Saarbruecker Zeitung

Eine Farbe, kostbarer als Gold

„Das Mädchen mit dem Perlenohrr­ing“gilt als Meisterwer­k des holländisc­hen Malers Jan Vermeer. Nun lüften Forscher einige seiner verborgene­n Geheimniss­e.

- VON ANNETTE BIRSCHEL

(dpa) Zarte Wimpern und eine schwebende Perle: Internatio­nale Forscher haben manche Rätsel des weltberühm­ten Gemäldes „Mädchen mit dem Perlenohrr­ing“nach gut 350 Jahren gelüftet. Die bisher größte wissenscha­ftliche Untersuchu­ng des Meisterwer­kes von Johannes Vermeer (1632-1675) brachte neue Erkenntnis­se über den Maler und seine Arbeitswei­se. „Wir sind dem Bild sehr viel näher gekommen als jemals zuvor“, sagte die Direktorin des Den Haager Mauritshui­s, Martine Gosselink, am Dienstag. Das größte Geheimnis aber, nämlich wer das Mädchen auf dem Bild ist, konnten die Forscher nicht lüften. Das bedauerte auch die Direktorin: „Das Mädchen gibt das Geheimnis seiner Identität leider nicht preis, aber wir haben sie sehr viel besser kennen gelernt.“

Das „Mädchen mit dem Perlenohrr­ing“(1665-1667) ist das berühmtest­e Gemälde Vermeers und ein Liebling der Besucher des Mauritshui­s. Die junge Frau mit dem exotischen blauen Turban, der feinen Haut, dem rot schimmernd­en Mund und der matten Perle am Ohr fasziniert Menschen weltweit.

Vor zwei Jahren hatte ein internatio­nales und multidiszi­plinäres Forscherte­am das Gemälde mit den modernsten Scannern und Technologi­en

untersucht, durch alle Farbschich­ten hindurch, Millimeter für Millimeter. Jetzt machte das Museum auf einer virtuellen Pressekonf­erenz die Ergebnisse bekannt. Die letzte große wissenscha­ftliche Untersuchu­ng des Meisterwer­kes zuvor war 1994.

Zu ihrer Überraschu­ng entdeckten die Forscher, dass Vermeer hinter dem Mädchen ursprüngli­ch einen grünen Vorhang gemalt hatte.

Der war im Laufe der Jahrhunder­te verschwund­en, die Farbe verblichen. Mit Hilfe feinster Röntgen-Scanner sahen die Forscher nun auch die zarten Wimpern des Mädchens. Sie sind mit dem menschlich­en Auge nicht mehr zu sehen. Und verblüffen­d: „Die Perle ist nur eine Illusion“, schreiben die Wissenscha­ftler. Der Ohrring schwebt, denn das Häkchen fehlt, mit dem er am Ohr befestigt sein müsste.

Der holländisc­he Maler hatte, so ergaben die Forschunge­n, das Gemälde aus Lagen verschiede­ner Braun- und Schwarz-Töne aufgebaut. Diese liegen unter der heute sichtbaren Farbe. Dann hatte Vermeer die Konturen des Mädchens gezeichnet und im Laufe des Schaffensp­rozesses auch an einigen Stellen leicht korrigiert. Nach dem Hintergrun­d brachte er die schimmernd­e Haut des Gesichts auf die Leinwand, dann malte er die gelbe Jacke, den weißen Kragen, den Turban und den Ohrring. In der Signatur fanden die Forscher sogar noch einige Pinselhaar­e.

Dank der Untersuchu­ng ist nun erstmals auch die Farbpalett­e Vermeers detaillier­t beschriebe­n. „Die Farbstoffe kamen aus der ganzen Welt“, berichtet das Museum. Vermeer benutzte auffällig viel Ultramarin von sehr hoher Qualität für die intensiv blaue Kopfbedeck­ung und Jacke. Es wurde aus dem Stein Lapislazul­i hergestell­t. Das war dem Mauritshui­s zufolge ein so aufwendige­s und teures Verfahren, „dass der Farbstoff im 17. Jahrhunder­t sogar kostbarer war als Gold“.

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FOTO: IMAGO „Die Perle ist nur eine Illusion“: Das Gemälde „Das Mädchen mit dem Perlenohrr­ing“fasziniert nicht nur Wissenscha­ftler bis heute.
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FOTO: DPA Banksy brachte das berühmte, 350 Jahre alte Kunstwerk jüngst in Bristol auf die Höhe der Aktualitiä­t.

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