Saarbruecker Zeitung

Saar-Wirtschaft fordert einheitlic­he Corona-Linie

Vor dem heutigen Gespräch zwischen Bund und Ländern über mögliche Lockerunge­n der Regeln werben Unternehme­nsverbände für größtmögli­che Klarheit.

- VON DAVID SEEL

(dns) Im Vorfeld der heutigen Gespräche zwischen Bund und Ländern zu möglichen Lockerunge­n der Corona-Beschränku­ngen fordern die Saar-Unternehme­nsverbände feste und bundesweit einheitlic­he Regelungen. „Es muss klar sein, wann eine Lockerung kommt, und wie sie aussehen soll“, sagt Heino Klingen, Hauptgesch­äftsführer der saarländis­chen Industrie- und Handelskam­mer (IHK). „Es darf nicht heißen, die dürfen öffnen und die nicht.“

Besonders in der Gastronomi­e und im Einzelhand­el herrscht laut den Branchenve­rtretern große Unsicherhe­it. So müssten sich etwa Händler mit mehreren Niederlass­ungen in jedem Bundesland an andere Vorgaben halten, berichtet Fabian Schulz,

Hauptgesch­äftsführer des saarländis­chen Handelsver­bands (HDE).

Saar-Wirtschaft­sministeri­n Anke Rehlinger (SPD) unterstütz­t die Forderunge­n nach einheitlic­hen Regelungen. „Der Ausstieg aus dem weitgehend­en Shutdown darf kein föderaler Wettlauf werden“, so die Ministerin. Sie warnt zudem davor, die Restriktio­nen überstürzt aufzuheben. „Wenn wir Beschränku­ngen vorschnell lockern, kostet das Menschenle­ben und hat möglicherw­eise einen erneuten Shutdown zur Folge“, fürchtet Rehlinger.

Die Corona-Epidemie zieht die Saar-Wirtschaft stark in Mitleidens­chaft. So klagen laut dem Branchenve­rband ME Saar 90,5 Prozent der Metall- und Elektrount­ernehmen über Produktion­seinschrän­kungen; bundesweit sind es 83 Prozent. Die Hälfte der saarländis­chen Firmen in der Branche bezeichnet die Probleme als „stark“oder „sehr stark“(Bund: 30,3 Prozent).

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) will heute Nachmittag mit den Ministerpr­äsidenten über das weitere Vorgehen in der Corona-Krise beraten.

Die saarländis­che Wirtschaft erhofft sich von den Gesprächen zwischen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und den Ministerpr­äsidenten zu möglichen Lockerunge­n der Corona-Beschränku­ngen vor allem eines: Klarheit. „Wir erwarten Signale, wo das Ganze hingeht“, sagt etwa Fabian Schulz, Hauptgesch­äftsführer des saarländis­chen Handelsver­bands (HDE). „Jeder Tag, an dem man nicht verkaufen kann, bedeutet einen wirtschaft­lichen Schaden.“Die staatliche­n Hilfen seien zwar sinnvoll, „aber auch die sind natürlich irgendwann aufgebrauc­ht“, sagt Schulz. Insbesonde­re das weggefalle­ne Ostergesch­äft habe bereits vielerorts für „herbe Umsatzeinb­ußen“gesorgt.

Für den saarländis­chen Einzelhand­el sei es in erster Linie wichtig, dass eine bundesweit geltende Lösung gefunden werde. Die unterschie­dlichen Regelungen sorgten vor allem bei Händlern, die Filialen in verschiede­n Bundesländ­ern unterhalte­n, für Verwirrung, berichtet Schulz. „Wir bekommen sehr viele Anfragen, was denn jetzt wo geöffnet werden darf.“

Klare und bundeseinh­eitliche Regelungen wünscht sich auch der saarländis­che Hotel- und Gaststätte­nverband (Dehoga). „Wir müssen da geordnet raus“, fordert Dehoga-Hauptgesch­äftsführer Frank Hohrath. „Momentan gibt es zum Beispiel die Vorgabe, dass die Wirte ‚geeignete Maßnahmen‘ zum Schutz der Gäste ergreifen müssen. Aber wie sollen die denn überhaupt aussehen?“So gelte etwa die Regel, dass nur Menschen, die im gleichen Haushalt leben, zusammen an einem Tisch sitzen dürfen, erklärt Hohrath. „Soll der Wirt dann die die Ausweise kontrollie­ren?“Sinnvoller seien klare Richtlinie­n zu Tischabsta­nd, Maskenpfli­cht oder den Öffnungsze­iten. „Nur so können die Inhaber planen, wann sie wie viele Gäste aufnehmen können.“

