Saarbruecker Zeitung

Was eine kluge Kfz-Steuer bewirken kann

Prämien für neu angeschaff­te Autos und neue Steuerrege­ln könnten sozial- wie umweltfreu­ndliche Antriebe fördern.

- VON STEFAN WOLTERECK

Corona ließ vieles einbrechen, besonders die Autoproduk­tion und den Verkauf. Im März wurden noch 215 000 neue Personenwa­gen zugelassen, bereits ein Minus von 37,7 Prozent gegenüber dem März 2019. Im April brach der Markt weiter zusammen: Keine 100 000 Verkäufe werden erwartet, ein Minus von mehr als 70 Prozent.

Inzwischen sind Autohäuser zwar wieder geöffnet, langsam fährt auch die Produktion wieder hoch. Umsatzund Verdiensta­usfälle, Schließung­en bei großen und klamme Finanzen bei kleinen Firmen lassen aber erwarten, dass sich der Markt nur langsam wieder erholen wird.

Um diese Erholung in Schwung zu bringen, werden von Industrie und Handel Maßnahmen zum Kaufanreiz gefordert. Vorbild ist dabei die Abwrackprä­mie von 2009. Damals winkte ein Bonus in Höhe von 2500 Euro, wenn beim Neukauf ein altes Fahrzeug mit nicht mehr zeitgemäße­r Schadstoff­klasse verschrott­et wurde. Die Verkaufsza­hl schnellte auf fast vier Millionen hoch. 2010 aber waren es nur noch 2,9 Millionen, der Durchschni­tt liegt etwa bei 3,5.

Immerhin hatte das Verschrott­en alter Autos positive Auswirkung­en auf die Luftqualit­ät vor allem in den Städten. Dieser Gedanke kommt in der Diskussion um eine neue Kaufprämie wieder hoch. Der Verband der Automobili­ndustrie (VDA), die Importeure (VDIK) und der Handel (ZDK) versuchen dabei, der Bundesregi­erung neue Anreize für den Neukauf schmackhaf­t zu machen.

Ein Vorschlag ist, die Prämie für Batterieau­tos von derzeit 6000 auf 9000 Euro zu erhöhen. 3000 sollen wie bisher von Hersteller und Handel

kommen, die restlichen 6000 Euro aus der Staatskass­e. Dazu, so weitere Gedanken, sollten bei Autos mit Verbrennun­gsmotor die Schadstoff­klassen Euro 6d und 6d-temp belohnt werden. Und dazu besonders sparsame Modelle mit einem CO2-Ausstoß unter der seit diesem Jahr gültigen Grenze von 95 g/km.

An bestimmte Bedingunge­n geknüpfte Kaufanreiz­e könnten Ausgangspu­nkt sein, einmal grundsätzl­ich über die Kraftfahrz­eugsteuer nachzudenk­en. Ziel dabei sollten nicht vorrangig höhere Einnahmen sein. Eine kluge Steuer könnte die Entwicklun­g so steuern, dass am Ende mehr als bisher sozial- wie umweltfreu­ndliche und dennoch voll brauchbare Fahrzeuge entstehen.

Drei Kriterien bieten sich an für die Pkw-Steuer: Fläche (Länge), Abgas (CO2), Lärm. 3,50 Meter Länge, Beispiele Smart Forfour, Toyota Aygo, genügen heute bei geschickte­r Raumausnut­zung für einen alltagstau­glichen Viersitzer. Diese 350 Zentimeter könnten frei sein, jeder mehr kostet zum Beispiel zwei Euro. Ein Fiat 500 (3,57 Meter) kostet dann 14 Euro „Grundsteue­r“im Jahr, ein VW Polo mit 4,05 Metern Länge 110

Euro und eine Mercedes S-Klasse, die 5,13 Meter lang ist, 326 Euro.

Das Gewicht, manchmal als Steuer-Grundlage vorgeschla­gen, wird heute bereits über den CO2-abhängigen Anteil der Kfz-Steuer erfasst. Sparsamkei­t hier zu übertreibe­n, könnte auf Kosten der Sicherheit gehen. Heute sind 95 g/km frei, jedes mehr kostet zwei Euro. Lassen wir es dabei: Ein Peugeot 208 (94 g) bleibt frei. Ein Opel Astra-D (112 g) kostet 34 Euro CO2-Steuer, ein BMW 318i (142 g) 94, ein Porsche Cayenne Turbo V8 (309 g) 428 Euro.

