Nächste Runde im Streit um Mindestlohn
Die Kommission verhandelt am heutigen Mittwoch über eine weitere Anpassung der Lohnuntergrenze ab dem Jahr 2021.
Am heutigen Mittwoch kommt die Mindestlohnkommission aus Spitzenvertretern von Arbeitgebern und Gewerkschaften per Telefonschalte zusammen, um über eine weitere Anpassung der Lohnuntergrenze ab dem Jahr 2021 zu beraten. Eine Entscheidung wird noch nicht erwartet. Wegen der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise liegen beide Seiten diesmal besonders weit auseinander.
Als der Mindestlohn vor fünf Jahren eingeführt wurde – damals 8,50 Euro brutto pro Arbeitsstunde – überboten sich manche Ökonomen mit Untergangszenarien. Allen voran das Münchener Ifo-Institut, das bis zu 900 000 Jobs in Deutschland gefährdet sah. Dank guter Konjunktur erwiesen sich solche Befürchtungen
jedoch als haltlos. Auch die folgenden Erhöhungen konnten der robusten wirtschaftlichen Verfassung Deutschlands nichts anhaben. Anfang 2017 stieg der Mindestlohn auf 8,84 Euro. Im Jahr darauf einigte sich die Kommission auf eine zweistufige Anpassung: Anfang 2019 wuchs die Lohnuntergrenze auf 9,19 Euro, seit Jahresbeginn sind es 9,35 Euro.
Maßstab für die Anhebungen sind laut Mindestlohngesetz die jeweils vorherigen Tarifabschlüsse. Damit soll sichergestellt werden, dass der Mindestlohn die allgemeine Lohnentwicklung nachzeichnet anstatt diese selbst zu bestimmen. Durch die zum Teil deutlichen Lohnsteigerungen im vergangenen Jahr könnte jetzt deshalb abermals eine spürbare Anhebung der Lohnuntergrenze winken. Doch das sieht die Arbeitgeberseite angesichts der neuen Lage mit Grausen, derweil das Arbeitnehmerlager sogar noch draufsatteln will. Das machten Kommissionsmitglieder auf Anfrage unserer Redaktion klar.
Der Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbandes BDA, Steffen
Kampeter, mahnte zur Zurückhaltung: „Die Auswirkungen der Corona-Pandemie treffen vor allem kleine und Kleinstbetriebe besonders hart, weshalb die zurückliegende, konjunkturbedingt gute Tariflohnentwicklung nicht alleiniger Maßstab sein kann“. In einer derartigen einmaligen Wirtschaftskrise sei die Mindestlohnanhebung mit einer großen Verantwortung verbunden.
Dem hielt DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell entgegen: „Wir brauchen einen außerordentlichen Sprung, denn nur eine Stärkung des Konsums kann dafür sorgen, dass die Wirtschaft wieder auf Touren kommt“. Aus seiner Sicht wäre es „ein fatales Signal, gerade bei den Leuten zu sparen, deren Einkommen praktisch Eins zu Eins in den Konsum geht“, so der Gewerkschafter.
Schon vor Ausbruch der Virus-Pandemie hatte der DGB darauf gepocht, den Mindestlohn „armutsfest“zu machen. „Nach einhelliger Auffassung der Wissenschaft sind 60 Prozent vom mittleren Lohn dafür der Maßstab. Das sind aktuell zwölf Euro“, rechnete er vor. „Würde man nur die nachlaufende Tarifentwicklung zugrunde legen, dann wäre dieser Wert erst 2030 erreicht. Das geht nicht“, so Körzell. Nötig sei „ein Fahrplan, in welchen Schritten wir die zwölf Euro erreichen“.
Davon will man im Arbeitgeberlager gar nichts wissen. „Wer in diesen Zeiten von einer Mindestlohnanhebung auf zwölf Euro spricht – einer Steigerung von über 28 Prozent –, der denkt an vieles, aber nicht an die Beschäftigten und daran, ihre Arbeitsplätze zu sichern“, kritisierte Kampeter.
Falls beide Seiten nicht unter einen Hut kommen, könnte die Bundesregierung den Mindestlohn theoretisch im Alleingang anheben. Dann würde der Streit wohl zwischen Union und SPD ausgetragen. Bis spätestens Ende Juni muss die Kommission ein Ergebnis vorlegen.
Eine Entscheidung wird
noch nicht erwartet.