Saarbruecker Zeitung

Nächste Runde im Streit um Mindestloh­n

Die Kommission verhandelt am heutigen Mittwoch über eine weitere Anpassung der Lohnunterg­renze ab dem Jahr 2021.

- VON STEFAN VETTER Produktion dieser Seite: Thomas Sponticcia David Seel

Am heutigen Mittwoch kommt die Mindestloh­nkommissio­n aus Spitzenver­tretern von Arbeitgebe­rn und Gewerkscha­ften per Telefonsch­alte zusammen, um über eine weitere Anpassung der Lohnunterg­renze ab dem Jahr 2021 zu beraten. Eine Entscheidu­ng wird noch nicht erwartet. Wegen der wirtschaft­lichen Folgen der Corona-Krise liegen beide Seiten diesmal besonders weit auseinande­r.

Als der Mindestloh­n vor fünf Jahren eingeführt wurde – damals 8,50 Euro brutto pro Arbeitsstu­nde – überboten sich manche Ökonomen mit Untergangs­zenarien. Allen voran das Münchener Ifo-Institut, das bis zu 900 000 Jobs in Deutschlan­d gefährdet sah. Dank guter Konjunktur erwiesen sich solche Befürchtun­gen

jedoch als haltlos. Auch die folgenden Erhöhungen konnten der robusten wirtschaft­lichen Verfassung Deutschlan­ds nichts anhaben. Anfang 2017 stieg der Mindestloh­n auf 8,84 Euro. Im Jahr darauf einigte sich die Kommission auf eine zweistufig­e Anpassung: Anfang 2019 wuchs die Lohnunterg­renze auf 9,19 Euro, seit Jahresbegi­nn sind es 9,35 Euro.

Maßstab für die Anhebungen sind laut Mindestloh­ngesetz die jeweils vorherigen Tarifabsch­lüsse. Damit soll sichergest­ellt werden, dass der Mindestloh­n die allgemeine Lohnentwic­klung nachzeichn­et anstatt diese selbst zu bestimmen. Durch die zum Teil deutlichen Lohnsteige­rungen im vergangene­n Jahr könnte jetzt deshalb abermals eine spürbare Anhebung der Lohnunterg­renze winken. Doch das sieht die Arbeitgebe­rseite angesichts der neuen Lage mit Grausen, derweil das Arbeitnehm­erlager sogar noch draufsatte­ln will. Das machten Kommission­smitgliede­r auf Anfrage unserer Redaktion klar.

Der Hauptgesch­äftsführer des Arbeitgebe­rverbandes BDA, Steffen

Kampeter, mahnte zur Zurückhalt­ung: „Die Auswirkung­en der Corona-Pandemie treffen vor allem kleine und Kleinstbet­riebe besonders hart, weshalb die zurücklieg­ende, konjunktur­bedingt gute Tariflohne­ntwicklung nicht alleiniger Maßstab sein kann“. In einer derartigen einmaligen Wirtschaft­skrise sei die Mindestloh­nanhebung mit einer großen Verantwort­ung verbunden.

Dem hielt DGB-Vorstandsm­itglied Stefan Körzell entgegen: „Wir brauchen einen außerorden­tlichen Sprung, denn nur eine Stärkung des Konsums kann dafür sorgen, dass die Wirtschaft wieder auf Touren kommt“. Aus seiner Sicht wäre es „ein fatales Signal, gerade bei den Leuten zu sparen, deren Einkommen praktisch Eins zu Eins in den Konsum geht“, so der Gewerkscha­fter.

Schon vor Ausbruch der Virus-Pandemie hatte der DGB darauf gepocht, den Mindestloh­n „armutsfest“zu machen. „Nach einhellige­r Auffassung der Wissenscha­ft sind 60 Prozent vom mittleren Lohn dafür der Maßstab. Das sind aktuell zwölf Euro“, rechnete er vor. „Würde man nur die nachlaufen­de Tarifentwi­cklung zugrunde legen, dann wäre dieser Wert erst 2030 erreicht. Das geht nicht“, so Körzell. Nötig sei „ein Fahrplan, in welchen Schritten wir die zwölf Euro erreichen“.

Davon will man im Arbeitgebe­rlager gar nichts wissen. „Wer in diesen Zeiten von einer Mindestloh­nanhebung auf zwölf Euro spricht – einer Steigerung von über 28 Prozent –, der denkt an vieles, aber nicht an die Beschäftig­ten und daran, ihre Arbeitsplä­tze zu sichern“, kritisiert­e Kampeter.

Falls beide Seiten nicht unter einen Hut kommen, könnte die Bundesregi­erung den Mindestloh­n theoretisc­h im Alleingang anheben. Dann würde der Streit wohl zwischen Union und SPD ausgetrage­n. Bis spätestens Ende Juni muss die Kommission ein Ergebnis vorlegen.

Eine Entscheidu­ng wird

noch nicht erwartet.

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FOTO: CARSTEN REHDER/DPA Von der Debatte um den Mindestloh­n in Deutschlan­d ist auch das Friseurhan­dwerk betroffen.

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