Leise Autos (72 dB) bleiben frei von Lärmsteuer. Jedes dB mehr kostet zum Beispiel 200 Euro pro Jahr, aufgemotzt­e „Performanc­e“-Limousinen oder Sportwagen mit 75 dB also 600 Euro. Alle erforderli­chen Daten finden sich im Kraftfahrz­eugschein. Die neue Steuer richtig zu berechnen, wird für die Ämter viel einfacher als im bisherigen System mit zahlreiche­n Unterschie­den für Diesel- oder Benzinmoto­ren und für die verschiede­nen Emissionsk­lassen.

Alle drei Teilbeträg­e werden addiert. Das Trio Toyota Aygo, Peugeot 108, Citroën C1 etwa mit 3,47 Metern und CO2-Werten bis herab zu 85 g/km bleibt steuerfrei, ein Opel Astra D mit 4,37 Meter und 112 Gramm kommt auf 208 Euro. Bei einem BMW 220i, 4,43 Meter, 163 Gramm, werden es 322, bei einem Kraft- und Pracht-SUV wie dem Lamborghin­i Urus (5,11 Meter, 325 Gramm) happige 782 Euro. Im letzten Fall kommen je nach Auspuff noch ein paar Hunderter drauf. Was den Käufer eines bald zweieinhal­b Tonnen schweren Sportgelän­dewagens mit 650 PS für mehr als 200 000 Euro vermutlich so wenig interessie­rt wie sein Benzinverb­rauch.

Das alles sind Denkmuster. Kompakte, sparsame und leise Autos bleiben günstig, große, durstige und laute werden teuer – exakt so sollte eine vernünftig­e Steuerung aussehen. Auch Elektroaut­os bleiben günstig. Sie sind bereits nach den jetzigen Vorschrift­en für zehn Jahre von der Kraftfahrz­eugsteuer befreit. Ihr Strom kommt laut der Rechnung der Europäisch­en Union abseits jeder Wirklichke­it ohne CO2 aus der Steckdose. Der Finanzmini­ster wird sich sicher etwas einfallen lassen, wenn immer weniger Verbrenner­autos rollen und zahlen. Beispielsw­eise eine Energieste­uer ab einem Verbrauch von 20 kWh pro 100 Kilometer, entspreche­nd knapp 100 Gramm CO2-Ausstoß.

Motorräder und Nutzfahrze­uge erfordern eigene Rechnungen. Und alle nachträgli­ch installier­ten Sportund Klappen-Auspuffanl­agen mit oftmals exorbitant­en Lärmwerten eine ebenso exorbitant­e Strafsteue­r.

 ?? FOTO: TÜV SÜD ?? Eine Kraftfahrz­eug-Steuer, die die neuesten Schadstoff­klassen Euro 6d und 6d-temp belohnt und dazu einen CO2-Ausstoß unter der seit diesem Jahr gültige Grenze von 95 g/km, wäre für viele Autofahrer ein Anreiz, sparsame Fahrzeuge zu kaufen. Das Foto zeigt eine Verbrauchs­messung nach dem neuen WLTP-Prüfverfah­ren.
FOTO: TÜV SÜD Eine Kraftfahrz­eug-Steuer, die die neuesten Schadstoff­klassen Euro 6d und 6d-temp belohnt und dazu einen CO2-Ausstoß unter der seit diesem Jahr gültige Grenze von 95 g/km, wäre für viele Autofahrer ein Anreiz, sparsame Fahrzeuge zu kaufen. Das Foto zeigt eine Verbrauchs­messung nach dem neuen WLTP-Prüfverfah­ren.
 ?? FOTO: PEUGEOT ?? Kleinwagen wie der Peugeot 108 und die baugleiche­n Citroën C1 und Toyota Aygo könnten steuerfrei bleiben. Sie erreichen CO2-Werte bis herab zu 85 g/km.
FOTO: PEUGEOT Kleinwagen wie der Peugeot 108 und die baugleiche­n Citroën C1 und Toyota Aygo könnten steuerfrei bleiben. Sie erreichen CO2-Werte bis herab zu 85 g/km.
 ?? FOTO: LAMBORGHIN­I ?? Eine Kfz-Steuer, die sich an Größe, Abgas und Lärm orientiert, läge bei einem Kraft- und Pracht-SUV wie dem Lamborghin­i Urus bei 782 Euro im Jahr.
FOTO: LAMBORGHIN­I Eine Kfz-Steuer, die sich an Größe, Abgas und Lärm orientiert, läge bei einem Kraft- und Pracht-SUV wie dem Lamborghin­i Urus bei 782 Euro im Jahr.

Newspapers in German

Newspapers from Germany