräte und Ölkanister neben Altpapierund Glascontainer gestellt. Ab und an landet sogar ein Autoreifen in den Containern. Der Entsorgungsverband Saar (EVS) beklagt, dass illegale Müllablagerungen zugenommen hätten. „Immer mehr Bürger scheinen sich mit einem unverantwortlichen Zumüllen der Plätze dafür ‚revanchieren’ zu wollen, dass im Zuge der Corona-Pandemie Teile der abfallwirtschaftlichen Entsorgungsstrukturen wie Wertstoffzentren und Grüngutsammelstellen vorsorglich geschlossen beziehungsweise Serviceleistungen eingeschränkt werden mussten“, sagt Marianne Lehmann vom EVS.
Die Folge: Mitarbeiter der Entsorgungsbetriebe müssten mehrmals am Tag vor allem Containerstandplätze anfahren, um den Unrat zu beseitigen. „Damit werden sie zusätzlichen Gefahren für eine potenzielle Ansteckung ausgesetzt“, warnt Lehmann. Denn auch bei den Entsorgungsbetrieben werde in „reduzierten Teams“gearbeitet, um die Belegschaft zu schützen. Die Leerung der Restabfall- und Biotonne hätte nun mal Vorrang. Alle anderen Materialien „können und müssen“warten, bis die Sammelstellen und Mitarbeiter wieder „uneingeschränkt zur Verfügung stehen können“.
Der für Saarbrücken zuständige Zentrale Kommunale Entsorgungsbetrieb (ZKE) konnte seit Inkrafttreten der Ausgangsbeschränkungen allerdings „keine signifikante Zunahme an illegalen Ablagerungen an Containerstandplätzen“feststellen, teilt Michaela Kakuk von der Stadtverwaltung auf SZ-Anfrage mit. An „bekannten“, nicht näher ausgewiesene Brennpunkten, die auch vor Corona-Zeiten stark verschmutzt gewesen sind, hätten die Mitarbeiter der Umweltkolonne des ZKE aber durchaus eine „steigende Tendenz bei illegalen Ablagerungen“bemerkt. Die Umweltkolonne fahre deshalb diese Stellen verstärkt an.
Auch in Saarlouis gebe es gewisse Plätze, wo vor der Krise vermehrt Müll wild entsorgt wurde, sagt Sascha Schmidt von der Stadtverwaltung. Der Neue Betriebshof Saarlouis (NBS), der für die Abfuhr zuständig ist, erkenne allerdings, dass das Problem dort „in den vergangenen 14 Tagen zugenommen hat“. Priorität habe derzeit die „Aufrechterhaltung der Müllabfuhr“, sagt Schmidt. Das
„Jeder sollte dafür Verständnis aufbringen, dass auch die Wertstoffzentren in Zeiten von Covid-19 geschlossen
sind.“
Jörg Aumann (SPD)
Oberbürgermeister Neunkirchen
Team werde dennoch regelmäßig die Plätze abfahren. Auch ein Mülldetektiv, der schon zuvor Müllsündern auf der Spur war, ist weiter im Einsatz.
Wilder Müll gab es zuvor auch in Merzig – nicht in der freien Natur, sondern hauptsächlich an Containerstandplätzen, sagt Stadtsprecher Stephan Fandel. Derzeit verzeichnet die Stadt dort in der Tat eine „höhere Ablagerung“.
Nach Angaben des Zentralen Betriebshofs in Neunkirchen wird seit Inkrafttreten der Verordnung zur Bekämpfung der Corona-Pandemie mehr illegaler Müll an Containerplätzen abgelegt. „Verstärkt in den Abendstunden, insbesondere an Standorten, die abgelegen beziehungsweise schlechter einsehbar sind und am Waldrand“, sagt Achmed Achour. Es fehle offenbar an sozialer Kontrolle, weil weniger Menschen draußen unterwegs sind, sagt Oberbürgermeister Jörg Aumann (SPD). „Allerdings sollte doch jeder dafür Verständnis aufbringen, dass auch die Wertstoffzentren in Zeiten von Covid-19 geschlossen sind.“
Ähnlich verhält es sich in St. Ingbert. Mitarbeiter des Abfall-Bewirtschaftungs-Betrieb-St. Ingbert (ABBS) berichten von einer Zunahme der illegalen Abfallentsorgung. „50 Säcke sind nichts“, sagt Pressesprecherin Maria Müller-Lang und verweist auf das Bild, das sich dieser Tage etwa am Containerstandplatz im Ortsteil Sengscheid zeigte. Einige Bürger hätten angerufen und gebeten, die Abfall-Sammelstellen nochmal zu öffnen. „So lange es eine landesweite Regelung dazu gibt, bleiben die Zentren auch in St. Ingbert geschlossen“, sagt Müller-Lang und bittet um Verständnis.
„Wir haben den Eindruck, dass es sich in Grenzen hält“, sagt dagegen Homburgs Pressesprecher Jürgen Kruthoff. Die Bürger in der Kreisstadt zeigten große Disziplin. Eine gewisse Anzahl von Müllsündern habe es auch vor der Corona-Krise gegeben. Was allerdings neu sei, „ist das Verbrennen
von Gartengrün in heimischen Gärten“.
Derweil treibt die Kommunen ein weiteres Problem um. Sobald die Regeln zur Eindämmung der Pandemie wieder gelockert werden, befürchten sie einen Ansturm auf die Wertstoffhöfe und Grünschnittanlangen. Derzeit arbeite man an Plänen, die Wiederaufnahme der Betriebe so zu gestalten, um lange Schlangen möglichst zu vermeiden, heißt es aus einigen Rathäusern. „Bis der Betrieb sich normalisiert hat, kann es aber einige Zeit dauern“, sagt etwa Kruthoff. Die Bürger müssten auch dann bereit sein, aus Sicherheitsgründen längere Wartezeiten in Kauf zu nehmen.