Eine Pionierin wider Willen
Die 31-jährige Imke Wübbenhorst ist neue Cheftrainerin des Männer-Regionalligisten Sportfreunde Lotte.
(sid/dpa) Als das Telefon klingelte, spielte ihr Geschlecht keine Rolle. Und allein das bedeutete Imke Wübbenhorst ungemein viel. „Am meisten hat mich beeindruckt, dass es die ganze Zeit nur um Fußball ging“, berichtete die neue Trainerin der Sportfreunde Lotte über die „langen und intensiven Gespräche“mit dem Regionalligisten: „Es ging wirklich darum, sich über eine Spielphilosophie auszutauschen.“
Als erste Frau nach Inka Grings tritt die Pionierin in der Domäne Männerfußball einen Job als hauptamtlicher Trainer bei einem Viertligisten an. Beim derzeitigen Tabellenzehnten der Regionalliga West unterzeichnete Wübbenhorst einen Zweijahresvertrag. „Ich habe mich oft gefragt, ob die Leute und die Gesellschaft schon bereit und offen genug dafür sind. Aber das ist das, was ich mir immer gewünscht habe“, sagte die ehemalige deutsche Junioren-Nationalspielerin bei ihrer Vorstellung und versicherte: „Ich scharre schon mit den Hufen.“
Nach ihrem Aufsehen erweckenden Engagement beim Oberligisten BV Cloppenburg, wo sie 2019 mit einem Satz („Ich stelle nach Schwanzlänge auf“) auch international in die Schlagzeilen geraten war, hatte die 31-Jährige auf ihren Traum als Trainer im bezahlten Männerfußball hingearbeitet. Sie ließ sich von ihrem Beruf als verbeamtete Gymnasiallehrerin beurlauben, kündigte die Wohnung und nistete sich bei Freunden ein oder übernachtete auch mal im Auto, um die DFB-Fußballlehrer-Ausbildung zu finanzieren. „Es war ein anderes Leben, aber es war auch schön. Und ich weiß, wofür ich es getan habe“, sagte Wübbenhorst.
In diversen Hospitationen ließ sie sich inspirieren, schaute beim früheren DFB-Chefausbilder Frank Wormuth in Almelo oder Julian Nagelsmann in Leipzig ganz genau hin. Am Ende der Ausbildung fehlten nur die Abschlussprüfungen – doch drei Tage vor deren Beginn wurde Wübbenhorst von der Corona-Krise ausgebremst. Die A-Lizenz besitzt sie dennoch, die abschließende Prüfung zum Fußballlehrer soll alsbald nachgeholt werden.
Wann sie ihre Kompetenz das erste Mal für Lotte an der Seitenlinie beweisen darf, ist offen – wahrscheinlich aber erst in der kommenden Saison, Jetzt gerade sei es für jeden Trainer schwierig, sagte Wübbenhorst: „Man muss alternative Lösungen finden.“Sorgen um ihre Stellung macht sie sich ohnehin nicht. „Ein Mensch wird über mehr als nur das Geschlecht definiert“, betonte Wübbenhorst, die sich ungern als Pionierin sieht: „Das ist etwas, das ich nie sein wollte. Ich fühle mich auch nicht so. Es sollte für einen Regionalligisten kein Risiko sein, eine Frau als Trainer einzustellen. Ob man Autorität hat oder nicht, liegt nicht am Geschlecht, sondern an der Persönlichkeit.“
Ihr ist wichtig: Sie ist im bezahlen Männerfußball angekommen, das Ticket für das Trainerkarussell ist gelöst. „Ich wünsche mir, dass dieses Ticket eine lange Gültigkeit hat“, sagte Wübbenhorst. Denn auch sie weiß, „wie kurzweilig so eine Trainertätigkeit sein kann“.