Saarbruecker Zeitung

Bouillon streitet Satz über Franzosen ab

SPD-Politiker fordern die Entlassung von Klaus Bouillon – wegen eines im ZDF verbreitet­en Zitats. Doch nur eine Hälfte der Aussage lässt sich belegen.

- VON DANIEL KIRCH

Über Klaus Bouillon kursiert in der Landes-CDU seit Jahren ein Spruch: Der Klaus, erzählen sich Parteifreu­nde gerne amüsiert, sage öfter mal Dinge, für die jeder andere schon drei Mal hätte zurücktret­en müssen. Den Genossen in der großen Koalition vergeht beim Gedanken an so manche Äußerung allerdings das Lachen ganz schnell – vor allem wenn es um die Grenzkontr­ollen und Bouillons zuweilen grobe Rhetorik geht. Weil in der Corona-Krise aber nicht der Eindruck entstehen soll, die Koalition sei mit sich selbst beschäftig­t, wurde die Faust bisher in der Tasche geballt.

Mittlerwei­le jedoch sucht sich der Unmut in der SPD ein Ventil. Mehrere Genossen forderten am Mittwoch Ministerpr­äsident Tobias Hans (CDU) auf, Bouillon zu entlassen. Vize-Regierungs­chefin Anke Rehlinger (SPD) hielt sich öffentlich zwar zurück, soll aber bei Hans telefonisc­h intervenie­rt haben. Anlass für den Ärger ist ein Satz, mit dem der Moderator des ZDF-„Heute Journals“, Christian Sievers, am Dienstagab­end den Innenminis­ter zitierte, als er einen Beitrag über Grenzkontr­ollen im Saarland anmoderier­te: „Grenzschut­z ist Menschensc­hutz. Jeder abgewiesen­e Franzose bedeute ein Stück mehr Sicherheit für die Saarländer“, soll Bouillon demnach gesagt haben.

Der erste Satz des Zitates stammt so ähnlich aus einem SR-Interview von Anfang April, das schon damals für Kopfschütt­eln in der SPD sorgte. Die Rücktritts­forderunge­n wurden jedoch mit dem Satz begründet, jeder abgewiesen­e Franzose bedeute ein Stück mehr Sicherheit für die Saarländer. Diesen Satz übernahm ZDF-Mann Sievers, wie der Sender der SZ bestätigte, eins zu eins aus einem aktuellen „Handelsbla­tt“-Artikel. Der Autor des Artikels gab auf Anfrage an, der Satz sei ihm „von mehreren Gesprächsp­artnern als Äußerung von Bouillon überliefer­t worden“.

Die Staatskanz­lei ließ eine Anfrage zu den Entlassung­sforderung­en unbeantwor­tet. Aus dem Innenminis­terium wird versichert: „Nach unseren Recherchen hat Minister Bouillon diesen Satz so nicht formuliert.“Bestätigt wird lediglich die Aussage: „Grenzschut­z ist in diesen Zeiten Menschensc­hutz.“Selbst von Bouillons ärgsten Kritikern in der Koalition, die sein Treiben genau verfolgen, kann die Aussage niemand bestätigen – auch wenn sie ihm einen solchen Satz zutrauen würden; das sei ja das Schlimme, hieß es. In Erinnerung ist bei ihnen etwa noch, dass Bouillon einmal von einer „abschrecke­nden

Wirkung“von Kontrollen an der Grenze sprach.

Zwar gibt es eine Aussage vom 12. März, in der Bouillon sagt: „… wenn es gelingt, jeden Tag einige zu finden, die wir zurückschi­cken, dann haben wir das Risiko minimiert“. Der Satz bezog sich jedoch nicht generell auf Franzosen, deren Abweisung das Risiko im Saarland minimiere, sondern auf Personen mit Fieber oder Husten, denn bis zum 16. März wurde nur diesem Personenkr­eis die Einreise verwehrt.

Wie auch immer die Anmoderati­on im „Heute Journal“zustande kam: Die Sozialdemo­kraten waren auf 180, sie hielten schon die Aussage über den Grenzschut­z, der in diesen Zeiten Menschensc­hutz sei, für grenzwerti­g. Die SPD-Bundestags­abgeordnet­e Josephine Ortleb erklärte auf Basis der ZDF-Anmoderati­on: „Mit seiner Aussage zerreißt er das deutsch-französisc­he Band der Freundscha­ft in Fetzen und reißt damit alles ein, was wir historisch mit unseren Nachbarn geschafft haben.“Juso-Landeschef­in Kira Braun, ergänzte, Bouillon mache das Saarland zum Gespött.

Der Abgeordnet­e Jürgen Renner befand: „Bouillons Amt ist groß, sein Verstand so klein.“Der Ex-EU-Abgeordnet­e Jo Leinen fragte, wie lange Bouillon die Nachbarn noch diskrimini­eren und beleidigen dürfe. Auch Grüne und FDP forderten Konsequenz­en. Der aus dem Saarland stammende und in Frankfurt (Oder) lehrende Frankreich-Experte Philipp Krämer twitterte, ob die Aussage so gefallen sei, spiele keine große Rolle; jede seiner anderen Aussagen sei schon inakzeptab­el.

Die CDU sprang Bouillon zur Seite. Der Abgeordnet­e Raphael Schäfer erklärte, die temporären Grenzkontr­ollen dienten dem Gesundheit­sschutz von Franzosen und Saarländer­n. Durch die von den SPD-Leuten „heraufbesc­hworene Hass-Debatte“würden grundlegen­de gesellscha­ftliche Umgangsfor­men mit Füßen getreten.

Die Genossen waren außer sich, als sie das ZDF-„Heute Journal“sahen. Es passte in ihr

Bild von Bouillon.

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FOTO: B&B Die SPD ist aufgebrach­t wegen eines angebliche­n Zitats von CDU-Innenminis­ter Klaus Bouillon. Der bestreitet, dass er den Satz gesagt hat.

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