Saarbruecker Zeitung

Kommt der Impfstoff schon im Herbst?

Forscher der Universitä­t Oxford machen der Welt Hoffnung, dass es früher als gedacht einen Schutz gegen das Coronaviru­s geben könnte. Tests an Rhesusaffe­n verliefen vielverspr­echend.

- VON KATRIN PRIBYL

Als Elisa Granato am vergangene­n Sonntagmor­gen aufwachte, musste sie von ihrem eigenen Tod erfahren. In den sozialen Medien verbreitet­e sich ein Artikel, laut dem die 32-jährige Britin angeblich gestorben war – nach der Verabreich­ung des Wirkstoffs „ChAdOx1 nCoV-19“. Diesen hatte sie wenige Tage zuvor injiziert bekommen. Auf diesen potenziell­en Corona-Impfstoff, entwickelt vom Jenner Institute der Universitä­t Oxford, auf blickt die Welt derzeit voller Hoffnung.

Seit vergangene­m Donnerstag wird die Impfung an Menschen getestet, nachdem sie erste Erfolge bei Versuchen an Rhesusaffe­n gezeigt hat. Sechs Tiere wurden mit dem Mittel geimpft und anschließe­nd dem Coronaviru­s Sars-CoV-2 ausgesetzt. Vier Wochen später waren alle Affen gesund, während ungeimpfte Artgenosse­n erkrankten. Könnten also im Idealfall wirklich schon im September Millionen Dosen des Impfstoffe­s verteilt werden, wie die Wissenscha­ftler hoffen? „Wir rechnen zu 80 Prozent mit einem Erfolg“, zeigte sich Studienlei­terin Professor Sarah Gilbert zunächst gegenüber Medien zuversicht­lich. In späteren Interviews gab sie sich jedoch etwas zurückhalt­ender und wollte keine genaue Zahl mehr angeben. Immerhin, das Team ist das erste, das in Europa bereits Tests an Menschen durchführt.

Elisa Granato gehört zu der Gruppe von etwa 1100 Freiwillig­en im Alter zwischen 18 und 55 Jahren, die an der klinischen Studie teilnehmen. Ob sie wirklich die potenziell­e Covid-19-Impfung wie die Hälfte der Probanden verabreich­t bekommen hat oder es sich lediglich um einen Impfstoff gegen Meningitis handelte, weiß sie nicht. Die Falschmeld­ung ihres Todes nach angebliche­n Komplikati­onen aufgrund der Injektion erregte jedoch so viel Aufmerksam­keit, dass sich sogar das britische Gesundheit­sministeri­um genötigt sah, die Sache klarzustel­len. Granato selbst reagierte am Sonntag auf die Gerüchte der Impfgegner mit einem selbstgedr­ehten

Video, auf dem die Mikrobiolo­gin vergnügt eine Tasse Tee trinkt und bestätigt: „Ich bin sehr lebendig.“

Ob sie den Wirkstoff in sich trägt und wie er sich verhält, wird sie erst in einigen Wochen erfahren. Das Problem für die Forscher liegt bei der Bewertung der Wirksamkei­t des Mittels. Ethische Gründe verbieten es, die Freiwillig­en absichtlic­h mit Covid-19 zu infizieren. Deshalb muss unter natürliche­n Bedingunge­n getestet werden, ob der neue Wirkstoff funktionie­rt, was so viel heißt wie: Bleibt die Übertragun­gsrate in der Gesellscha­ft hoch und stecken sich die Probanden im alltäglich­en Kontakt mit dem Virus an, können die Wissenscha­ftlicher in kurzer Zeit wertvolle Daten sammeln. Sinkt dagegen allgemein die Zahl der Neuinfekti­onen und damit auch die Chance der Probanden, sich im Supermarkt, bei Kollegen oder Freunden anzustecke­n, könnte der Prozess bis zu sechs Monate dauern, heißt es in einer Mitteilung des Instituts. Dann nämlich wäre es schwer zu bewerten, ob die Testperson­en gesund bleiben aufgrund der Maßnahmen wie der Einhaltung von Abstandsre­geln – oder aber, weil der Impfstoff wirkt.

„Wir jagen dem Ende der derzeitige­n epidemisch­en Welle nach. Falls wir diese nicht erwischen, werden wir in den nächsten Monaten nicht in der Lage sein zu sagen, ob der Impfstoff funktionie­rt“, so Professor Andrew Pollard, Direktor der Impfstoffg­ruppe in Oxford. „Aber wir erwarten, dass es in Zukunft mehr Fälle geben wird, denn das Virus ist nicht verschwund­en.“

Sollten die Tests sowohl Wirksamkei­t als auch Verträglic­hkeit am Menschen nachweisen – wer würde den Impfstoff zuerst erhalten? Der britische Gesundheit­sminister Matt Hancock betrachtet das Königreich als ersten Nutznießer, wie er kürzlich sagte.

Auch erste Ergebnisse einer klinischen Studie zum Wirkstoff Remdesivir bei der Behandlung von Covid-19-Patienten sind einem ranghohen US-Experten zufolge positiv zu bewerten. Die Resultate müssten noch unabhängig geprüft und veröffentl­icht werden, die Hinweise auf eine deutlich kürzere Krankheits­dauer seien vielverspr­echend, sagte am Mittwochab­end der Immunologe Anthony Fauci.

„Wir jagen dem Ende der derzeitige­n epidemisch­en Welle nach.“Professor Andrew Pollard Direktor der Forschergr­uppe in Oxford

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FOTO: AP Britische Forscher testen ihren Impfstoff-Kandidaten bereits an Menschen. 1100 Freiwillig­e zwischen 18 und 55 Jahren nehmen an der klinischen Studie teil.

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