Sterberate im Elsass auf einem Rekordhoch
In der Grenzregion Grand Est ist der Höhepunkt der Corona-Epidemie erreicht. Bisher starben mehr als 2800 Menschen.
Es sind nur vier bis fünf leere Betten. Doch für das Personal des Saargemünder Krankenhauses stellen sie eine leise Hoffnung auf Entspannung und eine willkommene Verschnaufpause dar. Denn wie der Krankenhausdirektor der regionalen Tageszeitung Le Républicain Lorrain berichtet, ist es lange her, dass man überhaupt ein einziges freies Bett auf der Intensivstation gesehen hat. Doch seit rund zehn Tagen würden täglich weniger Covid-19-Patienten eingewiesen, und auch die Zahl der Todesfälle gehe zurück, sagt der Arzt.
Nicht überall ist die Lage so wie in Saargemünd. Noch steigt die Zahl der Menschen, die in der Grenzregion Grand Est an den Folgen des Coronavirus sterben. Seit Ausbruch der Epidemie sind nach Angaben der französischen Regierung dort 2105 Menschen in den Krankenhäusern gestorben. Hinzu kommen noch 771 Covid-Patienten, die in den Pflegeheimen der Krankheit erlegen sind. Weitere Todesfälle sind auch in den kommenden Tagen zu erwarten, da zurzeit noch fast 900 Menschen intensivmedizinisch betreut werden.
Nichtsdestotrotz scheint es inzwischen gelungen zu sein, in der als erste betroffenen Region Frankreichs die Kurve der Neuansteckungen abzuflachen. Dafür spricht zum einen die Zahl der Menschen, die aufgrund einer Covid-19-Infektion mit mildem Verlauf ihren Hausarzt konsultiert haben. Von 1496 Patienten in der letzten Märzwoche sank die Zahl nun auf 1096. Auch die Einweisungen in die Kliniken folgen dem gleichen Trend. Kamen bis Anfang April täglich über 200 neue Corona-Patienten in die Krankenhäuser, verzeichnen die Einrichtungen der gesamten Region seitdem nur noch um die 40 Neueinweisungen täglich.
Doch auch wenn die Situation unter Kontrolle scheint, hat die Corona-Krise die Region besonders hart getroffen. Im elsässischen Département Bas-Rhin wurde Mulhouse, wo sich Hunderte von Menschen Ende Februar bei dem einwöchigen Treffen einer Freikirche ansteckten, zu einem Epizentrum der Krise. Bald darauf verbreitete sich das Virus im ganzen Elsass und trieb die Sterberate innerhalb eines Monats in die Höhe. Gab es in der regionalen Tageszeitung Dernières Nouvelles d’Alsace am 28. Februar drei Seiten mit Todesanzeigen, waren es genau ein Monat später, am 28. März, schon 14 Seiten.
Am besten lässt sich die Erhöhung der Sterberate in einem Vergleich mit dem vergangenen Jahr feststellen. Der regionale Fernsehsender France 3 hat die Daten aus den Standesämtern der Städte Mulhouse und Colmar (beide HautRhin) analysiert. Natürlich sind diese Daten mit Vorbehalt zu betrachten, denn es werden lediglich die Todesfälle registriert – ohne Angaben
der Todesursache. Nichtsdestotrotz deuten die ersten Vergleiche auf eine überproportionale Sterberate im Elsass hin. Während in Mulhouse 260 Todesfälle im März 2019 verzeichnet wurden, waren es in diesem Jahr im gleichen Zeitraum 577. Ebenso beachtlich ist der Anstieg in der Nachbarstadt Colmar. Dort wurden im März vergangenen Jahres 110 Todesfälle registriert. In diesem Jahr erhöhte sich die Zahl im gleichen Zeitraum um 160 Prozent auf 287 Verstorbene.
Weitere Zahlen dazu liefert das französische Statistikamt INSEE. Dieses hat die Todesfälle für alle 101 französischen Départements im März 2019 und März 2020 einem Vergleich unterzogen. Auch hier werden die Todesursachen nicht genannt. Dennoch ergibt sich, dass die sechs Départements mit einem Anstieg um 40 Prozent oder mehr auch diejenigen sind, die die meisten Covid-Fälle verzeichneten. Diese traurige Rekordliste führt frankreichweit das Département Haut-Rhin an mit einer Steigerung der Sterbefälle um 128 Prozent im Vergleichszeitraum. 2020 starben dort 729 Menschen mehr als im Jahr zuvor. Im anderen elsässischen Département Bas-Rhin (Straßburg) ist die Erhöhung der Sterberate mit einem Plus von 37 Prozent zwar weniger drastisch, liegt aber dennoch weit über dem landesweiten Durchschnitt. Besonders betroffen sind auch drei Départements im Pariser Umland (plus 62 Prozent, plus 56 Prozent, plus 42 Prozent). Dorthin hat sich das Epizentrum der Epidemie innerhalb Frankreichs mittlerweile verlagert.
In Lothringen wurden vor allem die Départements der Vogesen und der Moselle an der Grenze zum Saarland von den Auswirkungen der Corona-Epidemie betroffen. In den Vogesen wurde eine Erhöhung der Todesfälle um 56 Prozent im Vergleich zu März 2019 festgestellt. Dort hat das Coronavirus in einem Altenheim besonders viele Opfer gefordert. Auch in Moselle wurde ein Anstieg um 40 Prozent festgestellt. Das sind 363 Todesfälle mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahrs.
Landesweit sind in Frankreich die Zahlen der Todesfälle leicht angestiegen, von 52 011 im März 2019 auf 57 441 im März 2020. Noch mehr Menschen (58 641) waren allerdings im März 2018 gestorben, als eine besonders starke Grippewelle in Frankreich wütete.