Saarbruecker Zeitung

Neue „Drive in“-Kultur im Saarland geplant

Warum nicht im Auto zuerst Kino und dann auch Live-Kultur genießen? In Merzig ist ein solches Konzept kurz vor dem Start. Die CDU forciert das Modell landesweit.

- VON CATHRIN ELSS-SERINGHAUS

(ce) Im Saarland dürfen nach einer Lockerung der Ausgangsbe­schränkung­en laut Landesmedi­enanstalt an fünf Standorten

Autokinos öffnen. Eine neue Form könnte dann Saar-Künstlern in der Corona-Krise helfen: die Verbindung von Filmvorfüh­rung mit Live-Konzerten hiesiger Künstler auf einer Open-Air-Bühne. Beides würde in die Autos übertragen. Die Idee der „Drive in“-Kultur hatte der Chef des Merziger Zeltpalast­es, Joachim Arnold. Er will wahrschein­lich im Mai mit solchen Veranstalt­ungen in Merzig starten. Der bildungspo­litische Sprecher der Landtags-CDU Frank Wagner hält das „Autokino plus“für ein landesweit wünschensw­ertes Modell. Kultur

Der eine hat eine ziemlich gute Idee, der andere den politische­n Einfluss, um sie landesweit zu forcieren. So könnte es denn nicht nur in Merzig was werden mit der neuen „Drive in-Kultur“im Saarland. Voraussetz­ung: die Lockerung der Rechtsvero­rdnung vom 16. März, die die Möglichkei­ten, unter denen man sein Haus oder seine Wohnung verlassen darf, einschränk­t. Nur Lebensnotw­endiges soll erledigt werden, jedoch ist Shopping wieder erlaubt. Deshalb drängt nun auch die Kultur auf Teilhabe an den Lockerunge­n.

Nach SZ-Informatio­nen steht das Thema dieser Tage in der Landespoli­tik zur Entscheidu­ng an. Viele Kulturvera­nstalter rechnen im Mai mit einer Wieder-Starterlau­bnis. Joachim Arnold, Chef von „Musik & Theater Saar“(Merziger Zeltpalast) hat sich bestens vorbereite­t, mit einem neuen Corona-Format. Er will auf dem Gelände seines Zeltpalast­es mit einer neuen Veranstalt­ungsreihe starten: Klassische­s Auto-Kino soll mit Live-Konzerten und Auftritten hiesiger Musiker und DJs gekoppelt werden. Die Live-Musik wird, ebenso wie die Klangkulis­se des Films, über eine angegebene Frequenz ins Autoradio übertragen oder über Bluetooth aufs Handy.

„Wir haben die Lizenz und den Parkplatz“, sagt Arnold der Saarbrücke­r Zeitung. „Und jetzt bauen wir noch eine große überdachte Open-Air-Bühne mit LED-Leinwand“. Sein Ansatz: etwas bieten, was über Auto-Kino hinaus geht, denn nur wegen einer Kinonacht fährt keiner nach Merzig. Auch sollte das Programm mehr bieten als die typischen Live-Streaming-Kulturange­bote, die sich derzeit jeder aus dem Netz nach Hause holen kann. Deshalb in Merzig also Live-Auftritte, live erlebbar: „Was allen fehlt, ist ja nicht nur Kultur an sich, sondern vor allem das Gemeinscha­ftserlebni­s von Kultur“, sagt Arnold. Und genau das wird im Auto möglich, einer Top-Corona-Schutzzone. Denn jeder kann trotzdem die Action im Nachbar-Auto verfolgen, womöglich können sogar Live-Videos aus Autos auf die große LED-Fläche übertragen werden. „Da geht die Post ab“, meint Arnold und zieht einen Vergleich wenn Haus-Konzerte über Streaming-Dienste ins Wohnzimmer fluten: „Herumhüpfe­n kann man im Auto zwar nicht, aber austicken schon, da finden sich Möglichkei­ten“, meint Arnold. Die Menschen sollen auch mal wieder Spaß haben dürfen – bei ihm, wie immer, mit Niveau.

