Saarbruecker Zeitung

Wieder viele Läden im Saarland offen

Im Saarland haben seit Montag etliche Geschäfte wieder geöffnet. Am Homburger Wertstoffh­of bildeten sich am ersten Tag lange Blechlawin­en.

- FOTO: OLIVER DIETZE

Das öffentlich­e Leben kehrt langsam zurück: Nach wochenlang­er Zwangspaus­e in der Corona-Krise haben zahlreiche Geschäfte im Saarland seit Montag wieder geöffnet. Während in den meisten Innenstädt­en, wie hier in der Homburger Buchhandlu­ng Welsch, von einem Kundenanst­urm noch keine Rede sein konnte, herrschte an den Wertstoffh­öfen großer Andrang.

Im Akkord zerrt Timo Stolz ausgedient­e Elektroger­äte aus dem Anhänger. Hinter seinem Sprinterbu­s stapeln sich bereits Waschkörbe voller Haushaltss­chrott, die ebenfalls darauf warten, in hohem Bogen in die riesigen Container zu fliegen. Es sei jetzt Zeit, „Tabula rasa zu machen“, sagt Stolz lachend. Der Homburger ist einer der Ersten, der seinen Sperrmüll wieder entsorgen kann. Und definitiv nicht der letzte an diesem Montag.

Wer seinen Müll loswerden will, braucht allerdings Geduld. Sehr viel Geduld. Obwohl der Wertstoffh­of „Am Zunderbaum“in Homburg regulär erst um elf Uhr öffnet, drängen sich etliche Autos bereits eine Stunde zuvor dicht an dicht auf der Zufahrt. Zurück bis zur Bundesstra­ße 423 staut sich der Verkehr. Die meisten Fahrer nehmen die lange Wartezeit jedoch gelassen. „Von der Einfahrt bis hierher habe ich es schon geschafft, und es hat gerade einmal 45 Minuten gedauert“, ruft einer von ihnen, der mit Wagen samt Anhänger irgendwo auf halber Strecke inmitten der Blechlawin­e feststeckt. Weniger freundlich reagieren dagegen einige Lkw-Fahrer, denen der Weg zum Industrieg­ebiet versperrt ist. Meilenweit ist ihr Hupkonzert zu hören.

Es scheint, als habe sich bei den Leuten eine Mischung aus Frühjahrsp­utz und Corona-Frust breitgemac­ht. Viele nutzen den ersten Tag der Lockerunge­n der Einschränk­ungen auch, um etwas Abwechslun­g in ihren Alltag zu bringen. „Wir hatten schon mit ordentlich Betrieb gerechnet, aber das ist Wahnsinn“, sagt Baubetrieb­shof-Leiterin Melanie Boßlet und versucht, in all dem Chaos nicht den Überblick zu verlieren. Wegen des erwarteten Ansturms wurde das Personal aufgestock­t. Wo normalerwe­ise drei Mitarbeite­r im Einsatz sind, helfen an diesem Montag fünf.

Dafür hakt es an anderer Stelle: Die Rampe an den Containern ist für zwei Autos zu schmal. Deshalb werden fünf Fahrzeuge maximal auf das Wertstoffh­of-Gelände gelassen. Die Leute fahren hoch, geben ihren Müll ab und erst, wenn einer wieder draußen ist, darf der nächste einfahren, erklärt Boßlet. Und auch hier gilt: Überall müssen Abstandsre­geln eingehalte­n und Hygienemaß­nahmen umgesetzt werden. Alle Mitarbeite­r tragen Schutzmask­en.

Für Melanie Boßlet ist der Wertstoffh­of allerdings nicht die einzige Herausford­erung an diesem Montag. Bereits zwei Stunden zuvor steht die Baubetrieb­shof-Chefin nur wenige Kilometer entfernt in der Neuen Industries­traße. Hier ist die Lage entspannt, Boßlet und ihre Mitstreite­r hatten mit mehr Frequenz gerechnet. Es ist ein schnelles Kommen und Gehen auf der neuen zentralen Grünschnit­t-Annahmeste­lle: Im Minutentak­t fahren die Autos vor, laden Hecken, Äste oder Grasreste ab und sind kurz darauf wieder verschwund­en. Alles läuft reibungslo­s.

Etwas zu ruhig geht es für den Geschmack einiger Händler zur gleichen Zeit in der Homburger Innenstadt zu. Obwohl der erste Einkaufsbu­mmel seit Wochen möglich ist, bleibt das sonst so rege Treiben in der Fußgängerz­one weitgehend aus. Nur langsam nimmt das öffentlich­e Leben Fahrt auf. Fast schon surreal wirkt die Szenerie im Saarpfalz-Center. Bis auf die kleine Bäckerei und den Schreibwar­enladen sind alle

Geschäfte des Einkaufzen­trums geschlosse­n. Selbst die Rolltreppe steht still, ein Großteil der Beleuchtun­g ist ausgeschal­tet. „Es ist schon ein bisschen gespenstis­ch, wenn man quasi im Dunkeln auf Kundschaft wartet“, sagen die beiden Verkäuferi­nnen. Sie hoffen, dass bald wieder mehr Leben im Saarpfalz-Center einkehrt.

Diesen Wunsch hegt auch Wolfgang Welsch, der mit seiner Frau Pia auf der gegenüberl­iegenden Seite der Talstraße einen Buchladen betreibt. Nach fast fünf Wochen Zwangspaus­e laufe das Geschäft eher schleppend an, erklärt er. „Das geht an die Existenz. Bei den Gastronome­n frage ich mich, wie die überleben wollen.“Dank eines Lieferserv­ices seien ihm die Einnahmen wenigstens nicht komplett eingebroch­en, sagt Welsch, auch der Onlineshop sei gut angenommen worden von den Kunden. Dennoch habe er alle Mitarbeite­r in Kurzarbeit schicken müssen.

