Neue „Drive in“-Kultur im Saarland geplant
Warum nicht im Auto zuerst Kino und dann auch Live-Kultur genießen? In Merzig ist ein solches Konzept kurz vor dem Start. Die CDU forciert das Modell landesweit.
(ce) Im Saarland dürfen nach einer Lockerung der Ausgangsbeschränkungen laut Landesmedienanstalt an fünf Standorten
Autokinos öffnen. Eine neue Form könnte dann Saar-Künstlern in der Corona-Krise helfen: die Verbindung von Filmvorführung mit Live-Konzerten hiesiger Künstler auf einer Open-Air-Bühne. Beides würde in die Autos übertragen. Die Idee der „Drive in“-Kultur hatte der Chef des Merziger Zeltpalastes, Joachim Arnold. Er will wahrscheinlich im Mai mit solchen Veranstaltungen in Merzig starten. Der bildungspolitische Sprecher der Landtags-CDU Frank Wagner hält das „Autokino plus“für ein landesweit wünschenswertes Modell. Kultur
Der eine hat eine ziemlich gute Idee, der andere den politischen Einfluss, um sie landesweit zu forcieren. So könnte es denn nicht nur in Merzig was werden mit der neuen „Drive in-Kultur“im Saarland. Voraussetzung: die Lockerung der Rechtsverordnung vom 16. März, die die Möglichkeiten, unter denen man sein Haus oder seine Wohnung verlassen darf, einschränkt. Nur Lebensnotwendiges soll erledigt werden, jedoch ist Shopping wieder erlaubt. Deshalb drängt nun auch die Kultur auf Teilhabe an den Lockerungen.
Nach SZ-Informationen steht das Thema dieser Tage in der Landespolitik zur Entscheidung an. Viele Kulturveranstalter rechnen im Mai mit einer Wieder-Starterlaubnis. Joachim Arnold, Chef von „Musik & Theater Saar“(Merziger Zeltpalast) hat sich bestens vorbereitet, mit einem neuen Corona-Format. Er will auf dem Gelände seines Zeltpalastes mit einer neuen Veranstaltungsreihe starten: Klassisches Auto-Kino soll mit Live-Konzerten und Auftritten hiesiger Musiker und DJs gekoppelt werden. Die Live-Musik wird, ebenso wie die Klangkulisse des Films, über eine angegebene Frequenz ins Autoradio übertragen oder über Bluetooth aufs Handy.
„Wir haben die Lizenz und den Parkplatz“, sagt Arnold der Saarbrücker Zeitung. „Und jetzt bauen wir noch eine große überdachte Open-Air-Bühne mit LED-Leinwand“. Sein Ansatz: etwas bieten, was über Auto-Kino hinaus geht, denn nur wegen einer Kinonacht fährt keiner nach Merzig. Auch sollte das Programm mehr bieten als die typischen Live-Streaming-Kulturangebote, die sich derzeit jeder aus dem Netz nach Hause holen kann. Deshalb in Merzig also Live-Auftritte, live erlebbar: „Was allen fehlt, ist ja nicht nur Kultur an sich, sondern vor allem das Gemeinschaftserlebnis von Kultur“, sagt Arnold. Und genau das wird im Auto möglich, einer Top-Corona-Schutzzone. Denn jeder kann trotzdem die Action im Nachbar-Auto verfolgen, womöglich können sogar Live-Videos aus Autos auf die große LED-Fläche übertragen werden. „Da geht die Post ab“, meint Arnold und zieht einen Vergleich wenn Haus-Konzerte über Streaming-Dienste ins Wohnzimmer fluten: „Herumhüpfen kann man im Auto zwar nicht, aber austicken schon, da finden sich Möglichkeiten“, meint Arnold. Die Menschen sollen auch mal wieder Spaß haben dürfen – bei ihm, wie immer, mit Niveau.
Arnold will dieses „Autokino plus“-Angebot die gesamte Saison durchziehen, immer mittwochs sowie an Wochenenden, dann mit DJ-Mitwirkung und über Mitternacht hinaus. Geplant sind Motto-Kinoabende, etwa eine Zusammenstellung legendärer Horrorfilme. Laut Arnold ist sein Konzept mit der Stadt Merzig abgestimmt, auch seien einige Kulturleute und Musiker eingebunden und informiert. Bei diesen Gesprächen sprang dann wohl auch der Funke Richtung Politik über, zum Landtagsabgeordneten Frank Wagner (CDU). Der war auf der Suche nach Hilfen für die Kulturschaffenden, die über einen reinen Finanz-Schutzschirm hinaus gehen:
„Neben den Soforthilfen müssen wir jetzt weiterblicken“, sagt er. Arnolds Idee hält er für eine Blaupause, die zur Nachahmung anregt. Die Idealvorstellung sieht so aus: Kinobetreiber, Unternehmer der Eventbranche und
Kulturschaffende finden sich an verschiedenen Orten im Saarland zusammen, um das neue Format des OpenAir-Kinos individuell auszugestalten. „Wer einen geeigneten Platz findet, kann loslegen“, meint Wagner. Denn die Technik lasse sich auch für Konzerteund Theater-Liveübertragungen in die Autos nutzen: „Man kann das Ganze sogar per Live-Streaming in die Wohnzimmer übertragen.“Wichtig ist Wagner, dass Vielfalt wächst, damit nicht „ein Großunternehmen saarlandweit die Infrastruktur bereitstellt“. Auch die designierte Leiterin der Landesmedienanstalt Ruth Meyer (CDU) macht sich für die Idee stark. In einer Pressemitteilung teilt sie mit, dass für fünf mögliche Autokino-Standorte bereits Unbedenklichkeitsbescheinigungen erteilt worden seien. Meyer regt zu enger Kooperation mit den lokalen Kinos an, damit diese am Gewinn teilhaben: „Ich freue mich über die Renaissance des Autokinos – letztere dürfen aber nicht in Konkurrenz zu den eingesessenen 23 Lichtspielhäusern treten.“(Siehe auch Meldung unten.)
Was die Erträge angeht, scheint Euphorie aber kaum angebracht. „Wir bieten das neue Autokino-Programm an, damit wir überhaupt präsent bleiben“, sagt Kulturunternehmer Arnold. 2017/2018 hatte er - allerdings im Zelt – Freiluftkino im Portfolio, vergangenes Jahr war dieses Experiment dann schon wieder vorbei. Sicher nicht wegen luxuriöser Einnahmen.
Doch wie soll die Autokino-Unternehmung Corona-sicher von statten gehen? Die Tickets werden ausschließlich online gekauft und gezahlt, am Abend selbst werden sie durch das Fenster hindurch gescannt. Im Auto sitzen sollen nur zwei Personen. In anderen Bundesländern ist dies längst Realität, in Nordrhein-Westfalen etwa, Hessen oder Baden-Württemberg laufen die Autokinos schon, mitunter sogar täglich wie in Gravenbruch bei Frankfurt am Main. Dort hält man sich jedoch an die traditionelle Form. Im Saarland könnte die Wiege für ein neues Cross-Over-Format stehen: „Autokino plus“.
„Wir haben die Lizenz und den Parkplatz.“
Joachim Arnold
Musik & Theater Saar