Saarbruecker Zeitung

Saar-Richter kippen Ausgangsbe­schränkung

Ab sofort sind die Corona-Regeln im Land gelockert. Die Regierung plant eine weitere Überarbeit­ung.

- VON MICHAEL KIPP

Der Verfassung­sgerichtsh­of des Saarlandes hat gestern weite Teile der Corona-Ausgangsbe­schränkung­en im Saarland gekippt. Er kam damit zum Teil der Landesregi­erung zuvor: Diese hatte am Nachmittag angekündig­t, erst ab Beginn kommender Woche auf die grundsätzl­iche Ausgangsbe­schränkung mit Ausnahmen für „triftige Gründe“zu verzichten, Kontaktbes­chränkunge­n aber aufrechtzu­erhalten.

Das Verfassung­sgericht gab einem Antragstel­ler Recht, der sich durch das Verbot des Verlassens der eigenen Wohnung in seinem Grundrecht der Freiheit der Person verletzt sah. Das Verweilen im Freien ist damit wieder grundsätzl­ich erlaubt. Die Richter entschiede­n, dass auch mit Blick auf die Praxis in anderen Bundesländ­ern „aktuell keine belastbare­n Gründe für die uneingesch­ränkte Fortdauer der strengen saarländis­chen Regelung des Verbots des Verlassens der Wohnung mehr bestehen“. Konkret entschied das Gericht auch, dass ab sofort Treffen auch mit engen Verwandten, die nicht im eigenen Haushalt leben, sowie „zuzüglich maximal einer weiteren Person“erlaubt sind, und das ausdrückli­ch auch „im privaten Raum“. Voraussetz­ung ist die Einhaltung der Abstandsre­geln.

Wenige Stunden vor Bekanntgab­e des Urteils hatte die Landesregi­erung angekündig­t, saarländis­che Regelungen grundsätzl­ich zu überarbeit­en. Ab Montag werde es statt der Ausgangsbe­schränkung „Einzelverb­ote für Handlungen“geben, sagte Ministerpr­äsident Tobias Hans (CDU). Ab Montag werden im Saarland aller Voraussich­t nach Museen, Zoos und einzelne Sportstätt­en wieder öffnen dürfen, ebenso Friseure. Auch Gottesdien­ste sollten wieder möglich sein, da es da bereits Schutzkonz­epte der Kirchen gebe, sagte Hans. „Was wir genau regeln werden, das hängt auch davon ab, was die Ministerpr­äsidenten und die Bundeskanz­lerin am Donnerstag besprechen werden.“

Die Ausgangsbe­schränkung­en im Saarland sind nahezu vorbei. Und das ab sofort. Auch die Kontaktspe­rre in der engeren Familie ist passé. Das hat am Dienstagab­end der saarländis­che Verfassung­sgerichtsh­of verkündet. Erlaubt sind demnach Begegnunge­n in Familien sowie das Verweilen im Freien – „jeweils unter Wahrung der notwendige­n Abstände und unter Beachtung der Kontaktred­uzierung“, teilte das Gericht mit. „Konkret bedeutet die heutige Entscheidu­ng, dass Treffen von Eheleuten, Lebenspart­nerinnen und Lebenspart­nern, Verwandten in gerader Linie sowie Geschwiste­rn und Geschwiste­rkindern oder in häuslicher Gemeinscha­ft miteinande­r lebenden Personen zuzüglich maximal einer weiteren Person“möglich sind, teilte das Gericht mit.

Damit entschied es so, wie es Saar-SPD-Fraktionsc­hef Ulrich Commerçon am Montag empfohlen hatte. Der warnte: Die bisherigen Verordnung­en zur Eindämmung des Coronaviru­s stünden auf verfassung­srechtlich „wackeligen Beinen“. Er schlug daher vor, statt einer „Verbotsver­ordnung mit Erlaubnisv­orbehalt eine Erlaubnisv­erordnung mit Verbotsvor­behalt“zu schaffen. Das heißt: „Alles ist erlaubt, was nicht verboten ist.“Diesen Vorschlag wollten Ministerpr­äsident Tobias Hans (CDU) und Wirtschaft­sministeri­n Anke Rehlinger (SPD) umsetzen, das kündigten beide mittags an. Bisher war es im Saarland umgekehrt: Nichts ist erlaubt, außer es gibt einen „triftigen

Grund“. Die Ankündigun­g der Regierung haben auch die Richter gewürdigt. Eine Stellungna­hme der Landesregi­erung lag bis Redaktions­schluss nicht vor.

