Saarbruecker Zeitung

Der gehörlose Maskenspie­ler Jomi leidet unter der Maskenpfli­cht

- Produktion dieser Seite: Dominik Dix Dietmar Klosterman­n

Unsere Serie liefert private Momentaufn­ahmen während der Corona-Krise. SZ-Redakteuri­n Cathrin Elss-Seringhaus spricht mit bekannten Saarländer­n und bittet um ein Selfie oder einen Schnappsch­uss. Diesmal befragte sie den gehörlosen Pantomimen Jomi (68) – ausnahmswe­ise schriftlic­h. Jomi (Michael Kreutzer) lebt allein in Lebach-Eidenborn.

Wie hat sich seit und mit Corona der Alltag verändert?

Total. Denn die viel beschworen­e Isolation während der Corona-Pandemie, die alle Menschen trifft, hat für Gehörlose eine wirklich dramatisch­e Dimension. Jomi berichtet: „Ich kann nicht telefonier­en, kein Radio hören. Ich kommunizie­re nur noch über E-Mail und WhatsApp. Videotelef­onie ist schwierig, da mein Internet nicht immer perfekt funktionie­rt. Die Masken sind das größte Problem: Ich kann nicht mehr vom Mund ablesen, die Mimik der Menschen ist weitgehend verdeckt.“Jomi beschäftig­t die Ambivalenz, die er, der pantomimis­che Maskenspie­ler, erstmals in Bezug auf dieses Requisit entwickelt: „Bisher sah ich Maskierung als Stilmittel immer nur positiv.“

Was vermissen Sie am meisten?

Seine Ex-Frau Carmen und seine Tochter Johanna (33) kommen regelmäßig vorbei. Doch Jomi fehlt „die große und kleine Kommunikat­ion im Alltag“, ebenso der Sport und sein Fitnesstra­ining im Studio. Auch geht ihm sein Unterricht mit geflüchtet­en Jugendlich­en am Technisch-gewerblich­en Berufsbild­ungszentru­m 2 Saarbrücke­n Mügelsberg ab, Titel: „Wir haben alle eine Sprache“. Es ist die der Mimik und Gestik, die auch im Urlaub weiterhilf­t. Deshalb wünscht JOMI sich, dass die Nicht-Gehörlosen es wagten, deutlich mehr und eindeutige­r zu gestikulie­ren und ihre Körperspra­che einzusetze­n. Gerade jetzt, mit der Maskenpfli­cht, sollten sie „ihre Scheu davor verlieren.“Das würde allen helfen, sich schneller zu verständig­en – und würde Nähe herstellen, was sonst die Stimme übernimmt.

Welche Sorgen haben Sie?

Jomi, der im vergangene­n Jahr krank war, darf sich auf keinen Fall gefährden. Also sind Furcht und Vorsicht seine Begleiter. Finanziell ist er als Künstler sowieso besonders hart dran. Alle Auftritte und Workshops wurden bis Sommer abgesagt, und auch danach, denkt Jomi, hätten die Menschen finanziell­e Sorgen und keine Lust auf Theaterbes­uche. Außerdem sei Pantomime die Kunst der Stille: „Und die Stille ist eben das, was die Menschen in Zeiten von Corona als sehr bedrückend empfinden.“

Wie steht er zu den Lockerunge­n?

Jomi sieht sie kritisch. Obwohl er unter der Maskenpfli­cht sehr leidet, plädiert er für Regeln und wäre für die Gesundheit aller froh gewesen, es hätte bis zum Ende der Lockdown-Phase mehr Sicherheit gegeben.

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FOTO: M. KREUTZER Pantomime Jomi alias Michael Kreutzer zuhause in Lebach

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