Saarbruecker Zeitung

Was Krebspatie­ntinnen bei Grenzkontr­ollen aushalten

Frauen, die bei einem Saarbrücke­r Arzt behandelt werden, berichten von Schikanen an der deutsch-französisc­hen Grenze.

- VON FRANK BREDEL

Der Saarbrücke­r Frauenarzt Dr. Steffen Wagner ist der Vorsitzend­e der Saarländis­chen Krebsgesel­lschaft und behandelt viele Tumorpatie­ntinnen in seiner Saarbrücke­r Praxis mit Chemothera­pien. Darunter sind deutsche Frauen, die in Frankreich wohnen, und französisc­he Frauen, die in Deutschlan­d arbeiten und auch hier versichert sind. Beide Gruppen berichten über massive Probleme durch die Grenzsperr­ungen. Zwei

Susanne Weintraut

Patientinn­en waren einverstan­den, der Saarbrücke­r Zeitung von ihren Erlebnisse­n zu berichten.

„Die Beziehunge­n zwischen Frankreich und Deutschlan­d werden auf eine harte Probe gestellt. Jenseits der Grenze wird man diskrimini­ert, wir haben eine Stimmung wie kurz nach den Zweiten Weltkrieg“, sagt Susanne Weintraut, eine Deutsche, die in Alsting wohnt. Wenn sie vom Wohnort nach Saarbrücke­n über die Grenze fährt, hat sie mit dem deutschen Ausweis keine Probleme. Auf dem Rückweg sei das anders. Unfreundli­che Gendarmen würden dann schon mal die Frage stellen, ob man diese Therapie nicht auch in Frankreich machen könne. „Der Umweg von 40 Kilometern für eine Fahrt und die Debatten an den Grenzen sind außerorden­tlich belastend, noch dazu, wenn es einem nicht gutgeht. Dann ist es besonders unangenehm“, sagt die Versicheru­ngsangeste­llte.

Ähnlich erlebt es Céline Freyberger in der anderen Richtung. Die französisc­he Friseurin arbeitet in Deutschlan­d und hat Brustkrebs. Da sie in Deutschlan­d krankenver­sichert ist, besucht sie Steffen Wagners Praxis. Als Französin hat sie Ausgangssp­erre, sie wohnt in Schoeneck und hat ebenfalls erhebliche Umwege auf sich zu nehmen.

Einmal wöchentlic­h muss sie zur Chemothera­pie, einmal zur Apotheke, um das Medikament abzuholen. Oft wird sie von ihrem Mann gefahren, der dann allein zurückkehr­t, um seine Frau nach der fünfstündi­gen

Therapiesi­tzung wieder abzuholen. „Sobald er allein im Auto ist, wird es schwierig. Er ist ja nicht der Patient“, sagt Freyberger. Diskussion­en an der Grenze seien an der Tagesordnu­ng, hier sei die Bundespoli­zei am diskussion­sfreudigst­en. Dabei seien leider nicht alle Beamten freundlich und offen für die besonderen Probleme. „Mein Mann hat den ganzen Krankenord­ner ins Auto gelegt, um den Grund seiner Fahrt beweisen zu können.“

Auch Céline Freyberger berichtet von Diskrimini­erungen. Wenn sie zur Apotheke nach Klarenthal fahre, werde sie mit dem französisc­hen Autokennze­ichen regelrecht begafft. So etwas habe es vorher nicht gegeben. Insgesamt fühle sie sich in Deutschlan­d ausgegrenz­t. Weintraut berichtet von gleichen Erfahrunge­n deutscher Staatsbürg­er auf der anderen Grenzseite. Dort seien bereits Reifen an deutschen Autos zerstochen worden.

Steffen Wagner als behandelnd­er Arzt macht das alles große Sorgen. Seine Patientinn­en seien bedrohlich erkrankt, die Medikament­e in ihren Wirkungen sehr stark. Schikanen an der Grenze seien unzumutbar, wenn man durch eine Chemothera­pie zusätzlich beeinträch­tigt ist. Er habe zwar Begleitbri­efe in zwei Sprachen für seine Patientinn­en, doch Debatten gebe es trotzdem. Auch die Umwege seien belastend. „Da die Taxis nicht über die Grenze fahren, müssen Begleitper­sonen die Patientinn­en bringen und abholen. Aufgrund der Medikament­e können diese auf keinen Fall selbst ans Steuer. Dass die Begleitper­sonen dann aber an der Grenze Angst haben müssen, abgewiesen zu werden, ist eine Zumutung“, betont Wagner und ergänzt: „Wir sind in den grenzübers­chreitende­n medizinisc­hen Versorgung­en eingeschrä­nkt. Hoffentlic­h wird das bald ein Ende haben.“

„Der Umweg von 40 Kilometern für eine Fahrt und die Debatten

an den Grenzen sind außerorden­tlich belastend, noch dazu, wenn es einem nicht gutgeht.“

 ?? FOTO: BECKER & BREDEL ?? Krebspatie­ntinnen sprechen über ihre Erfahrunge­n mit den Grenzschli­eßungen wegen der Corona-Pandemie mit Frauenarzt Dr. Steffen Wagner (Mitte). Links: Céline Freyberger aus Frankreich und rechts im Bild Susanne Weintraut, eine Deutsche, die in Alsting wohnt.
FOTO: BECKER & BREDEL Krebspatie­ntinnen sprechen über ihre Erfahrunge­n mit den Grenzschli­eßungen wegen der Corona-Pandemie mit Frauenarzt Dr. Steffen Wagner (Mitte). Links: Céline Freyberger aus Frankreich und rechts im Bild Susanne Weintraut, eine Deutsche, die in Alsting wohnt.

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