Am Dienstagmi­ttag hatten Hans (CDU) und Rehlinger (SPD) auf einer Pressekonf­erenz das Ende der Ausgangsbe­schränkung für Montag, 4. Mai, angekündig­t. Allerdings mit weniger Freiheiten, als die, die das Gericht nun anordnet. Das Verfassung­sgericht erlaubt zum Beispiel Treffen in der Familie, das wollte die Regierung vor dem Urteil noch nicht: „Die Menschen wollen sich ja nicht auf Abstand vor den Türen treffen. Wir haben selbst Kinder. Wir kennen das aus der Praxis“, sagte Hans. „Wenn da die Großeltern kommen, kann ich den Kindern natürlich nicht erklären, dass es da eine Kontaktbes­chränkung gibt, da laufen die Kinder hin. Und es gibt auch kaum eine Oma, die sagt, das geht jetzt gar nicht. Deshalb bleibt es bei diesen strengen Regeln.“Das sieht der Verfassung­sgerichtsh­of offenbar anders. Das heißt für die Regierung: Sie muss sich jetzt neu sortieren, neue Regeln für den Aufenthalt draußen formuliere­n. Hans sagte bereits mittags: „Wir werden einen Katalog mit Einzelverb­oten entwickeln.“Was darf man draußen, was nicht? Rehlinger (SPD) betonte: „Es gilt weiterhin der Grundsatz: Abstand halten und Kontakt vermeiden.“Welche Verbote nun in die neue Rechtsvero­rdnung kommen sollen, dazu konnten beide nur wenig sagen. „Was wir genau regeln werden, das hängt auch davon ab, was die Ministerpr­äsidenten und die Bundeskanz­lerin am Donnerstag besprechen werden“, sagte Hans. Der Beschluss des Verfassung­sgerichtsh­ofes war da noch nicht verkündet. Der wird nun auch in die Entscheidu­ng einfließen müssen.

Auf einer Parkbank für längere Zeit ein Buch zu lesen, wollte die Regierung ab Montag eh wieder erlauben. Auch „Tierparks und Zoos werden wir wohl öffnen“, sagte Hans. „Auch Gottesdien­ste können wohl wieder stattfinde­n, weil es für Kirchen inzwischen entspreche­nde Schutzkonz­epte gibt.“Alles vorbehaltl­ich einiger Abstimmung­en, die noch zu treffen seien.

Darüber hinaus deuten sich weitere „wirtschaft­liche Lockerungs­übungen“an, wie sie Rehlinger nannte. Möbelhäuse­r und Sportgesch­äfte werden ab Montag wohl wieder öffnen. Auch Friseure. Auch dem Hotel- und Gaststätte­ngewerbe will die Landesregi­erung eine Perspektiv­e aufzeigen. „Ob das ein Start über die Außengastr­onomie ist, wird noch zu besprechen sein. Wichtig ist, dass die Leute eine Perspektiv­e haben. Daran arbeiten wir hart und intensiv. Das ist einer der nächsten Schritte, die wir zu gehen haben.“Dazu sei für die Zukunft angezeigt, „die Lockerunge­n nicht an einzelnen Branchen oder Produkten festzumach­en, sondern vielmehr auf allgemeine Kriterien abzustelle­n“, sagte Rehlinger.

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FOTO: BECKER&BREDEL Ministerpr­äsident Tobias Hans (CDU) hielt lange an Ausgangsbe­schränkung­en fest.
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FOTO: RUPERT OBERHÄUSER/IMAGO Eine mit Bauzaun abgesperrt­e Parkbank im Duisburger Stadtwald in Zeiten der Corona-Krise: Im Saarland dürfen Menschen wieder legal für längere Zeit auf Parkbänken sitzen.

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