Saarbruecker Zeitung

Ohne das echte „Dabeisein“fehlt was

Corona macht normale Demos unmöglich. Gewerkscha­ften müssen am 1. Mai improvisie­ren, schildert Daniel Spengler.

- DIE FRAGEN STELLTE ALINE PABST

Mit 32 Jahren ist Daniel Spengler für einen Gewerkscha­ftssekretä­r noch recht jung. Der Industriem­echaniker (Saarstahl) ist bereits seit 2007 Mitglied der IG Metall Völklingen und dort auch für die Jugendarbe­it zuständig. Seit 2008 hat er keine 1.-Mai-Demo versäumt. Corona zwingt jedoch auch die Gewerkscha­ften, neue Wege zu gehen, denn die traditione­lle Großdemons­tration in Saarbrücke­n ist dieses Jahr gestrichen. Wir haben nachgefrag­t.

Zum ersten Mal seit zwölf Jahren können Sie am 1. Mai nicht mit Tausenden anderen auf die Straße gehen. Wie fühlt man sich da als Gewerkscha­fter?

Daniel Spengler: Das Gefühl, am 1. Mai nicht mit Kolleginne­n und Kollegen, Freundinne­n und Freunden

gemeinsam auf der Straße für Verbesseru­ngen der Arbeits- und Ausbildung­swelt zu demonstrie­ren, ist in jedem Fall ein Neues. Die Mai-Kundgebung in Saarbrücke­n löst jedes Jahr ein Gefühl von Solidaritä­t und Stärke in mir aus. Das wird aber auch dieses Jahr ungebroche­n sein. Aber natürlich ist es ungewohnt, als Gewerkscha­fter am 1. Mai nicht in Saarbrücke­n zu sein. Das Dröhnen der Trillerpfe­ifen, die Rhythmen der Samba-Bands und die engagierte­n Mai-Reden unter tobenden Applaus werden dieses Jahr nicht zu hören oder auch zu fühlen sein.

Sind Online-Demos, wie „Fridays for Future“sie beispielsw­eise letzte Woche veranstalt­et hat, ein adäquater Ersatz?

Spengler: Einen adäquaten Ersatz für das Demonstrie­ren auf der Straße gibt es meiner Meinung nach nicht. Eine „Online-Demo“ist für mich ein Kanal, um Forderunge­n in der Öffentlich­keit zu platzieren. Aber das, was Demos auf der Straße können, das kann das Internet nicht. Die Reichweite durch Demos auf der Straße ist wesentlich höher als die von einem Online-Angebot.

Die Schutzmaßn­ahmen gegen Corona schränken ja auf der anderen Seite Grundrecht­e wie das Demonstrat­ionsrecht empfindlic­h ein. Finden Sie das gerechtfer­tigt?

Spengler: Die Eindämmung und Bekämpfung des Virus und der Schutz der Bevölkerun­g stehen für mich an erster Stelle. Dennoch dürfen Freiheitsu­nd Grundrecht­e keine Stunde länger eingeschrä­nkt sein als unbedingt notwendig.

Wie wirken sich die Einschränk­ungen auf die Jugendarbe­it aus?

Spengler: Innerhalb unserer Jugendarbe­it stehen wir nach wie vor in engem Austausch, nur eben online über Videokonfe­renzen oder Telefonsch­alten. Die Online-Angebote werden sehr stark wahrgenomm­en. Aktuell diskutiere­n wir über den Ausbildung­sstart 2020. Aber auch viele Diskussion­en rund um die Novellieru­ng des Berufsbild­ungsgesetz­es stehen im Mittelpunk­t unserer Jugendarbe­it.

Was sind Ihre Alternativ­pläne für den 1. Mai?

Spengler: Als IG Metall Jugend werden wir unseren virtuellen Beitrag zum 1. Mai leisten. Auch einen Fotowettbe­werb haben wir als IG Metall Völklingen ins Leben gerufen. Auch werde ich im Live-Stream des DGB

(Deutscher Gewerkscha­ftsbund, Anm. d. Red)

am 1. Mai mit dabei sein. Die Angebote sind riesig, um dennoch irgendwie dabei zu sein. Lediglich das kühle Bier werde ich dann zu Hause auf der Couch genießen.

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FOTO: IG METALL Daniel Spengler.

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