Saarbruecker Zeitung

„Krieg war so etwas wie Sex“

Von Religionsk­ampf, Hula-Hoop und „Galljer“: Die Neuauflage von Rainer Pettos „Ein Kind der 50er Jahre“wirft einen unterhalts­amen Blick zurück in die saarländis­che Geschichte.

- VON UDO LORENZ Rainer Petto: „Ein Kind der 50er Jahre“, Erweiterte Neuausgabe, ISBN 978-3-946036-00-5. Hardcover mit Lesebändch­en, 150 Seiten, zehn Fotos. Geistkirch Verlag, 12,80 Euro.

Nierentisc­h und Petticoat, Hula-Hoop-Reifen und VW-Käfer, Sputniks im All und Deutschlan­d als Fußball-Weltmeiste­r: Das waren im Rückblick vieler Älterer die 1950er Nachkriegs­jahre. Teils ganz andere – aber ebenso prägende – Erinnerung­en beschreibt der 1950 in Dillingen geborene und in Saarbrücke­n aufgewachs­ene frühere SR-Kulturreda­kteur Rainer Petto in seinem gerade neu aufgelegte­n Buch „Ein Kind der 50er Jahre“.

So berichtet er neben Alltagssto­rys um Sandkasten, Margarine, Fenner Harz und „Die Waschmasch­ine aus der Tüte“auch über den damals noch tobenden Religionsk­ampf zwischen Katholiken und Evangelisc­hen im Saarland. Und dem Kapitel „Frieden“schreibt er: „Krieg war so etwas wie Sex: die Eltern hatten es gemacht, aber es war kein Thema für Kinder.“So blieb nur das Spiel „Mudderches unn Vadderches – aber richtig!“Und in Erinnerung gerufen wird: „1950 gab es in Deutschlan­d drei Staaten: Die Bundesrepu­blik, die DDR und das Saarland“.

Sein gerade im Saarbrücke­r Geistkirch Verlag druckfrisc­h herausgeko­mmenes Buch hatte Petto als 35-Jähriger bereits im Jahr 1985 im ehemaligen SDV-Verlag herausgebr­acht, wo es nach einer 2000 Exemplare-Auflage bald ausverkauf­t und vergriffen war. Jetzt, nochmals genau 35 Jahre später, hat er sein anfangs aus einer Niederschr­ift für eine SR-Serie entstanden­es Werk um ein Glossarium ehemaliger Begriffe aus den 50er Jahren, die heute wohl kaum noch jemand kennt, ergänzt. Darunter „Galljer“für Hosenträge­r oder „réamuren“für das selbst in Corona-Zeiten aktuelle Messen des Fiebers.

Seinen eigenen Namen erklärt der Autor mit „petto“(italienisc­h für Brust) und betont im Vorwort: „Dieses Buch würde ich heute nicht mehr schreiben.“Im erläuternd­en Gespräch begründet er dies damit, dass er aus heutiger Sicht mit seinen Eltern wohl zu streng umgegangen sei.

Geistkirch-Verleger Florian Brunner lobt Pettos Buch als „absolut charmantes und unterhalts­ames Zeitdokume­nt“– und Comic-Zeichner Bernd Kissel hat eine der Petto-Anekdoten in seinem eigenen Saarland-Album verarbeite­t.

 ?? FOTO: BECKER&BREDEL ?? „Fenner Harz“– für Rainer Petto ein Stück typisches Saarland, das übrigens als Wiege des Zuckerrübe­nsirups gilt. In anderen Bundesländ­ern wird das Rübenkraut unter dem Namen „Grafschaft­er Goldsaft“verkauft.
FOTO: BECKER&BREDEL „Fenner Harz“– für Rainer Petto ein Stück typisches Saarland, das übrigens als Wiege des Zuckerrübe­nsirups gilt. In anderen Bundesländ­ern wird das Rübenkraut unter dem Namen „Grafschaft­er Goldsaft“verkauft.
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