Im Saar-Einzelhandel bleiben die Sorgen groß
„Die Firma Klein Buch + Papier hat 38 Mitarbeiter. Noch. Die Familie Klein hat eine Firma. Noch.“Diese Aussage bringt den Verdruss und die Sorgen des Familienunternehmers aus St. Wendel, Jochen Klein, auf den Punkt. Der Buchhändler betreibt neben dem Hauptsitz in St. Wendel noch zwei weitere Filialen in St. Ingbert und Illingen, alle sind seit nun rund vier Wochen wegen der Corona-Krise geschlossen. Auch wenn, wie am Mittwochnachmittag von den Ministerpräsidenten und der Bundesregierung beschlossen wurde, die kleineren Läden ab Montag wieder öffnen dürfen, sieht der Händler schwierige Monate vor sich. Via Facebook hat Klein eine tausendfach geteilte Einschätzung der aktuellen Lage der kleinen Einzelhändler veröffentlicht, die unter die Haut geht. Klein fürchtet um die Existenz der Familienbetriebe, um das städtische Leben allgemein.
Auch für Klein steht Gesundheitsschutz an erster Stelle, aber auch kleinere Betriebe hätten seiner Meinung nach mit Hygienemaßnahmen und Einlassbeschränkungen offen gelassen werden können. „Ich mache der
Politik keine Vorwürfe, sie wurden von den Ereignissen kalt erwischt, aber die Maßnahmen waren falsch umgesetzt“, sagt Klein. Sein Unverständnis richtet sich vor allem auf Verordnungen, die darauf abzielten, dass große Baumärkte und Supermärkte mit einem Mischsortiment offenbleiben durften, der Lampenoder Buchhändler mit der gleichen Warenauswahl hingegen schließen musste: „Aus Sicht der Gesundheit macht es für mich keinen Sinn, wenn sich im Baumarkt die Leute gegenseitig auf die Füße treten.“
Aber Kleins Angst geht tiefer, er befürchtet ein Aussterben der Innenstädte, die gegen die großen Firmen und Onlinehändler immer mehr ins Hintertreffen geraten: „So dürfen im Globus beispielsweise Schreibwaren verkauft werden, weil sie weniger als zehn Prozent der Ladenfläche in Anspruch nehmen und ich darf das nicht“, moniert der Buchhändler. Für die Hilfen der Politik ist er unterdessen dankbar, es gebe zahlreiche Angebote wie Kurzarbeitergeld oder die Sofortkredite des Landes, die aber allesamt nur ein Tropfen auf den heißen Stein seien. „Ich habe Umsatzeinbußen von 125 000 Euro bei weiter laufenden Kosten für Strom, Miete, Lieferanten, Vorauszahlungen für Kurzarbeitergeld und und und.“Das summiere sich auf bis zu 60 000 Euro im Monat, da seien die Soforthilfen, so gut sie auch gemeint seien, nur ein Tropfen auf den heißen Stein. „Auch wenn die Beschränkungen jetzt aufgehoben werden, werden wir auch auf Monate hinweg Umsatzeinbußen zu verkraften haben, weil die Leute in den Innenstädten fehlen – das werden viele Betriebe nicht überleben“, ist sich Klein sicher.
Dass viele Corona-Verordnungen auf Unverständnis bei den Händlern stoßen, das weiß auch der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes des Saarlandes (HDE), Fabian Schulz: „Die Verordnungen waren mit heißer Nadel gestrickt und nicht immer ganz logisch, aber die Politik musste handeln.“Vieles würde heute auch anders entschieden werden, wichtig sei nun allerdings, dass die Geschäfte schnell wieder öffnen: „Auf keinen Fall sollten die Ladenöffnungen aber über die Quadratmeterzahl geregelt werden, das wäre diskriminierend. Die Verordnung, die am Mittwoch getroffen worden ist, weise aber in die richtige Richtung, sagt Schulz: „Wenn die Geschäfte länger geschlossen bleiben müssten, müssten wir auch die Hilfen anpassen.“
Dass die Politik in den vergangenen Wochen eine steile Lernkurve durchgemacht hat, das sieht auch Heino Klingen, Hauptgeschäftsführer der IHK Saarland: „Wir haben die absurde Situation, dass ein Laden mit einem vergleichbaren Sortiment in Saarlouis geöffnet, in Homburg aber geschlossen hat. Das stößt natürlich auf Unverständnis.“Die Politik habe es nicht besser gewusst und würde heute vieles anders machen. „Wichtig ist, jetzt eine einheitliche, liberale Linie aus dem Shutdown zu finden, große und kleine Läden gleichermaßen wieder öffnen.“Ohne große Verordnungen und mit ganz einfachen Verhaltensregeln zurück zur Normalität, ist Klingen überzeugt. Dennoch seien die staatlichen Hilfen umfangreich und gut gewesen und hätten die größten Nöte der Unternehmen gelindert.