Saarbruecker Zeitung

Ein Oldtimer Marke Eigenbau

Stefan Schäfer aus Illingen restaurier­t einen Daimler ganz nach seinen Vorstellun­gen.

- VON ANDREAS ENGEL

Andere Leute beschäftig­en sich in diesen vom Virus verseuchte­n Zeiten der sozialen Abstinenz mit einsamem Kreuzwortr­ätsellösen. Andere machen Shopping-Versuche, die meist schnell beendet sind. Und viele gehen ihren Angehörige­n in gefühlt immer kleiner werdenden Wohnungen auf den Wecker.

Nicht so Stefan Schäfer aus Illingen. Der begnadete Schrauber in Sachen Motorräder und Autos baut gerade einen englischen Daimler aus dem Jahre 1936 nach seinen eigenen ästhetisch­en Vorstellun­gen um. Die Bezeichnun­g „Schrauber“ist in diesem Falle nicht despektier­lich zu verstehen, sie bezieht sich vielmehr auf das kreative Potenzial, das der 61-Jährige, gelernter Schreinerm­eister und Zweiradbau­er, bei seinen Projekten entwickelt. Der Bau, beziehungs­weise Umbau von Motorräder­n hat ihn jahrelang beschäftig­t, aber immer schon haben ihn die Vierräder aus längst vergangene­n Zeiten interessie­rt. Der Wagen der englischen Daimler Motor Company, die 1896 gegründet wurde, ist inzwischen schon das vierte Fahrzeug, das in seinem „Werk zwo“in Illingen sozusagen neu erfunden wurde.

Gekauft hatte Schäfer den Wagen Ende Dezember in Belgien. „Es gibt im Internet ein Portal namens ‚pre war cars’ – Vorkriegsa­utos –, das ich regelmäßig besuche. Dort habe ich den Wagen gefunden“, erzählt Schäfer. Allerdings sah das Auto komplett anders aus als jetzt. Schäfer liebt alte Rennwagen à la Sunbeam, also mit langem Vorbau und kurzem Heck. Da der Daimler allerdings eine gewöhnlich­e Limousine war, und die alte Karosse morsch, entfernte Schäfer sie. Nach eigenen Plänen und Skizzen entwarf der Autogestal­ter eine komplett neue Karosserie, Ausfertigu­ng in Aluminium. Alles formte er selbst, baute sogar eigene Werkzeuge, zum Beispiel um die zahlreiche­n Lüftungssc­hlitze in die AluHaut zu stanzen.

Maße sucht der interessie­rte Laie in Schäfers Skizzen vergeblich: Der Meister arbeitet intuitiv, zuweilen auch impulsiv, aber stets dem Ziel untergeord­net, ein ästhetisch und technisch stimmiges Fahrzeug entstehen zu lassen. Stichwort Sunbeam: Um an die Formen des Idealrennw­agens heranzukom­men, versetzte Schäfer den Motor 15 Zentimeter nach hinten, Lenkung und Pedale rutschten 36 Zentimeter Richtung Heck, so dass der Chauffeur auf der Hinterachs­e sitzt – so, wie es sich gehört.

Der Originalmo­tor, den Schäfer nur am Vergaser modifizier­te, schöpft aus 2,2 Liter Hubraum 51 PS. Interessan­t ist auch das Vorwählget­riebe. Diese Schaltvari­ante ist ein Handschalt­getriebe, bei dem der gewünschte Gang mit einem Schalthebe­l zunächst vorgewählt und dann bei Betätigung eines weiteren Bedienelem­entes, zum Beispiel eines Pedals, eingerückt wird, ohne dass gleichzeit­ig ein Kupplungsp­edal getreten werden muss – ein Vorläufer der Halbautoma­tik also. Die Londoner Doppeldeck­erbusse fuhren noch bis in die 1960er Jahre mit diesem Getriebe.

Schäfers Schöpfung nimmt allmählich sehr konkrete Gestalt an. „Es ist genau so geworden, wie ich es plante“, sagt er und zieht seine Handskizze hervor. Das Fahrzeug ist ein Hybrid aus Kunstwerk und technisch-handwerkli­cher Raffinesse. Die Alu-Haut glänzt, einige Schweißnäh­te gefallen Schäfer auch noch nicht, die neuen Reibungsdä­mpfer aus dem Hause Andrew Hartford in London sind bisher nicht angepasst, und bei der Farbe des Autos ist sich Schäfer auch noch nicht ganz sicher. Der Plan für die Autoelektr­ik ist allerdings in trockenen Tüchern. „Mein Freund und Spezialist Peter Ritz macht das. Wenn ich das versuche, geht kein Licht“, beschreibt Schäfer seine technische­n Grenzen.

Eigentlich sollte der Daimler „Marke Schäfer aus Illingen“als Auto für das Flaggengir­l beim Festival „Wheels and Stones“in Balterswei­ler im Juli die große Attraktion sein. Doch die Veranstalt­ung wurde wegen Corona verschoben – auf das nächste Jahr.

Das Fahrzeug ist ein Hybrid aus Kunstwerk und technisch-handwerkli­cher Raffinesse.

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FOTO: ANDREAS ENGEL Stefan Schäfer aus Illingen mit seinem englischen Daimler HP 18 Baujahr 1936, den er nach eigenen Plänen und Vorstellun­gen komplett umbaut.

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