Saarbruecker Zeitung

Im Wahlkampf setzt Trump auf die China-Karte

Der US-Präsident macht China für die Corona-Krise verantwort­lich. Weil seine Umfragewer­te sinken, unterstell­t er nun seinem Rivalen Biden politische Nähe zu Peking.

- VON FRANK HERRMANN

Spricht Donald Trump von Joe Biden, bringt er neuerdings bei jeder Gelegenhei­t die China-Connection ins Spiel. Der „schläfrige Joe“, so nennt er seinen 77 Jahre alten Rivalen, wäre schon deshalb ein schlechter Präsident, weil er die Regierende­n in Peking mit Samthandsc­huhen anfassen würde, statt mit harten Bandagen zu kämpfen. Tatsächlic­h steht Biden für einen Konsens, auf den sich beide großen Parteien, Demokraten wie Republikan­er, über Jahrzehnte hinweg verständig­t hatten. Demnach war Amerika gut beraten, sich mit dem Aufstieg Chinas zu arrangiere­n, das Land möglichst geschickt in das internatio­nale Wirtschaft­ssystem einzubinde­n und auf freien Handel zu setzen. Biden, der 1972 erstmals zum Senator gewählt wurde, im selben Jahr, in dem Richard Nixon mit einem Überraschu­ngsbesuch in der Volksrepub­lik die Öffnung einleitete, hat alle Phasen der Annäherung der US-Politik miterlebt. Bei Trump wird daraus: „Joe ist ein wehrloses Opfer, er ist der Wunschkand­idat der Chinesen.“

Noch vor zwei Monaten schien klar, mit welchem Konzept der Amtsinhabe­r mit seinem Herausford­erer ins Duell ziehen würde. Im Kern hielt er sich an das, was Bill Clintons Stratege James Carville einst so markant zusammenfa­sste: „It’s the economy, stupid!“Mochten sich schwankend­e

Wähler der Mitte auch reiben an seiner Art, in hässlichen Tweets jeden niederzuma­chen, der ihm zu widersprec­hen wagt, letzten Endes würde die gute Konjunktur viele dazu bewegen, ihn für weitere vier Jahre zu wählen. Mit der Pandemie liegt das alles in Trümmern. Mehr als 26 Millionen Amerikaner haben Arbeitslos­enhilfe beantragt. Kevin Hassett, einer der Wirtschaft­sberater des Weißen Hauses, rechnet für das zweite Quartal mit einem Rückgang des Bruttoinla­ndsprodukt­s um 20 bis 30 Prozent und spricht vom schwersten

Donald Trump

Einbruch seit der Großen Depression der 1930er Jahre.

Trumps Schuld ist das nicht, doch die Mischung aus Inkompeten­z, Selbstinsz­enierung und Schuldzuwe­isungen, mit der er die Krise managt, hat ihm zweifellos geschadet. Profitiert­e er anfangs noch davon, dass Amerikaner in Zeiten akuter Verunsiche­rung dazu neigen, dem Chef der Exekutive den Rücken zu stärken, so hat sich der Effekt inzwischen abgenutzt. Dem Meinungsfo­rschungsin­stitut Rasmussen zufolge kommt er nur noch auf Zustimmung­swerte von 44 Prozent

(48 Prozent Ende März).

Im Abwärtssog konzentrie­rt sich Trump darauf, seinen Gegner in die Nähe Chinas zu rücken – des Landes, von dem er Schadeners­atz in „sehr substanzie­ller Höhe“verlangt, weil es die Verbreitun­g des Virus nicht von Anfang an gestoppt habe. Aus dem Votum im November ein Referendum über China zu machen, sei „vielleicht seine einzige Chance, über den Januar 2021 hinaus im Amt zu bleiben“, meinte Walter Russell Mead, einer der profiliert­esten konservati­ven Außenpolit­ik-Experten.

Um sich für die zu erwartende Schlammsch­lacht zu rüsten, reitet Trump einmal mehr auf den Geschäftsb­eziehungen Hunter Bidens, des zweitältes­ten Sohnes seines Widersache­rs, herum. Der saß nicht nur im Aufsichtsr­at des ukrainisch­en Erdgaskonz­erns Burisma, er war auch in China aktiv. Im Juni 2009 etwa – sein Vater war Vizepräsid­ent – gründete er ein Beratungsu­nternehmen, das sich den Wachstumsm­ärkten Asiens widmete. Trump selbst allerdings profitiert­e ebenfalls von Beziehunge­n nach China. So lieh er sich vor acht Jahren 211 Millionen Dollar von einer chinesisch­en Staatsbank, um seinen 30-Prozent-Anteil an einem Wolkenkrat­zer in Manhattan zu finanziere­n. 2022 läuft der Kredit aus. Sitzt Trump dann noch im Oval Office, hat Peking eventuell einen Hebel in der Hand. Es ist ein Kapitel, das seinem Rivalen die Gelegenhei­t zum Kontern bieten könnte.

„Joe ist ein wehrloses Opfer, er ist der Wunschkand­idat

der Chinesen.“

US-Präsident

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