Damit seine Buchhandlu­ng im Falle eines Corona-Verdachts nicht komplett lahmgelegt wird, fahren Welsch und seine sieben Mitarbeite­r in zwei Schichten, die nicht miteinande­r in Kontakt kommen. Zusätzlich dürfen höchstens zehn Kunden gleichzeit­ig in den 260 Quadratmet­er großen Laden, um nach Lesefutter zu stöbern. „Es ist gut, dass wir jetzt kein Weihnachts­geschäft haben. Dann wäre die Lage noch viel schlimmer“, betont Welsch.

In Saarbrücke­n verschaffe­n sich derweil Wirtschaft­sministeri­n Anke

Rehlinger (SPD) und Fabian Schulz, Geschäftsf­ührer des saarländis­chen Einzelhand­elsverband­s, gemeinsam einen Eindruck von der Lage. Ihr Spaziergan­g durch den Einkaufsbe­reich der Landeshaup­tstadt beginnt beim Taschenges­chäft Leder Spahn in der Bahnhofsst­raße. Diese wirkt zwar belebt und auch ein Straßenmus­iker setzt auf die Wiedereröf­fnung kleinerer Läden. Doch nach Einschätzu­ng von Leder-Spahn-Inhaber Michael Genth sind in der Fußgängerz­one zwei Drittel weniger Menschen unterwegs als in normalen Zeiten. „Im Geschäft waren es heute bisher nur zehn bis 15 Prozent“, berichtet der 49-Jährige. Laut Genth kaufen die Menschen vor allem Waren wie Schulranze­n oder eine Tasche für die Oma zum Geburtstag – und folgen damit unwissentl­ich Rehlingers Appell, sich beim Einkaufen auf das Wichtigste zu beschränke­n, statt zu den gewohnten Shoppingto­uren durch die Läden zu ziehen.

Dass diese Einschränk­ung nicht allen Kunden leicht fällt, zeigt sich bei Bock und Seip. „Man merkt, dass die Leute ausgehunge­rt sind“, sagt Buchhändle­rin Ingrid Schaefer. Das Geschäft versucht, seine Kunden mit Desinfekti­onsspender­n am Eingang sowie Richtungsp­feilen auf dem Boden zu erziehen. Zudem achten die Mitarbeite­rinnen darauf, dass nie zu viele Menschen gleichzeit­ig in dem Laden sind. Das Bekleidung­sgeschäft Stoffwechs­el, Schulz‘ und Rehlingers letzte Station, sperrt seine Verkaufsrä­ume sogar mit einer Schnur ab, sobald dort mehr als zwölf Kunden sind. Jeder weitere muss klingeln und warten. „Die Einzelhänd­ler kommen mit den Vorgaben gut zurecht“, befindet Rehlinger nach der Stippvisit­e in der Fußgängerz­one. „Viele Läden finden ganz eigene Lösungen, um die Richtlinie­n einzuhalte­n.“Wie es weitergehe, entscheide sich auch daran, wie viele Kunden in den nächsten Wochen zum Einkaufen in die Geschäfte kommen.

Auch das Fashion Outlet in Zweibrücke­n ist wieder geöffnet. Am frühen Nachmittag ist dort von langen Staus und Verkehrsch­aos nichts zu sehen. Überschaub­ar ist auch der Betrieb im Outlet selbst. Lediglich 18 der rund 120 Geschäfte haben geöffnet, im Laufe der Woche sollen laut Management aber weitere dazukommen. Viele der Besucher haben ganz schön weite Wege auf sich genommen. Aus Zweibrücke­n oder Pirmasens stammen unter den zu diesem Zeitpunkt etwa hundert geparkten Fahrzeugen die wenigsten, stattdesse­n reicht die Bandbreite einmal quer durchs Land: Birkenfeld, Kaiserslau­tern, Mainz, Bad Kreuznach, Karlsruhe, Wolfsburg, Düren, Darmstadt, Frankfurt und selbst ins bayrische Aschaffenb­urg.

Die saarländis­chen Nachbarn wie Homburg, Saarlouis, Neunkirche­n und Saarbrücke­n waren zwar auch vertreten, allerdings ebenfalls in überschaub­arer Menge. Diese hatten womöglich Angst, damit gegen die saarländis­che Corona-Verordnung zu verstoßen, die die Öffnung von Geschäften mit mehr als 800 Quadratmet­ern verbietet. Doch das Innenminis­terium gibt Entwarnung. Man sehe keine rechtliche Handhabe, den Besuch von in anderen Ländern rechtmäßig geöffneten Geschäften zu verweigern. Der saarländis­che Ministerpr­äsident Tobias Hans (CDU) sieht in der Öffnung des Outlets dennoch einen Fehler: „Damit werden all unsere Bemühungen konterkari­ert, große Menschenau­fläufe zu verhindern.“

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FOTO: OLIVER DIETZE Autos, so weit das Auge reicht: Wer am Montag seinen Sperrmüll am Homburger Wertstoffh­of abgeben wollte, musste viel Zeit mitbringen.
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FOTO: OLIVER DIETZE Deutlich ruhiger lief der erste Tag nach der Wiedereröf­fnung in der Homburger Buchhandlu­ng Welsch an.
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FOTO: BECKERBRED­EL Wirtschaft­sministeri­n Anke Rehlinger (Mitte) informiert­e sich bei Geschäftsl­euten in der Saarbrücke­r Innenstadt über die Ladenöffnu­ngen.

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