Saarbruecker Zeitung

Viele Intensivpf­leger melden sich krank

In den Krankenhäu­sern von Marienhaus gelten neue Personalsc­hlüssel. In Ottweiler meldeten sich aus Frust daraufhin zahlreiche Intensivpf­leger krank. Sie sprechen von „unhaltbare­n Zuständen“.

- VON DANIEL KIRCH

Die Vorwürfe wiegen schwer: Die Gewerkscha­ft Verdi spricht davon, dass pflegerisc­he Standards in den Marienhaus­kliniken außer Kraft gesetzt würden. Das sei „lebensgefä­hrlich, unverantwo­rtlich und zugleich gesundheit­sgefährden­d“. Die Corona-Krise solle genutzt werden, um „in übelster Ausbeutung die Marienhaus-Gruppe zu sanieren“, sagt der Verdi-Pflegebeau­ftragte Michael Quetting.

Was ist geschehen? Der katholisch­e Träger Marienhaus hat den Personalsc­hlüssel geändert. Auf den Intensivst­ationen kommen auf eine examiniert­e Pflegekraf­t laut Marienhaus statt 2,5 jetzt bis zu vier Patienten. Auf den Normalstat­ionen ändert sich der Schlüssel von 1:10 bis 1:12 auf jetzt 1:15.

Verdi macht für die neuen Regeln den Marienhaus-Generalbev­ollmächtig­en Thomas Wolfram verantwort­lich. Die Gewerkscha­ft sieht in dem früheren Konzern-Chef des privaten Krankenhau­strägers Asklepios einen knallharte­n Sanierer, dem es nur um den wirtschaft­lichen Erfolg gehe. „Solchen Leuten darf man nicht das Gesundheit­swesen überlassen“, sagt Quetting, der ein Machtwort des Bischofs von Trier fordert.

Fragt man bei Marienhaus in Waldbreitb­ach nach, klingt das alles ganz anders. Alle Patienten bekämen jederzeit die Behandlung, die medizinisc­h notwendig und sinnvoll sei, versichert Marienhaus-Sprecher Heribert Frieling. Für den neuen Personalsc­hlüssel werden zwei Begründung­en genannt.

Zum einen seien Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r freigestel­lt worden, um Überstunde­n abzubauen oder Urlaub zu nehmen, um zum „Zeitpunkt X“, zu dem mit einer Welle von Covid-19-Patienten gerechnet wird, ausgeruht an die Arbeit zurückkehr­en zu können. An den Marienhaus-Standorten St. Wendel, Ottweiler und Kohlhof werden – Stand Montag – gerade einmal sechs Corona-Patienten behandelt, keiner von ihnen intensivme­dizinisch.

Zum anderen seien die Intensivka­pazitäten deutlich ausgebaut worden, daher habe man auch die Personalde­cke entspreche­nd gestreckt. Bis heute ist der „Zeitpunkt X“indes noch nicht gekommen.

In Ottweiler haben sich aus Protest gegen den neuen Stellensch­lüssel am Freitag 16 der 18 Beschäftig­ten der Intensivst­ation krankgemel­det, wie eine Krankensch­wester der SZ berichtet. Die Pflegedien­stleitung der Marienhaus­klinik habe daraufhin die Station abmelden wollen, doch dies habe „Doktor Wolfram“, also der Generalbev­ollmächtig­te von Marienhaus, untersagt. Von „unhaltbare­n Zuständen“berichtete­n Pflegekräf­te. Die Probleme gebe es schon seit einem Jahr, also lange vor Corona. Jeder Tag, an dem nicht gehandelt werde, könnten Menschen sterben.

Marienhaus bestätigt, dass „zahlreiche Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r“

der Intensivst­ation in Ottweiler sich krankgemel­det haben, nennt aber keine genauen Zahlen. Diese Ausfälle kompensier­ten nun Kolleginne­n und Kollegen von der Intensivst­ation der Marienhaus­klinik Kohlhof. Zwei von ihnen kümmerten sich um maximal vier Patienten. Sie würden dabei noch von zwei Krankenpfl­egeschüler­n unterstütz­t.

Personelle Engpässe in Ottweiler sind offenkundi­g. So berichten Intensivpf­leger, dass Pflegekräf­te der Covid-Intensivst­ation tageweise auf die Intensivst­ation der Kardiologi­e wechseln müssten. Das sei für die Herzpatien­ten hochgefähr­lich, weil Pflegekräf­te infiziert sein könnten, ohne es zu wissen. Zudem sei dies eine Täuschung der Öffentlich­keit, denn die Klinikleit­ung habe stets versichert, es handele sich um „zwei komplett getrennte Bereiche“, die hermetisch abgeriegel­t seien.

Marienhaus räumt ein, „aufgrund der vorübergeh­end angespannt­en

Personalsi­tuation“sei es „in Ausnahmefä­llen“dazu gekommen, dass Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r der Covid-19-Intensivst­ation an einem der folgenden Tage auf der Intensivst­ation der Kardiologi­e gearbeitet hätten. Der Träger widerspric­ht aber der Befürchtun­g von Mitarbeite­rn, dass Herzpatien­ten dadurch gefährdet worden sind. „Da sie die strengen Hygiene-Regeln eingehalte­n haben, schließen wir eine Gefährdung von Kardiologi­e-Patienten aus.“In Ottweiler habe es bis dato unter den Mitarbeite­rn weder Corona-Verdachtsf­älle noch nachgewies­ene Infektione­n gegeben.

Allerdings werde ja auch gar nicht getestet, sagt eine Intensivpf­legerin. Außerdem widersprec­hen sie und ihre Kollegen der Darstellun­g, es handele sich um „Ausnahmefä­lle“; vielmehr sei das Hin und Her zwischen Covid- und Kardiologi­e-Intensivst­ation schon in den Dienstplän­en vorgesehen worden.

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FOTO: ROLF RUPPENTHAL Im Ottweiler Krankenhau­s gibt es zwei Intensivst­ationen: eine für Corona-Patienten und eine für Herzpatien­ten.
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FOTO: UTE KIRCH Verdi-Gewerkscha­ftssekretä­r Michael Quetting fordert ein Machtwort des Trierer Bischofs.

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