Saarbruecker Zeitung

Und nach der Nacht, da kommt die Sonne wieder

Der Londoner Ben Watt, einst eine Hälfte des Duos Everything but the Girl, legt mit „Storm Damage“ein herzerwärm­endes Pop-Album vor.

- VON TOBIAS KESSLER

Bescheiden­heit ist eine Zier. Ben Watt hätte die Perlen auf diesem Album natürlich stärker aufpoliere­n können, im Studio bunter inszeniere­n – doch lieber scheint ihm eine gewisse Zurückhalt­ung zu sein, die Arrangemen­ts wirken eher nüchtern denn opulent, so dass die Schönheit von „Storm Damage“eher beim dritten denn beim ersten oder zweiten Hören deutlich wird. Watts Name ist weniger bekannt als das seines Duos Everything but the Girl: Mit seiner Ehefrau Tracey Thorn nahm der Londoner einst melancholi­schen Edelpop auf und feierte mit „Missing“gar einen internatio­nalen Hit. Seitdem ist Watt produktiv als Musiker, DJ, Radiomoder­ator/ produzent, Inhaber seines Plattenlab­els Unmade Road und Buchautor – unter anderem schrieb er über die Ehe seiner Eltern.

„Storm Damage“ist sein drittes Solo-Album in rascher Folge (2014, 2016, 2020, wobei Watts erstes Album schon 37 Jahre alt ist). Entstanden in einer Zeit persönlich­er Tiefschläg­e, Todesfälle in der Familie und der Brexit-Turbulenze­n, sind die zehn Stücke melancholi­sch getönt; aber immer wieder klart sich die Stimmung auf, als wolle der 57-Jährige dann doch Hoffnung stiften.

In kleiner Besetzung ist das Album eingespiel­t – Klavier, Kontrabass und Schlagzeug bilden die Basis, ab uns zu huschen Keyboards durchs Klangbild. Watts Stimme klingt dabei klar, nicht überemotio­nal und lässt manchmal an den späten John Lennon denken – wobei das Stück „Summer Ghosts“auch ein wenig an Lennons „Working class hero“erinnert. Durchhänge­r gibt es keine, auch wenn das Album nur in einem Moment kurz schwächelt, wenn Watt in „Retread to find“in einem Anfall von Poppigkeit im Refrain zum Mitklatsch­en auffordert.

Aber sonst? Singer-Songwriter-Noblesse, die sich oft mit dem Vergehen beschäftig­t, mit Veränderun­g und Abschieden: ob in der zarten Ballade „Irene“voller Erinnerung­en an lange zurücklieg­ende Nächte in einem Musikclub oder im melancholi­schen „You‘ve changed, I‘ve changed“, in dem es, man kann es zumindest mutmaßen, auch um die Beziehung zu seiner Gattin geht. Mit ihr ist er fast schon seit 40 Jahren zusammen – eine lange Zeit, in der sich eben jeder auch verändert, möglicherw­eise nicht immer in die gleiche Richtung wie der andere, was aber nichts Schlechtes sein muss.

Schlusspun­kt des Albums ist „Festival Song“(mit traumhafte­r Melodie), eine Erinnerung an eine durchtanzt­e Nacht am Strand mit vielen Menschen, mit schnell gefundenen Freundinne­n und Freunden – Watt konnte es beim Aufnehmen des Stücks im vergangene­n Jahr nicht ahnen, wie wehmütig und schmerzhaf­t es zurzeit klingen mag. Aber es werden ja wieder bessere Zeiten kommen. Oder wie es in einem Stück von Watt so schlicht wie ermutigend heißt: „Sunlight follows the night“.

Ben Watt: Storm Damage.

(Unmade Road/Caroline Internatio­nal).

 ?? FOTO: ANTONIO OLMOS ?? Der umtriebige Ben Watt (57) ist Musiker, Autor, Radiomoder­ator und Label-Betreiber.
FOTO: ANTONIO OLMOS Der umtriebige Ben Watt (57) ist Musiker, Autor, Radiomoder­ator und Label-Betreiber.

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