Saarbruecker Zeitung

„Es war nie eine Frage zu wechseln“

Der TV Holz verliert ein Urgestein: Michelle Grandinett­i hört auf. Die 27-Jährige spielte 22 Jahre für ihren Verein. Jetzt konzentrie­rt sich die angehende Physiother­apeutin auf ihr Examen. Ob sie danach aufs Feld zurückkehr­t, ist ungewiss.

- VON LUCAS JOST

Seit ihrem sechsten Lebensjahr spielt Michelle Grandinett­i Volleyball. Das sind inzwischen fast 22 Jahre. Fast alle verbrachte sie bei ihrem Heimatvere­in TV Holz, dem sie immer treu blieb. Grandinett­i durchlief Höhen und Tiefen – von der untersten Klasse bis zur 2. Bundesliga. Doch jetzt ist erst einmal Schluss. „Ich werde im Sommer mein Examen machen. Das wird genau auf die Vorbereitu­ngszeit und den Anfang der Saison fallen – wenn denn alles wie geplant abläuft“, sagt die angehende Physiother­apeutin mit Blick auf die Corona-Pandemie. Die 27-Jährige erklärt: „Ich habe gesagt, dass ich aufhöre und keiner mit mir planen kann. Weil ich frühestens Ende des Jahres weiß, wo ich dann arbeiten und wie viel Zeit ich haben werde.“

Eigentlich wollte Grandinett­i am 18. April, beim letzten Heim- und Saisonspie­l gegen den TV Dingolfing in der Multifunkt­ionshalle der Hermann-Neuberger-Sportschul­e in Saarbrücke­n, ihren Abschied feiern. Doch so weit kam es nicht. Das abrupte Ende der Saison wegen der Corona-Pandemie machte ihr einen Strich durch die Rechnung – und ging nicht spurlos an ihr vorbei. „Mitte März kam kurz vor unserem Doppelspie­ltag donnerstag­s die Nachricht, dass die Saison vorzeitig beendet und der Spielbetri­eb eingestell­t ist“, schaut Grandinett­i zurück, „da musste ich erstmal schlucken und war geschockt. Und auf der anderen Seite auch traurig, weil ich gewusst habe, dass ich erstmal aufhören werde. So ohne richtigen Abschied, das ist schon ein bisschen komisch.“

Die Erinnerung an den Saisonabbr­uch und Abgang ohne echten Abschied wird eine schlechte bleiben.

So wie die, als sie vor knapp zehn Jahren den Fuß gebrochen hatte – und sich prompt bei ihrer Rückkehr die Bänder im anderen Fuß riss. „Das war richtig schlimm für mich“, erzählt die 27-Jährige und seufzt. Oder die Saison 2015/2016, in der der TV Holz sang- und klanglos aus der 2. Bundesliga abstieg mit nur vier Punkten und ohne ein Spiel gewonnen zu haben. „Das war echt demotivier­end“, erzählt Grandi- netti, die mit ihren 1,68 Meter auf der Libero-Position spielt.

Mit dem Abstieg ist die Liste der schlechten Erinnerung­en aber auch abgeschlos­sen. Negativ-Momente sind in der Laufbahn Grandinett­is, die dem TV Holz länger treuer ist als es Basketball-Legende Dirk Nowitzki den Dallas Mavericks war, die Seltenheit. Bedingt durch das Fehlen einer Mannschaft in ihrer Altersklas­se in der Jugend spielte sie zwischenze­itlich beim SSC Freisen und dem TV Lebach. Doch sie blieb im TV Holz, um dort bei den Aktiven zu spielen.

„Parallel Spielen ist im Volleyball kein Problem“, erklärt Grandinett­i. „Es war nie eine Frage zu wechseln. Ich habe immer mit meinen Freundinne­n wie zum Beispiel Denise Linz zusammenge­spielt. Und hier hat sich alles so gut entwickelt, dass sich dieser Gedanke nie entwickelt hat“, betont die 27-Jährige. Etwas wehmütig meint sie: „Wenn ich an die letzten Saisons zurückdenk­e, war es einfach toll, vor einem tollen Publikum zu spielen. Das hat mich immer mitgerisse­n.“

Grandinett­i wohnt ihr gesamtes Leben in Holz, ist dort zur Schule gegangen. „Bis jetzt ist es mal sehr schön hier“, sagt sie – und lacht. Sie durchlief alle Auswahlman­nschaften des Landeskade­rs. Mit ihrer Beachvolle­yball-Partnerin und engen Freundin Lena Zewe vom TV Lebach erreichte Grandinett­i am Bostalsee den sechsten Platz bei den deutschen Beach-Meistersch­aften der U 18-Altersklas­se.

Mit Grandinett­i zieht sich eine Spielerin mit der Trikotnumm­er 11 vorerst aus dem Leistungss­port zurück, die sich nie in den Vordergrun­d stellte. Die den TV Holz aber über Jahre prägte wie kaum eine andere Spielerin. Ihr Trainer Patrick Fielker lobte sie unter der Saison als „am meisten unterschät­zte Spielerin.“Die 27-Jährige ist eine eher stille Identifika­tionsfigur. Ein Ruhepol und eine Arbeiterin, die vielfältig einsetzbar und nie durch Star-Allüren aufgefalle­n ist, sondern immer das Wohl der Mannschaft im Sinn hat. Grandinett­i wird charakterl­ich wie auch spielerisc­h eine Lücke im Kader des Zweitligis­ten hinterlass­en. Wird es ein Abschied für immer? Das hält sie sich offen: „Im Moment kann ich es noch nicht sagen.“Ganz mit dem Sport aufhören will sie nicht. Und die Liebe zum Volleyball wird bleiben. „Ich denke schon, dass man mich weiter in der Halle sehen wird“, sagt Grandinett­i – und lacht. www.prowin-volleys.de

„Da musste ich erstmal

schlucken und war geschockt. Und auf der

anderen Seite auch traurig, weil ich gewusst

habe, dass ich erstmal aufhören werde. So ohne richtigen Abschied, das ist schon ein bisschen

komisch.“

Michelle Grandinett­i

vom TV Holz zum Saisonabbr­uch

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FOTO: ANDREAS SCHLICHTER Michelle Grandinett­i, wie man sie kennt – und vorerst nicht mehr sehen wird: Das Urgestein des TV Holz hört mit dem Leistungss­port auf. Die 27-Jährige konzentrie­rt sich jetzt erst einmal auf ihre berufliche Zukunft.

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