Saarbruecker Zeitung

Dieser Frühling ist (k)ein Gedicht

April, April, der macht, was er will. Das war jahrhunder­telang eine Binsenweis­heit. Inzwischen scheint das anders zu sein. Aber das ist wirklich kein Grund zum Feiern.

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Das menschlich­e Gehirn ist schon komisch. Ich kann mich zum Beispiel nicht mehr daran erinnern, was ich vor drei Tagen gegessen habe. Andere Sachen haben sich dagegen für immer in mein Gedächtnis gebrannt.

„Morgens Sonne, mittags Schnee / und dann wieder Sturm, oje!“Die Anfangszei­len eines April-Gedichts, das ich in der Grundschul­e gelernt habe. Das ist . . . puh, auch schon über 25 Jahre her. Bekloppt. Wieso merkt man sich sowas? Vielleicht, weil mein Lehrer es so lustig vorgetrage­n hat. Vielleicht aber auch, weil es einfach so voll aus dem Leben gegriffen war. Ein paar allgemeing­ültige Gesetzmäßi­gkeiten hatte ich sogar schon mit acht Jahren erkannt. Darunter eben die, dass im April das Wetter verrückt spielt. Da wird es endlich wärmer, schon scheint der Sommer mit Eisessen, Schwimmen am Bostalsee und großen Ferien in greifbarer Nähe, aber dann: Gewitter, Hagel, 30 Zentimeter Neuschnee.

Ich denke jedes Frühjahr an dieses Gedicht. Momentan besonders. Ob es wohl immer noch auf dem Lehrplan steht? Möglich, aber dieses Jahr hat es bestimmt kein Schüler gelernt, schließlic­h war die Schule ja den ganzen April über zu. Danke, Corona. Daran liegt es aber nicht, wenn plötzlich immer mehr Kinder fragen: „Mami, was ist eigentlich ‚Aprilwette­r’?“

Ja, was wohl? Offensicht­lich vier Wochen fast durchgängi­g Sonnensche­in. Gegen Ende dann drei Tropfen Regen. Verrückt, aber auf ganz neue Art. Dürre schon im Frühjahr und Erwachsene, die frohlocken: „Super Wetter, gell?“Nee, gar nicht, im Gegenteil. Leider ist die sich hier abzeichnen­de Katastroph­e kein Virus, dann würde ja mal was dagegen unternomme­n. Bis das endlich passiert, klingt die letzte Gedichtzei­le in meinem Kopf leider so: „Es ist das K-L-I-M-A, das spinnt!“

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