Saar-Wirtschaft fordert einheitliche Corona-Linie
Vor dem heutigen Gespräch zwischen Bund und Ländern über mögliche Lockerungen der Regeln werben Unternehmensverbände für größtmögliche Klarheit.
(dns) Im Vorfeld der heutigen Gespräche zwischen Bund und Ländern zu möglichen Lockerungen der Corona-Beschränkungen fordern die Saar-Unternehmensverbände feste und bundesweit einheitliche Regelungen. „Es muss klar sein, wann eine Lockerung kommt, und wie sie aussehen soll“, sagt Heino Klingen, Hauptgeschäftsführer der saarländischen Industrie- und Handelskammer (IHK). „Es darf nicht heißen, die dürfen öffnen und die nicht.“
Besonders in der Gastronomie und im Einzelhandel herrscht laut den Branchenvertretern große Unsicherheit. So müssten sich etwa Händler mit mehreren Niederlassungen in jedem Bundesland an andere Vorgaben halten, berichtet Fabian Schulz,
Hauptgeschäftsführer des saarländischen Handelsverbands (HDE).
Saar-Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger (SPD) unterstützt die Forderungen nach einheitlichen Regelungen. „Der Ausstieg aus dem weitgehenden Shutdown darf kein föderaler Wettlauf werden“, so die Ministerin. Sie warnt zudem davor, die Restriktionen überstürzt aufzuheben. „Wenn wir Beschränkungen vorschnell lockern, kostet das Menschenleben und hat möglicherweise einen erneuten Shutdown zur Folge“, fürchtet Rehlinger.
Die Corona-Epidemie zieht die Saar-Wirtschaft stark in Mitleidenschaft. So klagen laut dem Branchenverband ME Saar 90,5 Prozent der Metall- und Elektrounternehmen über Produktionseinschränkungen; bundesweit sind es 83 Prozent. Die Hälfte der saarländischen Firmen in der Branche bezeichnet die Probleme als „stark“oder „sehr stark“(Bund: 30,3 Prozent).
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) will heute Nachmittag mit den Ministerpräsidenten über das weitere Vorgehen in der Corona-Krise beraten.
Die saarländische Wirtschaft erhofft sich von den Gesprächen zwischen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und den Ministerpräsidenten zu möglichen Lockerungen der Corona-Beschränkungen vor allem eines: Klarheit. „Wir erwarten Signale, wo das Ganze hingeht“, sagt etwa Fabian Schulz, Hauptgeschäftsführer des saarländischen Handelsverbands (HDE). „Jeder Tag, an dem man nicht verkaufen kann, bedeutet einen wirtschaftlichen Schaden.“Die staatlichen Hilfen seien zwar sinnvoll, „aber auch die sind natürlich irgendwann aufgebraucht“, sagt Schulz. Insbesondere das weggefallene Ostergeschäft habe bereits vielerorts für „herbe Umsatzeinbußen“gesorgt.
Für den saarländischen Einzelhandel sei es in erster Linie wichtig, dass eine bundesweit geltende Lösung gefunden werde. Die unterschiedlichen Regelungen sorgten vor allem bei Händlern, die Filialen in verschieden Bundesländern unterhalten, für Verwirrung, berichtet Schulz. „Wir bekommen sehr viele Anfragen, was denn jetzt wo geöffnet werden darf.“
Klare und bundeseinheitliche Regelungen wünscht sich auch der saarländische Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga). „Wir müssen da geordnet raus“, fordert Dehoga-Hauptgeschäftsführer Frank Hohrath. „Momentan gibt es zum Beispiel die Vorgabe, dass die Wirte ‚geeignete Maßnahmen‘ zum Schutz der Gäste ergreifen müssen. Aber wie sollen die denn überhaupt aussehen?“So gelte etwa die Regel, dass nur Menschen, die im gleichen Haushalt leben, zusammen an einem Tisch sitzen dürfen, erklärt Hohrath. „Soll der Wirt dann die die Ausweise kontrollieren?“Sinnvoller seien klare Richtlinien zu Tischabstand, Maskenpflicht oder den Öffnungszeiten. „Nur so können die Inhaber planen, wann sie wie viele Gäste aufnehmen können.“
Auch die saarländische Industrieund Handelskammer (IHK) erwartet konkrete Vorgaben. „Es muss klar sein, wann eine Lockerung kommt, und wie sie aussehen soll“, fordert IHK-Hauptgeschäftsführer Heino Klingen. Viele Firmen könnten den Betrieb zudem nur dann wieder aufnehmen, wenn parallel zumindest Grundschulen und Kitas geöffnet würden, gibt Klingen zu bedenken. „Kinder in diesem Alter kann man ja nicht allein zu Hause lassen.“
Laut IHK müssen für alle die gleichen Regeln gelten. „Es darf nicht heißen, die dürfen öffnen und die nicht“, sagt Klingen. Auch dem österreichischen Modell, nach dem zunächst nur Geschäfte mit einer bestimmten Ladenfläche wieder aufmachen dürfen, erteilt der IHK-Hauptgeschäftsführer eine Absage: „Das diskriminiert die, die größer sind und sorgt außerdem für eine Menge zusätzlichen Verwaltungsaufwand. Wer soll das alles kontrollieren?“Stattdessen müssten Hygieneund Abstandsregeln konsequent eingehalten werden. Bei Betrieben, in denen der direkte Kontakt zum Kunden unumgänglich sei, müsse zusätzlich ein Mundschutz getragen werden.
Im Handwerk seien das etwa Geschäfte von Frisören oder Kosmetikern, berichtet Arnd Klein-Zirbes, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer des Saarlandes (HWK). Diese litten daher besonders unter den Beschränkungen. „Aber auch andere Handwerker werden oft nicht mehr in die Wohnung gelassen.“Von den Gesprächen am Mittwoch erhofft sich Klein-Zirbes „einen strukturierten Fahrplan oder zumindest konkrete Eckpunkte“. So müsse beispielsweise geklärt werden, wie viele Kunden sich gleichzeitig in einem Geschäft aufhalten dürfen. Sollten die Berufsschulen ihren Betrieb wieder aufnehmen, seien zudem Regelungen zum Ablauf der Prüfungen nötig, fordert der HWK-Hauptgeschäftsführer.
„Um den Schaden so gering wie möglich zu halten, ist es als erster Schritt wichtig, nach und nach die Unternehmen wieder hochzufahren“, sagt Jens Colling, Geschäftsführer der Vereinigung der Saarländischen Unternehmensverbände (VSU). Er warnt allerdings vor Schnellschüssen: „Aus Sicht der Wirtschaft ist bei allen weiteren Schritten Augenmaß gefragt“, sagt Colling. Die Beschränkungen seien zwar belastend, dennoch sollten sie „lieber einen Tag zu viel als einen Tag zu wenig“gelten. „Es ist keinem von uns geholfen, wenn durch übereilte Entscheidungen die Ausbreitung des Virus wieder unnötig beschleunigt wird und damit auch die Erholung der Wirtschaft nachhaltig zurückwirft.“
„Es muss klar sein, wann eine Lockerung kommt, und wie sie
aussehen soll.“
Heino Klingen
Hauptgeschäftsführer IHK Saarland