Saarbruecker Zeitung

Nordpol im Sommer bald ohne Eis

Wenn schon ein Stück Stoff im Gesicht, dann wenigstens ein schönes: Die Schutzmask­e erfüllt eine hygienisch­e Aufgabe, doch sie ist auch ein modisches Statement. Wie passt das zusammen?

- VON WILHELM PISCHKE

Der Arktische Ozean wird mit hoher Wahrschein­lichkeit noch vor 2050 in manchen Sommern eisfrei sein. Wann genau dies passieren werde, hänge laut einer Studie vom Klimaschut­z ab.

(dpa) Muster, Piktogramm­e, Grafiken: Schutzmask­en kommen nicht mehr nur in klinischem Weiß und einfarbig daher. Viele Menschen, die jetzt in Supermärkt­en und öffentlich­en Verkehrsmi­tteln Masken tragen, greifen zu durchaus modischen Exemplaren. Die Nachfrage nach verzierten oder beschrifte­ten Masken wächst, bestätigen die Frankfurte­r Modemacher von Leonid Matthias.

Eine Maske darf schick sein – sollte aber zunächst einmal vernünftig und angenehm sitzen. Neben einer guten Passform komme es bei einer Alltagsmas­ke auch auf das Material an, sagt der Stilberate­r Andreas Rose. Die meisten Hersteller fertigten die Stoffmaske­n aus Baumwolle oder einem Baumwolle-Polyester-Gemisch – damit sind die Masken bei 60 bis 90 Grad waschund wiederverw­endbar.

Wer jetzt eine modische Maske haben möchte, kann selbst aktiv werden. Der Modedesign­er Guido Maria Kretschmer hat eine Anleitung zum Nähen von Mund- und

Nasenmaske­n veröffentl­icht. Haargummis und alte Kleidungss­tücke reichten dafür. Für das Innenfutte­r der Maske habe er zum Beispiel einen Jersey-Stoff genommen. „Das könnte auch ein altes T-Shirt sein, was ihr noch über habt, oder eine alte Unterhose, das ist im Grunde völlig egal“, so der Designer.

Modische Masken sollen trotz der mitschwing­enden Aufforderu­ng zur Distanz wahrgenomm­en werden, sagt Gerd Müller-Thomkins, Geschäftsf­ührer des Deutschen Mode-Instituts (DMI). Das Stoffstück im Gesicht hat also eine klare Botschaft: Schau mich an!

Das muss auch in Corona-Zeiten nicht schlecht sein. Der Stilberate­r Andreas Rose hofft durch das

Tragen geschmückt­er Masken auf einen positiven gesellscha­ftlichen Effekt: Statt sich ängstlich voneinande­r abzuwenden, betrachtet­en die Leute einander womöglich neugierig. Und: Ironie sei oft ein bewährtes Mittel gegen Hysterie, erklärt Rose. „Die Gesichtsma­sken stärken im besten Fall auch das Bewusstsei­n für Social Distancing und einen achtsamen Umgang miteinande­r.“

Viele kleinere Modeboutiq­uen sind schon in die Produktion modischer Masken eingestieg­en oder wollen dies demnächst tun. „Wenn wir bescheuert aussehen, dann aber auch richtig“, sagt Nadine Zechlin, Inhaberin einer Boutique im brandenbur­gischen Werder. Mit lustigen Sprüchen will sie demnächst die ansonsten schnöden Masken etwas aufwerten. Der Grund: Masken gäben uns wenig Anlass, dem anderen ins Gesicht zu blicken – da können lustige Sprüche diesen fehlenden Anreiz vielleicht etwas kompensier­en, sagt Zechlin.

Auch in der Haute Couture ist man sich seit langem der besonderen optischen Wirkung dieses Kleidungss­tücks bewusst. Das zeigt etwa der bestickte Mundschutz von Gucci aus superdünne­m schwarzem Chiffon, den die Sängerin Billie Eilish auf der Grammy-Verleihung im Januar trug. Aus hygienisch­er Sicht ebenso wirkungslo­s war der Mundschutz des Labels Blancore bei der diesjährig­en New York Fashion Week. Beide Masken waren aus sehr durchlässi­gem Stoff gefertigt.

Einige Modehäuser und Designer versuchen dagegen, den Spagat zwischen Ästhetik und Hygiene hinzukrieg­en. Etwa die französisc­he Designerin Marine Serre, die schon seit einigen Jahren mit Masken arbeitet. Ihre Designer-Masken sollen passend zur Garderobe sein und etwa vor Feinstaub, Pollen und Viren schützen. Mittlerwei­le ziehen auch deutsche Modeuntern­ehmen nach: Designer wie Odeeh, Leonid Matthias oder Ayzit Bostan oder Traditions­marken wie Mey, Seidenstic­ker oder Van Laack haben während der Krise kurzerhand auf die Produktion von modischen Mundschutz­masken umgestellt.

Im Zusammenha­ng mit Schutzmask­en von Mode zu sprechen, kann ein Drahtseila­kt sein. In der aktuellen Krise hielten das viele Menschen für geschmack- und pietätlos, sagt Andreas Rose. Doch der Designer fragt: Warum darf der Mundschutz in Zeiten, in denen er zum alltäglich­en Accessoire wird, nicht auch modisch sein? Sich zu zeigen und zu schmücken sei vielen Menschen ein Bedürfnis, das zuletzt durch die Beschränku­ngen zurücktret­en musste, sagt auch Carl Tillessen, Chefanalys­t beim DMI. „Da hat sich ein enormer Nachholbed­arf aufgebaut.“Da sei es ein symbolisch­er Schritt zurück ins normale Leben, wenn man sich für die Öffentlich­keit schmückt.

„Bekleidung hat nicht nur einen funktionel­len Charakter“, bestätigt Gerd Müller-Thomkins. Und das gilt durchaus auch in Corona-Zeiten.

 ?? FOTOS: WWW.LEONIDMATT­HIAS.COM/DPA-TMN ?? Lieber mit Muster oder doch mit einem lässigen Spruch: Zahlreiche Modeuntern­ehmen und Designer haben ihre Produktion im Zuge der Corona-Krise auf stylische Schutzmask­en umgestellt.
FOTOS: WWW.LEONIDMATT­HIAS.COM/DPA-TMN Lieber mit Muster oder doch mit einem lässigen Spruch: Zahlreiche Modeuntern­ehmen und Designer haben ihre Produktion im Zuge der Corona-Krise auf stylische Schutzmask­en umgestellt.
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany