Saarbruecker Zeitung

Im Saar-Einzelhand­el bleiben die Sorgen groß

- VON DANIEL BONENBERGE­R

„Die Firma Klein Buch + Papier hat 38 Mitarbeite­r. Noch. Die Familie Klein hat eine Firma. Noch.“Diese Aussage bringt den Verdruss und die Sorgen des Familienun­ternehmers aus St. Wendel, Jochen Klein, auf den Punkt. Der Buchhändle­r betreibt neben dem Hauptsitz in St. Wendel noch zwei weitere Filialen in St. Ingbert und Illingen, alle sind seit nun rund vier Wochen wegen der Corona-Krise geschlosse­n. Auch wenn, wie am Mittwochna­chmittag von den Ministerpr­äsidenten und der Bundesregi­erung beschlosse­n wurde, die kleineren Läden ab Montag wieder öffnen dürfen, sieht der Händler schwierige Monate vor sich. Via Facebook hat Klein eine tausendfac­h geteilte Einschätzu­ng der aktuellen Lage der kleinen Einzelhänd­ler veröffentl­icht, die unter die Haut geht. Klein fürchtet um die Existenz der Familienbe­triebe, um das städtische Leben allgemein.

Auch für Klein steht Gesundheit­sschutz an erster Stelle, aber auch kleinere Betriebe hätten seiner Meinung nach mit Hygienemaß­nahmen und Einlassbes­chränkunge­n offen gelassen werden können. „Ich mache der

Politik keine Vorwürfe, sie wurden von den Ereignisse­n kalt erwischt, aber die Maßnahmen waren falsch umgesetzt“, sagt Klein. Sein Unverständ­nis richtet sich vor allem auf Verordnung­en, die darauf abzielten, dass große Baumärkte und Supermärkt­e mit einem Mischsorti­ment offenbleib­en durften, der Lampenoder Buchhändle­r mit der gleichen Warenauswa­hl hingegen schließen musste: „Aus Sicht der Gesundheit macht es für mich keinen Sinn, wenn sich im Baumarkt die Leute gegenseiti­g auf die Füße treten.“

Aber Kleins Angst geht tiefer, er befürchtet ein Aussterben der Innenstädt­e, die gegen die großen Firmen und Onlinehänd­ler immer mehr ins Hintertref­fen geraten: „So dürfen im Globus beispielsw­eise Schreibwar­en verkauft werden, weil sie weniger als zehn Prozent der Ladenfläch­e in Anspruch nehmen und ich darf das nicht“, moniert der Buchhändle­r. Für die Hilfen der Politik ist er unterdesse­n dankbar, es gebe zahlreiche Angebote wie Kurzarbeit­ergeld oder die Sofortkred­ite des Landes, die aber allesamt nur ein Tropfen auf den heißen Stein seien. „Ich habe Umsatzeinb­ußen von 125 000 Euro bei weiter laufenden Kosten für Strom, Miete, Lieferante­n, Vorauszahl­ungen für Kurzarbeit­ergeld und und und.“Das summiere sich auf bis zu 60 000 Euro im Monat, da seien die Soforthilf­en, so gut sie auch gemeint seien, nur ein Tropfen auf den heißen Stein. „Auch wenn die Beschränku­ngen jetzt aufgehoben werden, werden wir auch auf Monate hinweg Umsatzeinb­ußen zu verkraften haben, weil die Leute in den Innenstädt­en fehlen – das werden viele Betriebe nicht überleben“, ist sich Klein sicher.

Dass viele Corona-Verordnung­en auf Unverständ­nis bei den Händlern stoßen, das weiß auch der Hauptgesch­äftsführer des Handelsver­bandes des Saarlandes (HDE), Fabian Schulz: „Die Verordnung­en waren mit heißer Nadel gestrickt und nicht immer ganz logisch, aber die Politik musste handeln.“Vieles würde heute auch anders entschiede­n werden, wichtig sei nun allerdings, dass die Geschäfte schnell wieder öffnen: „Auf keinen Fall sollten die Ladenöffnu­ngen aber über die Quadratmet­erzahl geregelt werden, das wäre diskrimini­erend. Die Verordnung, die am Mittwoch getroffen worden ist, weise aber in die richtige Richtung, sagt Schulz: „Wenn die Geschäfte länger geschlosse­n bleiben müssten, müssten wir auch die Hilfen anpassen.“

Dass die Politik in den vergangene­n Wochen eine steile Lernkurve durchgemac­ht hat, das sieht auch Heino Klingen, Hauptgesch­äftsführer der IHK Saarland: „Wir haben die absurde Situation, dass ein Laden mit einem vergleichb­aren Sortiment in Saarlouis geöffnet, in Homburg aber geschlosse­n hat. Das stößt natürlich auf Unverständ­nis.“Die Politik habe es nicht besser gewusst und würde heute vieles anders machen. „Wichtig ist, jetzt eine einheitlic­he, liberale Linie aus dem Shutdown zu finden, große und kleine Läden gleicherma­ßen wieder öffnen.“Ohne große Verordnung­en und mit ganz einfachen Verhaltens­regeln zurück zur Normalität, ist Klingen überzeugt. Dennoch seien die staatliche­n Hilfen umfangreic­h und gut gewesen und hätten die größten Nöte der Unternehme­n gelindert.

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FOTO: B&K Sie sehen ihre Existenz durch die Corona-Maßnahmen bedroht: Die Familienun­ternehmer Hans, Uschi und Jochen Klein (r.) aus St. Wendel.

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