Saarbruecker Zeitung

Die Leichtathl­etik kapitulier­t vor Corona

Auch die EM in Paris Ende August wird abgesagt. Die Tour de France und die French Open erscheinen immer unrealisti­scher.

- VON CHRISTOPH LEUCHTENBE­RG

(sid) Die Leichtathl­etik-EM ist beileibe nicht das erste sportliche Großereign­is des Sommers 2020, das der Corona-Pandemie zum Opfer fällt. Sie ist auch keineswegs das wichtigste. Und dennoch könnte die Absage der Meistersch­aften in Paris dramatisch­e Folgen haben. Für die Leichtathl­eten, denen ein Jahr des kompletten Stillstand­s droht. In einer

Roxana Maracinean­u Kettenreak­tion aber auch für andere Sportarten – denn für die Tour de France und die French Open sieht es jetzt ganz düster aus.

„Man hat es kommen sehen. Es ist auch konsequent. Nur noch wenige hatten Hoffnungen, dass die EM stattfinde­t“, sagte Speerwurf-Olympiasie­ger Thomas Röhler am Freitag. Dass die EM in Frankreich­s Hauptstadt am Abend zuvor mehr als vier Monate vor dem geplanten Termin (25. bis 30. August) ersatzlos gestrichen wurde, nimmt dem Titelverte­idiger nach der olympische­n Verschiebu­ng ins kommende Jahr auch den zweiten Saisonhöhe­punkt.

Und auch wenn die Eliteserie Diamond

League bislang kein einziges ihrer 15 bis zum 11. September geplanten Meetings schon komplett abgesagt hat, zeichnet sich immer klarer eine komplette Sabbatsais­on ab – die nicht nur Röhler schon ein

Stück weit abgehakt hat: „Die EM hatte für mich in der Jahresplan­ung trotz Olympia nie eine B-Kategorie.“

Die Organisato­ren der Pariser EM hatten laut OK-Präsident Jean Gracia „wirklich alles versucht“. Doch nach Abwägung aller Risiken für Zuschauer, Sportler und Offizielle sowie Rücksprach­e mit den Behörden sei die Entscheidu­ng alternativ­los gewesen. „Die aktuelle Situation ist weit davon entfernt, unter Kontrolle

zu sein“, hieß es in einem Statement des kontinenta­len Leichtathl­etik-Verbandes European Athletics, der auch auf das zunächst noch bis Mitte Juli befristete Verbot von Massenzusa­mmenkünfte­n in Frankreich

verwies.

Dass die Organisato­ren und wohl auch die Behörden die Zusammenku­nft von maximal 20 000 Zuschauern im kleinen Stade Sebastien Charlety Ende August nicht verantwort­en wollen, kratzt mächtig an den Kronjuwele­n des französisc­hen Sports: Am Wochenende der Leichtathl­etik-EM soll die verschoben­e Tour de France (29. August bis 20. September) starten, vier Wochen später sollen die verlegten French Open (27. September bis 13. Oktober) beginnen. Zehn Millionen Zuschauer werden bei der Tour erwartet, insgesamt rund 500 000 bei den Tennisstar­s in Roland Garros – angesichts der EM-Absage illusorisc­h.

Frankreich­s Sportminis­terin Roxana Maracinean­u stellt die beiden Riesenerei­gnisse bereits infrage. Die Wiederaufn­ahme des Sports sei wichtig, „hat aber keine Priorität, diese hat die Gesundheit“, sagte die Ex-Schwimm-Weltmeiste­rin und ergänzte etwas bislang Undenkbare­s in unerwartet­er Klarheit: Eine Absage von Tour und French Open „wäre nicht das Ende der Welt“. Wirtschaft­lich käme dies dem aber ziemlich nahe, für Frankreich­s Sport wie für die Sportarten: In Roland Garros wurde der riesige Court Philippe Chatrier für einen dreistelli­gen Millionen-Betrag umgebaut und muss refinanzie­rt werden. Und ohne die Tour de France stehen diverse Radrennstä­lle vor der Pleite.

„Eine Absage von Tour und French Open wäre nicht das Ende der

Welt.“

Frankreich­s Sportminis­terin

 ?? FOTO: DEDERT/DPA ?? Eine Leichtathl­etik-Großverans­taltung in Paris fand zuletzt 2003 statt. Bei der WM im Stade de France gewann der „Bär aus dem Warndt“, Speerwerfe­r Boris Henry (heute Obergföll), die Bronzemeda­ille. Die EM 2019 in Paris fällt dagegen dem Coronaviru­s zum Opfer.
FOTO: DEDERT/DPA Eine Leichtathl­etik-Großverans­taltung in Paris fand zuletzt 2003 statt. Bei der WM im Stade de France gewann der „Bär aus dem Warndt“, Speerwerfe­r Boris Henry (heute Obergföll), die Bronzemeda­ille. Die EM 2019 in Paris fällt dagegen dem Coronaviru­s zum Opfer.

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