Ansteckungsrate liegt weiter unterhalb einer wichtigen Schwelle
(dpa) Das Robert Koch-Institut (RKI) hat zu anhaltender Disziplin in der Corona-Pandemie aufgerufen. Die Menschen sollten sich weiter an die gültigen Regeln halten, betonte RKI-Präsident Lothar Wieler am Dienstag in Berlin. Deutschland habe das Virus anders als andere Länder bisher sehr erfolgreich in Schach halten können. „Wir wollen diesen Erfolg verteidigen“, sagte Wieler. „Wir wollen nicht, dass die Fallzahlen wieder zunehmen.“Das gelte gerade vor dem Hintergrund der ersten Lockerungen.
Laut Lagebericht vom Dienstag schätzte das RKI die Corona-Ansteckungsrate – die Reproduktionszahl (R) – nach einem zwischenzeitlichen Anstieg auf 1 wieder auf 0,9. Der letzte Wert bedeutet, dass im Mittel fast jeder Infizierte eine weitere Person ansteckt. Genauer: Zehn Infizierte stecken im Schnitt neun Menschen an. Bei dem Wert gibt es allerdings große regionale Unterschiede, wie Wieler betonte. Er riet davon ab, bei der Bewertung der Infektionswelle allein auf die Reproduktionszahl zu blicken: Man müsse verschiedene Daten im Gesamtbild sehen. Ob der zwischenzeitliche Anstieg möglicherweise mit mehr Kontakten an den Osterfeiertagen zusammenhängt, könne nicht gesagt werden, sagte der RKI-Chef.
Eine Überforderung des Gesundheitssystems gelte es weiter gemeinsam zu vermeiden, betonte Wieler. Ausgehend von der derzeitigen Situation seien keine Engpässe in Kliniken zu prognostizieren. Voraussetzung sei aber, dass die Zahl der Neuansteckungen niedrig bleibe. Wieler rief die Bürger auf, weiter so weit wie möglich zu Hause zu bleiben, regelmäßig die Hände zu waschen, mindestens eineinhalb Meter Abstand zu halten und, wo das schwer möglich sei, einen NaseMund-Schutz zu tragen.
Wieler betonte angesichts der Debatten um die Reproduktionszahl, es werde nie so sein, dass ein Faktor allein dazu führe, dass man völlig andere Maßnahmen durchführe. R sei gewiss ein wichtiger Faktor, man wolle ihn unter 1 halten. Je niedriger der Wert, desto sicherer könne man sich fühlen. Weitere zu berücksichtigende Kennzahlen seien aber auch die täglich gemeldeten Neuinfektionen, die Kapazitäten im Gesundheitssystem und die Testkapazitäten.
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte im Zuge der Ankündigung erster Lockerungen bei Corona-Maßnahmen deutlich gemacht, dass schon kleine Änderungen der Reproduktionszahl erhebliche Folgen haben können. Virologe Christian Drosten hatte im NDR-Podcast gewarnt: Wenn die Reproduktionszahl nach Lockerung der Maßnahmen wieder über 1 kommen sollte, könne die Epidemietätigkeit in nicht erwarteter Wucht wieder losgehen.