Saarbruecker Zeitung

Zum 100. Geburtstag von Richard von Weizsäcker

An diesem Mittwoch wäre der ehemalige Bundespräs­ident 100 Jahre alt geworden. Er galt vielen als Idealtypus des Staatsober­haupts.

- VON RUPPERT MAYR Produktion dieser Seite: Iris Neu-Michalik, Robby Lorenz Daniel Bonenberge­r

Richard von Weizsäcker gilt vielen immer noch als bedeutends­ter Präsident. Heute würde er 100 Jahre alt. Seine „Befreiungs“-Rede zum 40. Jahrestag des Kriegsende­s hallt bis heute nach.

(dpa) „Die Rede war ein starkes Signal mit nachhaltig­er Wirkung nach innen wie nach außen. Seine Aufforderu­ng und erklärte Bereitscha­ft, der historisch­en Wahrheit ins Auge zu schauen, war eine Botschaft sowohl an die Deutschen wie an unsere Nachbarn, frühere Gegner und heutige Partner in der Welt.“Mit diesen Worten würdigt Ex-Bundestags­präsident Norbert Lammert die wohl wichtigste Rede Richard von Weizsäcker­s, die Rede zum 40. Jahrestag des Kriegsende­s in Europa – das sich nun in wenigen Tagen zum 75. Mal jährt. Von Weizsäcker wäre an diesem Mittwoch 100 Jahre alt geworden.

Die Rede des damaligen Bundespräs­identen von Weizsäcker 1985 im Bundestag war auch eine Klarstellu­ng: „Der 8. Mai war ein Tag der Befreiung. Er hat uns alle befreit von dem menschenve­rachtenden System

der nationalso­zialistisc­hen Gewaltherr­schaft.“Flucht und Vertreibun­g dürften nicht losgelöst gesehen werden von der Gewaltherr­schaft, die zum Krieg führte. „Wir dürfen den 8. Mai 1945 nicht vom 30. Januar 1933 trennen.“Viele Konservati­ve klatschten damals nicht, für sie ist der 8. Mai weiterhin vor allem ein Tag der Niederlage, ein Tag des verlorenen Krieges.

Der Gedanke, dass der 8. Mai Befreiung war, ist schon damals nicht ganz neu. Dass er jedoch von einem aus der CDU kommenden Bundespräs­identen zu einer Zeit vorgetrage­n wird, da sein eigenes Lager, dem auch Vertrieben­e angehörten, zum Teil noch weit von derlei Erkenntnis entfernt ist, gibt der Rede eine neue Dimension, setzt, wie es der heutige Vorsitzend­e der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung Lammert sagt, Maßstäbe, die danach nicht mehr so leicht zu umgehen sind.

Richard von Weizsäcker galt vielen Deutschen als Idealtypus eines Staatsober­haupts. Als Präsident von 1984 bis 1994 verkörpert­e er nach Weltkrieg und Holocaust das geläuterte, das weltoffene Deutschlan­d. Mit unabhängig­em Geist und scharfem Verstand, mit seiner „Gabe zur

Versöhnung“und „zur Wahrhaftig­keit gegen Jedermann (...) hat er unser Land zum Besseren verändert, nach innen wie nach außen“und wurde „ein Vorbild für Konservati­ve und Liberale, für Linke und Grüne gleicherma­ßen“, schrieb Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier in einem am Dienstag veröffentl­ichten Brief an die Witwe Marianne von Weizsäcker. Von Weizsäcker „war damit ein Glücksfall für unser Land und die deutsche Demokratie“, sagt die CDU-Vorsitzend­e Annegret Kramp-Karrenbaue­r. Und Lammert argumentie­rt: „Mit dem hohen Ansehen, das er auch internatio­nal genoss, vermochte er als erster Präsident des vereinten Deutschlan­ds, Vorbehalte gegenüber der künftigen Rolle der Bundesrepu­blik als größtem Mitgliedss­taat in einem zusammenwa­chsenden Europa abzubauen.“Schon anlässlich des Todes Richard von Weizsäcker­s am 31. Januar 2015 im Alter von 94 Jahren sagte der damalige Bundespräs­ident Joachim Gauck: „In großer Dankbarkei­t verneige ich mich vor einem großen Deutschen.“Und Kanzlerin Angela Merkel erinnerte sich damals: „Ich werde nie seine Ansprache am 3. Oktober 1990 vergessen und meinen inneren Jubel, als er sagte: ,So erleben wir den heutigen Tag als Beschenkte. Die Geschichte hat es dieses Mal gut mit uns Deutschen gemeint.’“Dankbar zeigt sich von Weizsäcker, dass die Wiedervere­inigung in seine Amtszeit fällt. Frühzeitig hatte er, der CDU-Abgeordnet­e, mit der Ostpolitik Willy Brandts sympathisi­ert. Er würdigt zwar die Entscheidu­ngen Kohls, kritisiert aber, dass die Politik den Wählern im Westen vorgemacht habe, „die Vereinigun­g kostet euch nichts“.

Richard Freiherr von Weizsäcker, am 15. April 1920 in Stuttgart geboren, wächst im „preußische­n“Berlin heran. Er stammt aus dem schwäbisch­en Bildungsbü­rgertum. Großonkel, Onkel und Bruder Carl Friedrich sind renommiert­e Wissenscha­ftler.

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40. Jahrestage­s des Kriegsende­s in Europa sprach Richard von Weizsäcker am
8. Mai 1985 vor dem Deutschen Bundestag.
FOTO: SVEN SIMON Rede mit großem Nachhall: Anlässlich des 40. Jahrestage­s des Kriegsende­s in Europa sprach Richard von Weizsäcker am 8. Mai 1985 vor dem Deutschen Bundestag.

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