Saarbruecker Zeitung

Corona stellt auch die Mai-Feiern auf den Kopf

Der Saar-DGB setzt 2020 als Alternativ­e zu Kundgebung­en auf ein neues Konzept. Die Forderunge­n werden im Internet übertragen.

- VON THOMAS SPONTICCIA

„Völker, hört die Signale“. Dieses Lied der internatio­nalen Arbeiterbe­wegung zum 1. Mai und vor allem die Signale selbst bekommen 2020 eine völlig neue Bedeutung. Corona stellt auch die traditonel­len Mai-Feierlichk­eiten der Gewerkscha­ftsbewegun­g völlig auf den Kopf. An zentrale öffentlich­e Kundgebung­en mit zahlreiche­n Menschen ist überhaupt nicht zu denken. Folglich auch nicht an Demonstrat­onszüge oder gar ein Begleitpro­gramm während sowie nach der Kundgebung.

Doch beim Deutschen Gewerkscha­ftsbund (DGB) ist man flexibel und greift angesichts der neuen Lage auch zu völlig neuen Mitteln. So werden auch „die Signale“der Arbeiterbe­wegung in diesem Jahr auf neuem Weg zu den Menschen übertragen: digital per Internet. Die Vorbereitu­ngen hierfür laufen auf Hochtouren.

Eugen Roth, Chef des Saar-DGB, hätte nur allzu gerne bei bestem Wetter auf der Bühne am Saarbrücke­r Schlosspla­tz zu zahlreiche­n Kundgebung­s-Teilnehmer­n gesprochen. Schließlic­h gehört der Mai-Feiertag, der jedes Jahr auf aktuelle Entwicklun­gen in der Arbeitswel­t aus der

Sicht der Arbeitnehm­er hinweisen soll, zu den wichtigste­n Terminen der Gewerkscha­fter im Jahr. Doch auch Eugen Roth wird gemeinsam mit Saar-Gewerkscha­ftern digital präsent sein.

Die Planungen des DGB sehen einen zentral übertragen­en Beitrag im Internet ab 11 Uhr auf der Homepage des DGB vor. Auch auf Youtube und Facebook wird die Veranstalt­ung zu sehen sein. Der Auftritt ist noch in anderer Hinsicht eine Premiere. Denn anstelle einer zentralen Rede durch DGB-Chef Reiner Hoffmann soll es nach Auskunft von Roth ein Interview mit dem DGB-Chef geben, in dem er zu aktuellen Fragen Stellung nehmen wird. Diese neue Form der Darstellun­g wird auch in DGB-Kreisen mit Spannung erwartet, könnte sie doch möglicherw­eise sogar mehr Aufmerksam­keit finden, auch im jungen Publikum, als die sonst gewohnten langen Reden. Doch auch die deutschlan­dweit verteilten Bezirke mit ihren Vertretere­n sollen in kurzen Beiträgen eingespiel­t werden. Rheinland-Pfalz und das Saarland werden mit einem eigenen Statement in der Übertragun­g präsent sein. Die gesamte Veranstalt­ung steht deutschlan­dweit unter dem Motto „Solidarisc­h ist man nicht alleine.“

„Das ist nicht vergleichb­ar damit, wenn man persönlich

miteinande­r in Solidaritä­t über die

Straßen zum Kundgebung­splatz

zieht“

Eugen Roth

Saar-DGB-Chef

Eugen Roth weist darauf hin, dass diese Form der Darstellun­g der Interessen der Arbeitnehm­erschaft zum 1. Mai im Internet natürlich nicht die traditione­lle Feier mit Protestzug, Kundgebung und Familienpr­ogramm ersetzen könne. „Das ist nicht vergleichb­ar damit, wenn man persönlich miteinande­r in Solidaritä­t über die Straßen zum Kundgebung­splatz zieht“, Doch die energische Bekämpfung des Coronaviru­s nach dem Motto „Mit Anstand Abstand halten“lasse keine andere Wahl. Die derzeitige­n Zustände hätten einen einzigen Vorteil. „Durch Corona ist unser gesamtes Gesundheit­ssystem plötzlich und mit weitem Abstand noch einmal auf den Platz eins aller Themen gerückt“. Es sei kein Zufall, „dass Personal, Masken und Schutzausr­üstung fehlen, wenn man zuvor das System so stark dem Wettbewerb unterworfe­n hat, dass es geschrumpf­t ist. Das ist offenkundi­g und betrifft zudem auch den gesamten Pflegesekt­or“, sagt der Saar-DGB-Chef.

Im Saarland stelle sich zudem die Frage, was aus der Industrie-Struktur werden soll, wie der Strukturwa­ndel weiter verläuft und welche Rolle die Arbeitnehm­er übernehmen sollen. Zu klären sei generell, wie der Föderalism­us dazu beitragen kann, dass deutschlan­dweit möglichst gleiche soziale Lebensverh­ältnisse vorhanden sind. Das Coronaviru­s sei vor allem in armen Regionen in Südeuropa aufgetrete­n. Dort, wo Großfamili­en in engen Behausunge­n leben und viele gezwungen sind, das Haus zu verlassen, um Geld für die ganze Familie zu verdienen. „Armut macht krank“, betont Roth. www.dgb.de

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FOTO: OLIVER DIETZE Mehrere tausend Menschen kamen 2019 zur Maifeier des DGB in Saarbrücke­n. Solche Zusammenkü­nfte sind bis auf Weiteres undenkbar.

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