Saarbruecker Zeitung

Kramp-Karrenbaue­r und der Rückzug vom Rückzug

Die Union befindet sich in der Corona-Krise im Höhenflug. Der Sonderkonv­ent zur Wahl des neuen Vorsitzend­en wird wohl entfallen.

- VON HAGEN STRAUSS

Plötzlich läuft es. Die Umfragewer­te für die Union steigen in ungeahnte Höhen, keiner meckert mehr hörbar über ihre Amtsführun­g. Nun hat Annegret Kramp-Karrenbaue­r auch noch den außerorden­tlichen CDU-Parteitag zur Wahl eines neuen Vorsitzend­en wegen Corona quasi abgesagt. Man könnte meinen, die Saarländer­in bereut inzwischen ihre Ankündigun­g, den Parteivors­itz und damit auch die Kanzlerkan­didatur hinzuschme­ißen. Als sie vor etwas mehr als zwei Monaten ihren Verzicht bekanntgab, wirkte der Schritt unausweich­lich. Zu viele Pannen hatte AKK sich seit ihrer Wahl im Dezember 2018 geleistet, die Grünen lagen mit der Union fast gleichauf in den Umfragen, ihre persönlich­en Beliebthei­tswerte waren im Keller. Und nach dem Tabubruch von Erfurt, wo die Landes-CDU gegen den Willen der Bundespart­ei gemeinsam mit der AfD einen FDP-Mann zum Ministerpr­äsidenten gewählt hatte, war ihre Autorität gänzlich dahin.

Jetzt ist aber Corona-Krise. Vergessen sind die Fehler der Chefin, Parteifreu­nde haben derzeit ganz andere Sorgen, als sich an AKK abzuarbeit­en. Niemand spricht mehr über das Thüringen-Debakel. Eigentlich hätte Kramp-Karrenbaue­r also die Dinge in bester Helmut-Kohl-Manier nur aussitzen müssen, um sich so vielleicht politisch über die Runden zu retten. Doch das konnte sie vor zwei Monaten nicht ahnen. Auch wären die Diskussion­en um ihre Person einstweile­n nur verstummt, aber nicht verschwund­en. Und: Im Zuge des Corona-Krisenmana­gements hätten sich neue Spekulatio­nen hinsichtli­ch der K-Frage aufgetan – AKK gegen NRW-Ministerpr­äsident Armin Laschet, AKK gegen Bayerns Regierungs­chef Markus Söder. All dem entgeht die 57-Jährige nun.

Sie bereue ihre Entscheidu­ng nicht, ließ Kramp-Karrenbaue­r kürzlich wissen. Schließlic­h sei der Entschluss

nach reiflicher Überlegung gefallen. Ein Rückzug vom Rückzug kommt demnach auch nicht in Frage. Das sei „absolut ausgeschlo­ssen“, hieß es gestern aus ihrem Umfeld. Egal, wie die Krise und das Kandidaten­rennen um den CDU-Vorsitz in den nächsten Wochen noch verläuft. Da sei sie „prinzipien­treu“. Mittlerwei­le kann die Saarländer­in der ganzen Geschichte wohl auch Positives abgewinnen: Ihre Sacharbeit als Verteidigu­ngsministe­rin stehe nun viel mehr im Fokus. So erhielt sie kürzlich in der Schaltkonf­erenz des CDU-Präsidiums viel Lob für die schnelle Unterstütz­ung

der Bundeswehr bei der Verlegung von schwerkran­ken Corona-Patienten aus Italien und Frankreich nach Deutschlan­d.

Mit den drei Kandidaten für den CDU-Chefsessel Armin Laschet, Ex-Fraktionsc­hef Friedrich Merz und dem Außenpolit­iker Norbert Röttgen ist sie jedenfalls weiterhin in ständigem Kontakt. Eng abgestimmt mit den Anwärtern war daher auch ihre jüngste Einlassung, dass der Bedarf gering für einen Parteitag sei, „der dann nur wenige Wochen vor dem regulären stattfinde­t“. Soll heißen, in der CDU-Zentrale rechnet man wegen Corona nicht mehr damit, dass es nach der April-Absage doch noch einen Sonderkonv­ent vor dem normalen Dezember-Parteitag in Stuttgart geben wird, um den neuen Vorsitzend­en zu wählen. Schon jetzt gibt es zudem Überlegung­en, wie man das Treffen der 1001 Delegierte­n plus Gäste und Journalist­en in Corona-Zeiten anders organisier­en kann. Voraussetz­ung ist freilich, dass das Verbot von Großverans­taltungen bis Dezember aufgehoben ist.

Das Kandidaten­rennen interessie­rt allerdings im Moment kaum jemanden. Besonders schwer haben es Merz und Röttgen, die öffentlich wenig wahrgenomm­en werden. Der eine setzt nun verstärkt auf Wirtschaft­sthemen, der andere auf seine Fachgebiet Außenpolit­ik. Laschet hingegen ist auf allen Kanälen als NRW-Krisenmana­ger im Corona-Kampf präsent. Sein Vorteil.

 ?? FOTO: MICHAEL KAPPELER/DPA
 ?? Erhielt jüngst viel Lob: Annegret Kramp-Karrenbaue­r (CDU).
FOTO: MICHAEL KAPPELER/DPA Erhielt jüngst viel Lob: Annegret Kramp-Karrenbaue­r (CDU).

Newspapers in German

Newspapers from Germany