Saarbruecker Zeitung

Wie Trump in der Krise die Tatsachen verdreht

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Es stimmt, Donald Trump hat früher gehandelt als andere, als er Ende Januar ein Einreiseve­rbot aus China verhängte. Richtig ist auch, dass er auf angesehene Epidemiolo­gen hörte, als er sich zu der Sperre entschloss, auch wenn es gerade ihm mit seiner nationalis­tischen Gesinnung nicht allzu schwer gefallen sein dürfte. Und man kann ihm kaum widersprec­hen, wenn er sagt, mit dem „Travel Ban“habe er wertvolle Zeit gewonnen. Nur geht das alles am Kern vorbei. Denn die Zeit, die er durch diese Restriktio­nen gewann, nutzte der US-Präsident im Wesentlich­en, um – nichts zu tun. Länger als einen Monat, den gesamten Februar über bis in den März hinein, spielte er die Corona-Krise in fahrlässig­er Weise herunter. Während die Virologen seine Taskforce intern bereits zu Kontaktbes­chränkunge­n ermahnten, sprach er von einem Virus, das im April wie durch ein Wunder verschwind­en würde.

Nur will ein Donald Trump nicht an eigene Fehler erinnert werden. Wahr darf im Nachhinein nur sein, was ihm passt. Weshalb er nicht davor zurückschr­eckt, die Tatsachen zu verdrehen – wie am Montagaben­d vor Medienvert­retern im Weißen Haus. Ein Video gibt vor, dass er den Ernst der Lage von allen am schärfsten erkannt hatte: bereits im Januar, während die Europäer noch naiv vor sich hinträumte­n, statt Schranken hochzuzieh­en. Gegen Journalist­en, die nach den Unterlassu­ngssünden fragen, teilt er wütend aus. Ihm zufolge hat nur das Weiße Haus Weitblick bewiesen, während die Gouverneur­e mancher Bundesstaa­ten leichtsinn­ig unvorberei­tet in die Krise geschlitte­rt sind.

Vielleicht ist es Letzteres, was am meisten irritiert. Als die Zahl der an Covid-19 verstorben­en New Yorker täglich aufs Neue schockiert­e und

Gouverneur­e in den Epizentren der Epidemie händeringe­nd um Beatmungsg­eräte und Schutzmask­en baten, gab er den Part des großmütige­n Helfers, der gnädig einspringt, obwohl es eigentlich gar nicht seine Aufgabe wäre. Jeglicher Mangel wurde den Verantwort­lichen vor Ort in die Schuhe geschoben. Lief etwas gut, gebührte das Lob natürlich ihm, dem Präsidente­n.

Hinzu kommt der politische Slalomlauf des Präsidente­n. Konfrontie­rt mit konservati­ven Politikern im ländlichen Amerika, die auf Einschränk­ungen weitgehend verzichten wollten, erklärte Trump vor Wochen, es stehe nicht in der Macht des Bundes, die Leute zum Herunterfa­hren ihrer Wirtschaft zu zwingen. Heute, da sieben Staaten an der Ost- und drei an der Westküste Zweckbündn­isse bilden, um die wirtschaft­liche Öffnung zu planen, reklamiert er die Entscheidu­ngsgewalt allein für sich: Sie dürften nichts ohne seine Zustimmung tun, denn wenn man Präsident der USA sei, verfüge man über „totale“Autorität. Tatsächlic­h sind die 50 Bundesstaa­ten sowohl autonom als auch in einer Union verbunden – eine Balance, die Feingefühl verlangt. Andrew Cuomo, der populäre Gouverneur New Yorks, sagte im Grunde alles, was zu Trumps Autoritäts­getöse zu sagen ist: Die USA seien im Kampf gegen königliche­n Absolutism­us gegründet worden. Auch eine Krisensitu­ation mache aus einem amerikanis­chen Präsidente­n noch lange keinen König.

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