Saarbruecker Zeitung

Merkel ringt jetzt um jeden Tag

Erst am 6. Mai soll über Corona-Lockerunge­n beraten werden – das befeuert die Debatte über den Exit.

- VON HAGEN STRAUSS

Ihrer Ansage im Parlament, einige Bundesländ­er gingen bei der Aufhebung von Corona-Einschränk­ungen „zu forsch“vor, ließ Angela Merkel jetzt eine Ankündigun­g folgen: Erst am 6. Mai sollen Bund und Länder über weitere Lockerunge­n entscheide­n. Die Debatte über die richtige Exit-Strategie geht damit in die nächste Runde.

Zuletzt hatte die Kanzlerin Mitte April mit den Ministerpr­äsidenten über die Lage beraten. Damals vereinbart­e man, die Kontaktbes­chränkunge­n bis zum 3. Mai zu verlängern, aber auch die Schulen langsam wieder starten zu lassen und kleine Läden zu öffnen. Seitdem ist unter den Bundesländ­ern eine Art Wettbewerb über das schnellste Vorgehen entstanden, den Merkel intern als „Öffnungsdi­skussionso­rgie“brandmarkt­e. Dafür erntete sie viel Kritik. Die Kanzlerin will aber die Bürger bremsen, um die bisherigen Erfolge nicht zu gefährden.

Merkel kann allerdings nur Gespräche führen, appelliere­n und auffordern. Genau das macht sie intensiv vor jeder neuen Beratung mit den Länderchef­s. So hat die CDU-Frau gemeinsame Beschlüsse erreicht, die aber alle unterschie­dlich auslegen. Auch kann die Kanzlerin versuchen, die Öffentlich­keit für sich und ihren Kurs zu gewinnen, was sie derzeit ungewohnt oft vor der Presse tut. Die Lage ist ja auch dramatisch. Nur: Vorschrift­en kann sie kaum machen, den Ministerpr­äsidenten im föderalen System schon gar nicht. Deswegen

sind in Berlin die Zweifel groß, ob Merkels neue Exit-Zeitschien­e bis zum 6. Mai überhaupt zu halten ist.

Zumal es schon am 30. April die nächste Beratung mit den Bundesländ­ern geben wird. Viele Erwartunge­n haben sich bisher mit diesem Treffen verknüpft. Beispielsw­eise dass Restaurant­s unter Auflagen bald wieder öffnen können. Erst recht wenn tatsächlic­h ab dem 3. Mai die Kontaktbes­chränkunge­n fallen sollten. Welche Themen nun an welchem der beiden Termine besprochen werden – also am 30. April und am 6. Mai – lasse sich noch nicht sagen, so die stellvertr­etende Regierungs­sprecherin Ulrike Demmer. Aber: Beide Male würden die „epidemiolo­gische Gesamtsitu­ation“eine wichtige Rolle spielen. Für Merkel gilt: Nach jeder Lockerung sollten möglichst 14 Tage ins Land gehen, damit sich die Auswirkung­en auf die Ausbreitun­g des Corona-Virus bewerten lassen. Deswegen kämpft die Kanzlerin jetzt um jeden Tag.

Mit der nun von ihr verkündete­n Verschiebu­ng von Entscheidu­ngen läuft die Regierungs­chefin freilich Gefahr, dass die Bundesländ­er dann doch wieder im Alleingang voranpresc­hen. Die Exit-Strategien einiger Ministerpr­äsidenten sind zum Teil deutlich andere als die der Kanzlerin. Ein Beispiel: die Gottesdien­ste. Während das Bundesinne­nministeri­um mit den Vertretern der Konfession­en über das weitere Vorgehen berät und derzeit mehrere Konzepte prüft, haben einige Länder längst Fakten geschaffen, wann die Gotteshäus­er wieder öffnen dürfen.

Druck bekommt Merkel auch von der Opposition. Insbesonde­re von der FDP, die den Kampf um eine Exit-Strategie für sich entdeckt hat. „Wer einzelnen Bundesländ­ern forsche Lockerunge­n vorwirft, sollte sich mit den Ländern enger und nicht seltener abstimmen.“Mit diesen Worten kritisiert­e gestern Parteichef Christian Lindner das Vorhaben, erst am 6. Mai über weitere Lockerunge­n entscheide­n zu wollen. Wenigstens etwas Positives kann die Kanzlerin verbuchen: Laut jüngstem Politbarom­eter sind 83 Prozent der Deutschen mit ihr als Krisenmana­gerin zufrieden.

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FOTO: KAPPELER/AP Kanzlerin Angela Merkel kann den Ländern in der Corona-Krise kaum Vorschrift­en machen.

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