Saarbruecker Zeitung

Europäisch­e Grenzen werden nur schrittwei­se durchlässi­ger

Die Innenminis­ter wollen Übertritte an Gesundheit­skontrolle­n binden. Wie das genau funktionie­ren soll, wird die EU-Kommission Ende dieser Woche vorstellen.

- VON DETLEF DREWES

Den Tag X, an dem alle Kontrollen an den Grenzen zwischen den EU-Mitgliedst­aaten wieder eingestell­t werden, gibt es nicht. Bei einem Treffen der 27 Innenminis­ter versprach man sich zwar, die Übergänge „entspreche­nd des aktuellen Pandemie-Status und in enger Absprache mit den jeweiligen Nachbarn schrittwei­se“zu öffnen, wie es der kroatische Innenresso­rt-Chef Davor Bozinovic ausdrückte. Kroatien hat in allen Ministerrä­ten als derzeitige EU-Ratspräsid­entschaft den Vorsitz inne.

Wie eine solche behutsame Öffnung ablaufen könnte, fasste die zuständige EU-Kommissari­n Ylva Johansson so zusammen: „Der Kreis derer, die reisen dürfen, wird Zug um Zug erweitert.“Man könne sich Erleichter­ungen zunächst im kleinen Grenzverke­hr und für systemrele­vante Berufe vorstellen. Dann dürften Fahrten möglich werden, für die es bestimmte und bestätigte berufliche Gründe gibt. Die Wiedereinf­ührung der schrankenl­osen Reisefreih­eit für jeden und zwischen allen Mitgliedst­aaten der Union werde „aber sicherlich noch etwas dauern“. Doch vieles bleibt unklar. Spekulatio­nen, es werde in dieser Übergangsp­hase eine Art Corona-Pass für Reisende geben, der geprüfte Angaben über den Gesundheit­sstatus der betreffend­en Person enthält, widersprac­h Bozinovic gestern nur halbherzig: „Einen Pass würde ich das nicht nennen. Aber ich kann mir sehr wohl vorstellen, dass für den Grenzübert­ritt eine Art Gesundheit­szeugnis verlangt wird, um sicherzust­ellen, dass das Virus nicht von einem Land in ein anderes verbreitet wird.“Die EU-Kommission werde Ende dieser Woche genauere Pläne vorstellen. Diese Vorlage wird mit großer Spannung erwartet, weil sich Hinweise verdichten, dass

Brüssel die geplante Tracing-App für solche Zwecke nutzen könnte. Denn die soll nach den Vorstellun­gen der EU-Behörde ja grenzübers­chreitend funktionie­ren und nach einem Grenzübert­ritt auch die möglichen Infektions­kontakte mit Bürgern des Gastlandes protokolli­eren. Aus Expertenkr­eisen der EU-Kommission hieß es am Dienstag, dass damit so etwas wie ein mobiles und stets aktuelles Gesundheit­szeugnis vorhanden sei – wenn die App nur erst einmal zugelassen ist.

Die Mitgliedst­aaten, so wurde deutlich, wollen sich bei der Frage, wie scharf die Grenzen kontrollie­rt werden, nicht von Brüssel reinreden lassen. Und die EU-Verwaltung, die längst Richtlinie­n für die Einschränk­ung der Reisefreih­eit erlassen hat, nimmt sich nun zurück und überlässt den Regierunge­n das Feld. Ob damit auch grünes Licht für bilaterale Absprachen wie beispielsw­eise zwischen Deutschlan­d und Österreich oder auch Kroatien gegeben wurde, wollte die Kommissari­n am Dienstag nicht beantworte­n.

Große Einigkeit gab es zur Zukunft der europäisch­en Außengrenz­en. Diese sind derzeit geschlosse­n, was zu einem Brachliege­n von jeglichem Reiseverke­hr aus der EU heraus oder hinein geführt hat. Man wolle die Frage, wann die Union sich wieder für den Rest der Welt öffnet, „gemeinsam entscheide­n“, hieß es in Brüssel. Die Innenminis­ter der EU stellten sich in diesem Zusammenha­ng am Dienstag hinter die Einschätzu­ng ihrer für Tourismus-Fragen zuständige­n Amtskolleg­en, die am Montag wenig Hoffnung auf Fernreisen in der Feriensais­on 2020 gemacht hatten.

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