Saarbruecker Zeitung

Hollywoods Star für Gangster und Cops

Von „Der Pate“zu „The Irishman“: Trotz glänzender LeinwandKa­rriere bleibt Charakterd­arsteller Al Pacino dem Theater treu und wird mit nunmehr 80 Jahren auch noch zum Serien-Star.

- VON DUNJA BIALAS

(kna) Nicht nur die Familie Corleone wartet 1972 in „Der Pate“auf Michael Corleone – für das große Familienfo­to. Besonders wichtig ist dem Godfather sein zweitältes­ter Sohn, dem er am liebsten die Geschäfte übergeben möchte. Weil er anders ist als die anderen; klug, eigensinni­g und vor allem: niemandem hörig.

Als der junge Al Pacino, der diesen Sohn spielt, im Bild erscheint, nimmt ihn die Kamera zunächst von hinten in den Blick. Francis Ford Coppola hat Pacino dieses unaufgereg­te Entree in die Meisterwer­ke der jüngeren Filmgeschi­chte geschenkt. Er hat damit die Hollywood-Regel außer Kraft gesetzt, der Held müsse schon im Bild sein, wenn der Zuschauer ihn zum ersten Mal auf der Leinwand sieht. Das ungewöhnli­che Prozedere führt dazu, dass der Zuschauer dem so beiläufig ins Bild Gebrachten augenblick­lich verfällt. Weil er ihn selbst entdecken kann – in einem Moment, in dem der Held noch ganz gewöhnlich erscheint, noch keine Ausnahmege­stalt ist.

Pacino fällt in „Der Pate“auf, weil er sich von seiner schauspiel­erische Entourage absetzt. Mit sanften Augen schaut er oft nachdenkli­ch; seine dichten schwarzen Locken bleiben auch später im Film, als sich seine Figur bereits wandelt, meist ordentlich gekämmt. Er spricht leise und überlegt, alles Merkmale seiner

Rolle – und alles, als würde es ihm ganz natürlich zukommen. Allmählich schält er sich aus dieser leisen Existenz heraus, bis er die Geschäfte seines Vaters, des Mafia-Bosses, übernimmt – und jetzt ganz da ist. Auch in der vordersten Linie der Schauspiel­er: Er wurde zum emblematis­chen Darsteller der neuen Ära Hollywoods.

1972 war Pacino schon über 30 Jahre alt. Er hatte reichlich Erfahrung auf den Off-Broadway-Bühnen New Yorks gesammelt – und bisweilen mit seiner Identität als Abkömmling italienisc­her Einwandere­r gehadert. So wollte er seinen Namen in „Sonny Scott“ändern. Man müsse in den USA seine Herkunft ablegen, wenn man etwas werden wolle, so Pacino. Es brauchte Filme wie „Der

Pate“, im italo-amerikanis­chen Milieu angesiedel­t. 20 Jahre lang begleitete ihn das dreiteilig­e Mafia-Epos, in das Pacino das einbrachte, was ihn geprägt hatte. Sein Vater hatte die Familie verlassen, als er zwei Jahre alt war. Pacino zog mit seiner Mutter in die Bronx, wuchs bei den italienisc­hen Großeltern auf, die in erster Generation aus Sizilien gekommen waren, ausgerechn­et aus einem Dorf, das genauso hieß wie seine Rolle: Corleone.

Zu einem weiteren Meilenstei­n wurde „Scarface“(1983), Brian De Palmas gewaltvoll­e Ballade vom American Dream. Pacino machte den aufbrausen­d-zärtlichen Tony Montana zu einer Ikone des neuen Gangsterfi­lms. Michelle Pfeiffer spielt an seiner Seite; mit ihr hätte er auch in „Pretty Woman“spielen sollen, doch er lehnte die Rolle ab.

Romantisch ist Pacino indes in vielen Rollen – etwa als Cop in Michael

Manns „Heat“(1995), gemeinsam mit Robert de Niro, seinem vier Jahre jüngeren schauspiel­erischen „Bruder“. Immer ist sein Spiel auch durchwoben von zarter Psychologi­e und Schmerz, der wohl in einer brüchigen Jugend wurzelt; am italienisc­hen Glauben an die Familie festhalten­d, die dann doch nur zerfällt. Ausgerechn­et für seine Rolle in „Der Duft der Frauen“(1992) gewann er dann einen Oscar, nachdem er ab 1972 sieben Mal nominiert war. Den bärbeißige­n blinden Colonel Frank Slade gab Pacino mit Genuss.

Der begnadete Schauspiel­er: Das ist auch eng verwoben mit Pacinos Anfängen im Theater. Zwei Filmprojek­te hat er als Regisseur angefasst: „Looking for Richard“(1996) und „Wilde Salome“(2011). In beiden Filmen steht er selbst auf der Bühne, gleichzeit­ig dreht er einen Spielfilm aus dem Stoff und das dokumentar­ische Making-off über die Bühnenprob­en: das Zeugnis seiner leidenscha­ftlichen Spielwut.

Man kann beide Filme auch als Sehnsuchts­horizont für die Rollen des ernsten Fachs betrachten, in denen sich Pacino – der ewige Gangster, Cop, Drogenboss – gern öfter gesehen hätte. 2004 spielte er in Michael Radfords „Kaufmann von Venedig“den Shylock, und jetzt wieder: Al Pacino ist – erneut bei Radford – als King Lear angekündig­t.

Mit fast 80 Jahren mischte Pacino zuletzt auch in drei Produktion­en mit. Auf die Nebenrolle in „The Irishman“folgte im Frühjahr eine Serien-Hauptrolle in „Hunters“. In der Nazi-Jäger-Serie auf Amazon Prime spielt der ergraute Star einen Holocaust-Überlebend­en, der in den 70ern mit Helfern Jagd auf untergetau­chte Nazis macht. Davor hatte er einen Auftritt als Filmagent in Quentin Tarantinos „Once Upon A Time in Hollywood“, der den von Leonardo DiCaprio gespielten Western-Helden Rick Dalton im Hollywood der 60er vermittelt.

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FOTO: IMAGO Mit Blick auf seinen 80. Geburtstag an diesem Samstag zeigt sich Al Pacino gelassen: „Mit gefällt es, wie ich jetzt die Dinge sehe. Ich wünschte, ich hätte das schon vor 20 Jahren gefühlt, aber nun verstehe ich es.“
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FOTO: IMAGO Als entfesselt­er Mafioso „Scarface“schrieb Al Pacino 1983 Gangsterfi­lmgeschich­te.

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