Die Leichtathletik kapituliert vor Corona
Auch die EM in Paris Ende August wird abgesagt. Die Tour de France und die French Open erscheinen immer unrealistischer.
(sid) Die Leichtathletik-EM ist beileibe nicht das erste sportliche Großereignis des Sommers 2020, das der Corona-Pandemie zum Opfer fällt. Sie ist auch keineswegs das wichtigste. Und dennoch könnte die Absage der Meisterschaften in Paris dramatische Folgen haben. Für die Leichtathleten, denen ein Jahr des kompletten Stillstands droht. In einer
Roxana Maracineanu Kettenreaktion aber auch für andere Sportarten – denn für die Tour de France und die French Open sieht es jetzt ganz düster aus.
„Man hat es kommen sehen. Es ist auch konsequent. Nur noch wenige hatten Hoffnungen, dass die EM stattfindet“, sagte Speerwurf-Olympiasieger Thomas Röhler am Freitag. Dass die EM in Frankreichs Hauptstadt am Abend zuvor mehr als vier Monate vor dem geplanten Termin (25. bis 30. August) ersatzlos gestrichen wurde, nimmt dem Titelverteidiger nach der olympischen Verschiebung ins kommende Jahr auch den zweiten Saisonhöhepunkt.
Und auch wenn die Eliteserie Diamond
League bislang kein einziges ihrer 15 bis zum 11. September geplanten Meetings schon komplett abgesagt hat, zeichnet sich immer klarer eine komplette Sabbatsaison ab – die nicht nur Röhler schon ein
Stück weit abgehakt hat: „Die EM hatte für mich in der Jahresplanung trotz Olympia nie eine B-Kategorie.“
Die Organisatoren der Pariser EM hatten laut OK-Präsident Jean Gracia „wirklich alles versucht“. Doch nach Abwägung aller Risiken für Zuschauer, Sportler und Offizielle sowie Rücksprache mit den Behörden sei die Entscheidung alternativlos gewesen. „Die aktuelle Situation ist weit davon entfernt, unter Kontrolle
zu sein“, hieß es in einem Statement des kontinentalen Leichtathletik-Verbandes European Athletics, der auch auf das zunächst noch bis Mitte Juli befristete Verbot von Massenzusammenkünften in Frankreich
verwies.
Dass die Organisatoren und wohl auch die Behörden die Zusammenkunft von maximal 20 000 Zuschauern im kleinen Stade Sebastien Charlety Ende August nicht verantworten wollen, kratzt mächtig an den Kronjuwelen des französischen Sports: Am Wochenende der Leichtathletik-EM soll die verschobene Tour de France (29. August bis 20. September) starten, vier Wochen später sollen die verlegten French Open (27. September bis 13. Oktober) beginnen. Zehn Millionen Zuschauer werden bei der Tour erwartet, insgesamt rund 500 000 bei den Tennisstars in Roland Garros – angesichts der EM-Absage illusorisch.
Frankreichs Sportministerin Roxana Maracineanu stellt die beiden Riesenereignisse bereits infrage. Die Wiederaufnahme des Sports sei wichtig, „hat aber keine Priorität, diese hat die Gesundheit“, sagte die Ex-Schwimm-Weltmeisterin und ergänzte etwas bislang Undenkbares in unerwarteter Klarheit: Eine Absage von Tour und French Open „wäre nicht das Ende der Welt“. Wirtschaftlich käme dies dem aber ziemlich nahe, für Frankreichs Sport wie für die Sportarten: In Roland Garros wurde der riesige Court Philippe Chatrier für einen dreistelligen Millionen-Betrag umgebaut und muss refinanziert werden. Und ohne die Tour de France stehen diverse Radrennställe vor der Pleite.
„Eine Absage von Tour und French Open wäre nicht das Ende der
Welt.“
Frankreichs Sportministerin