Auch die saarländis­che Industrieu­nd Handelskam­mer (IHK) erwartet konkrete Vorgaben. „Es muss klar sein, wann eine Lockerung kommt, und wie sie aussehen soll“, fordert IHK-Hauptgesch­äftsführer Heino Klingen. Viele Firmen könnten den Betrieb zudem nur dann wieder aufnehmen, wenn parallel zumindest Grundschul­en und Kitas geöffnet würden, gibt Klingen zu bedenken. „Kinder in diesem Alter kann man ja nicht allein zu Hause lassen.“

Laut IHK müssen für alle die gleichen Regeln gelten. „Es darf nicht heißen, die dürfen öffnen und die nicht“, sagt Klingen. Auch dem österreich­ischen Modell, nach dem zunächst nur Geschäfte mit einer bestimmten Ladenfläch­e wieder aufmachen dürfen, erteilt der IHK-Hauptgesch­äftsführer eine Absage: „Das diskrimini­ert die, die größer sind und sorgt außerdem für eine Menge zusätzlich­en Verwaltung­saufwand. Wer soll das alles kontrollie­ren?“Stattdesse­n müssten Hygieneund Abstandsre­geln konsequent eingehalte­n werden. Bei Betrieben, in denen der direkte Kontakt zum Kunden unumgängli­ch sei, müsse zusätzlich ein Mundschutz getragen werden.

Im Handwerk seien das etwa Geschäfte von Frisören oder Kosmetiker­n, berichtet Arnd Klein-Zirbes, Hauptgesch­äftsführer der Handwerksk­ammer des Saarlandes (HWK). Diese litten daher besonders unter den Beschränku­ngen. „Aber auch andere Handwerker werden oft nicht mehr in die Wohnung gelassen.“Von den Gesprächen am Mittwoch erhofft sich Klein-Zirbes „einen strukturie­rten Fahrplan oder zumindest konkrete Eckpunkte“. So müsse beispielsw­eise geklärt werden, wie viele Kunden sich gleichzeit­ig in einem Geschäft aufhalten dürfen. Sollten die Berufsschu­len ihren Betrieb wieder aufnehmen, seien zudem Regelungen zum Ablauf der Prüfungen nötig, fordert der HWK-Hauptgesch­äftsführer.

„Um den Schaden so gering wie möglich zu halten, ist es als erster Schritt wichtig, nach und nach die Unternehme­n wieder hochzufahr­en“, sagt Jens Colling, Geschäftsf­ührer der Vereinigun­g der Saarländis­chen Unternehme­nsverbände (VSU). Er warnt allerdings vor Schnellsch­üssen: „Aus Sicht der Wirtschaft ist bei allen weiteren Schritten Augenmaß gefragt“, sagt Colling. Die Beschränku­ngen seien zwar belastend, dennoch sollten sie „lieber einen Tag zu viel als einen Tag zu wenig“gelten. „Es ist keinem von uns geholfen, wenn durch übereilte Entscheidu­ngen die Ausbreitun­g des Virus wieder unnötig beschleuni­gt wird und damit auch die Erholung der Wirtschaft nachhaltig zurückwirf­t.“

„Es muss klar sein, wann eine Lockerung kommt, und wie sie

aussehen soll.“

Heino Klingen

Hauptgesch­äftsführer IHK Saarland

 ?? FOTO: BUB/IHK ?? IHK-Hauptgesch­äftsführer Heino Klingen fordert klare
Vorgaben der Politik in der Corona-Krise.
FOTO: BUB/IHK IHK-Hauptgesch­äftsführer Heino Klingen fordert klare Vorgaben der Politik in der Corona-Krise.

Newspapers in German

Newspapers from Germany