Ihr künstlerisches Erbe besteht weiter
Wie ist das, von einem geliebten Menschen Abschied nehmen zu müssen? Die SZ spricht mit Angehörigen und Freunden und stellt in einer Serie Lebenswege Verstorbener vor. Heute: Marlene Knapp.
„Sie malte Bilder aus der Seele des Herzens“, beschreibt Hans Knapp die Werke seiner ersten Frau, der Künstlerin Marlene Knapp. Und der Vorsitzende des Kulturvereins Geisenheim im Rheingau, Pfarrer Volker Henkel, sagte: „Es sind meditative Bilder, die zum Zentrum des Lebens, Nachdenkens, Hoffens und sicher auch des Leidens an und in dieser Welt führen.“Marlene Knapp kam am 19. Januar 1943 in Perl-Besch als ältestes von sieben Kindern der Eheleute Erich und Dora Schenten, geborene Ollinger, zur Welt.
Nach der Volksschule besuchte sie eine Handelsschule in Trier, absolvierte bei Notar Oskar Deutsch in Perl eine Ausbildung zur Notariatsund Rechtsanwaltsgehilfin und arbeitete noch einige Jahre bei ihrem Lehrherrn und später beim Zollamt Nennig. Marlene Knapps Mutter Dora war eine tiefreligiöse Katholikin, und auch Marlene fand schon in jungen Jahren Zugang zur Kirche, trat als Vorbeterin an den Altar und betreute längere Zeit die Pfarrbücherei. Im Alter von 17 Jahren lernte sie beim Tanz in den Mai im ehemaligen Gasthaus Kesten – damals das angesagteste Tanzlokal in Besch – den zwei Jahre älteren Hans Knapp kennen und lieben. Am 4. April 1966 wurde in Perl standesamtlich, am 24. Mai 1966 in Besch kirchlich geheiratet.
Hans Knapp wurde Berufssoldat mit mehrfach wechselnden Einsatzstellen. Zuerst lebte das Paar in Fritzlar (Nordhessen), wo am 17. Juni 1968 die erste Tochter, Anja, zur Welt kam. Am 4. April 1971 wurde in Kassel Tochter Nina geboren. Den Anstoß für Marlene Knapps Begeisterung fürs Malen gab 1974 ein Weihnachtsgeschenk ihres Mannes: ein Malkasten. Nach ersten Versuchen besuchte Marlene Knapp die Volkshochschule Rheingau, wo sie unter dem Bad Schwalbacher Architekten und Maler Horst Biennek mehrere Techniken erlernte und später Mitglied im elitären Frankfurter Künstlerclub und Dozentin an der VHS Rheingau wurde. Ihre Werke fanden auf vielen Ausstellungen – unter anderem in Wiesbaden, Lorch, Geisenheim, Rüdesheim, Bingen, Kastellaun, Gütersloh, Bonn, Frankfurt, aber auch in Luxemburg und Frankreich – viele Bewunderer.
Nachdem Hans Knapp die Zulassung zum Berufssoldaten auf Lebenszeit erhalten hatte, wurde die junge Familie in Lorch sesshaft, kaufte sich ein Grundstück, baute dort 1979 ein Haus, wo Marlene Knapp in einer eigens dafür eingerichteten Wohngalerie ihre Werke regelmäßig präsentierte. Ihre Arbeit als Rechtsanwaltsgehilfin hatte Marlene Knapp der Kinder wegen unterbrochen. „Solange meine Kinder mich brauchen, gehe ich nicht arbeiten, sondern kümmere mich um sie“, sagte sie damals. Erst als die Töchter aus dem Gröbsten raus waren, nahm sie in Lorch wieder eine Arbeit als Verwaltungsangestellte auf. Am ersten Advent 1986 traf die Familie ein schwerer Schicksalsschlag, als die geliebte Tochter Nina im Alter von nur 15 Jahren tödlich verunglückte. „Marlene wurde dadurch schwer krank“, erzählt Hans Knapp. Wenige Wochen später diagnostizierten Ärzte Brustkrebs.
Marlene Knapp kämpfte gegen die Krankheit, unterzog sich einer zweijährigen Studienbehandlung in Leipzig, ihre jüngere Schwester spendete Stammzellen, aber die Therapie schlug nicht an. „Die Ärzte haben alles getan und gemacht, es hat alles nichts genutzt“, sagt Hans Knapp. Und er erinnert sich, dass alle Ärzte sagten, Ninas Unfalltod sei die Ursache für die schwere Krankheit gewesen. Dies habe ihm Jahre später auch eine Psychotherapeutin bestätigt: „Sie sagte, Ihre Frau ist an dem gestorben, was wir Psychotherapeuten Todessehnsucht einer Mutter nennen, die Mütter sehnen sich nach ihren Kindern.“
Marlene Knapp starb in Lorch am 24. April 2000, einem Ostermontag. Drei Monate nach ihrem Tod fand Hans Knapp beim Aufräumen ihres Ateliers Skizzen zum Kreuzweg Jesu. Marlene Knapp hatte sich seit 1995 damit befasst, widmete sich einem intensiven Studium verschiedener Kreuzwegdarstellungen bekannter Künstler und beschäftigte sich mit einschlägiger theologischer Literatur. Ihre 14 Skizzen waren grundiert und für das Auftragen der geplanten Farben vorbereitet. Die Entwürfe ließen erahnen, welche Farbenvielfalt in dieses Werk eingegangen wäre. „Leider ist es nicht fertig geworden“, bedauert Hans Knapp.
Drei Jahre später zog er wieder nach Perl, wo er sich ein Haus baute und 2007 seine zweite Frau Brigitte heiratete. „Ich bin froh und glücklich jetzt eine Frau zu haben, die es akzeptiert, dass ich das Erbe meiner ersten Frau bewahre“, betont Hans Knapp.
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