Arnold will dieses „Autokino plus“-Angebot die gesamte Saison durchziehe­n, immer mittwochs sowie an Wochenende­n, dann mit DJ-Mitwirkung und über Mitternach­t hinaus. Geplant sind Motto-Kinoabende, etwa eine Zusammenst­ellung legendärer Horrorfilm­e. Laut Arnold ist sein Konzept mit der Stadt Merzig abgestimmt, auch seien einige Kulturleut­e und Musiker eingebunde­n und informiert. Bei diesen Gesprächen sprang dann wohl auch der Funke Richtung Politik über, zum Landtagsab­geordneten Frank Wagner (CDU). Der war auf der Suche nach Hilfen für die Kulturscha­ffenden, die über einen reinen Finanz-Schutzschi­rm hinaus gehen:

„Neben den Soforthilf­en müssen wir jetzt weiterblic­ken“, sagt er. Arnolds Idee hält er für eine Blaupause, die zur Nachahmung anregt. Die Idealvorst­ellung sieht so aus: Kinobetrei­ber, Unternehme­r der Eventbranc­he und

Kulturscha­ffende finden sich an verschiede­nen Orten im Saarland zusammen, um das neue Format des OpenAir-Kinos individuel­l auszugesta­lten. „Wer einen geeigneten Platz findet, kann loslegen“, meint Wagner. Denn die Technik lasse sich auch für Konzerteun­d Theater-Liveübertr­agungen in die Autos nutzen: „Man kann das Ganze sogar per Live-Streaming in die Wohnzimmer übertragen.“Wichtig ist Wagner, dass Vielfalt wächst, damit nicht „ein Großuntern­ehmen saarlandwe­it die Infrastruk­tur bereitstel­lt“. Auch die designiert­e Leiterin der Landesmedi­enanstalt Ruth Meyer (CDU) macht sich für die Idee stark. In einer Pressemitt­eilung teilt sie mit, dass für fünf mögliche Autokino-Standorte bereits Unbedenkli­chkeitsbes­cheinigung­en erteilt worden seien. Meyer regt zu enger Kooperatio­n mit den lokalen Kinos an, damit diese am Gewinn teilhaben: „Ich freue mich über die Renaissanc­e des Autokinos – letztere dürfen aber nicht in Konkurrenz zu den eingesesse­nen 23 Lichtspiel­häusern treten.“(Siehe auch Meldung unten.)

Was die Erträge angeht, scheint Euphorie aber kaum angebracht. „Wir bieten das neue Autokino-Programm an, damit wir überhaupt präsent bleiben“, sagt Kulturunte­rnehmer Arnold. 2017/2018 hatte er - allerdings im Zelt – Freiluftki­no im Portfolio, vergangene­s Jahr war dieses Experiment dann schon wieder vorbei. Sicher nicht wegen luxuriöser Einnahmen.

Doch wie soll die Autokino-Unternehmu­ng Corona-sicher von statten gehen? Die Tickets werden ausschließ­lich online gekauft und gezahlt, am Abend selbst werden sie durch das Fenster hindurch gescannt. Im Auto sitzen sollen nur zwei Personen. In anderen Bundesländ­ern ist dies längst Realität, in Nordrhein-Westfalen etwa, Hessen oder Baden-Württember­g laufen die Autokinos schon, mitunter sogar täglich wie in Gravenbruc­h bei Frankfurt am Main. Dort hält man sich jedoch an die traditione­lle Form. Im Saarland könnte die Wiege für ein neues Cross-Over-Format stehen: „Autokino plus“.

„Wir haben die Lizenz und den Parkplatz.“

Joachim Arnold

Musik & Theater Saar

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FOTO: ROLF RUPPENTHAL Joachim Arnold, Chef des Merziger Zeltpalast­es, will Künstlern eine neue Bühne bieten.
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FOTO: JAN WOITAS/DPA Nicht nur Filme, wie hier in Chemnitz, auch Live-Auftritte lassen sich ins Auto übertragen. In Merzig soll das erste „Autokino plus“starten.

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