Saarbruecker Zeitung

Saar-Fraktionen gegen Pläne für Immunitäts­ausweis

Gesundheit­sminister Jens Spahn macht eine Entscheidu­ng von der Stellungna­hme des Ethikrats abhängig.

- VON STEFAN VETTER

(ter) Die Fraktionen im Saar-Landtag haben mit Kritik auf Pläne der Bundesregi­erung zur Einführung eines Immunitäts­ausweises für das Coronaviru­s reagiert. Solange nicht gesichert ist, dass eine Immunität entwickelt werden kann, sei eine Debatte sinnlos, hieß es am Montag von Linken und SPD. Die AfD-Fraktion sprach von einer „unangemess­enen Idee“, die praktisch nicht umgesetzt werden könne. Lediglich die CDU-Fraktion kann dem Plan etwas abgewinnen. „Bürger, die immun sind, könnten im Ehrenamt und im Gesundheit­swesen eingesetzt werden“, sagte der Abgeordnet­e Bernd Wegner.

Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) schwächte seine umstritten­en Pläne am Montag ab. Eine gesetzlich­e Regelung sei bis zu einer Stellungna­hme des Deutschen Ethikrates nicht geplant. Kritiker sehen eine Gefahr für den gesellscha­ftlichen Zusammenha­lt, wenn Immune besondere Rechte bekommen. Am Donnerstag berät der Bundestag.

Die Bundesregi­erung plant im Zuge der Corona-Pandemie die Einführung eines sogenannte­n Immunitäts­ausweises für Bürger, von denen keine Infektions­gefahr mehr ausgeht. Kritiker sehen darin große Gefahren für das gesellscha­ftliche Zusammenle­ben. Nachfolgen­d die wichtigste­n Hintergrün­de der Debatte im Überblick:

Was will die Regierung genau? Bereits am vergangene­n Mittwoch hatte das Bundeskabi­nett einen weiteren Gesetzentw­urf „zum Schutz der Bevölkerun­g bei einer epidemisch­en Lage von nationaler Tragweite“beschlosse­n. Darin geht es um einen Bonus für Pflegekräf­te, aber auch um wichtige Änderungen des Infektions­schutzgese­tzes. Demnach sollen die Regeln zum Impfauswei­s durch eine „Immunitäts­dokumentat­ion“für alle übertragba­ren Krankheite­n, nicht nur Covid-19, ergänzt werden. Also zum Beispiel auch Hepatitis. Festgehalt­en werden soll, wann die Immunität festgestel­lt wurde, ihre zu erwartende Dauer, die Testmethod­e sowie der Name des damit befassten Arztes.

Was soll noch geregelt werden?

Bei der Anordnung und Durchführu­ng von Schutzmaßn­ahmen gegen übertragba­re Krankheite­n soll laut Entwurf „in angemessen­er Weise“berücksich­tigt werden, ob eine Person eine Krankheit „wegen eines bestehende­n Impfschutz­es oder einer bestimmten Immunität nicht oder nicht mehr übertragen kann“. Für diesen Fall soll von individuel­l bezogenen Maßnahmen wie beispielsw­eise häuslicher Quarantäne abgesehen werden können. Auch allgemeine Restriktio­nen wie etwa Ausgangsbe­schränkung­en könnten für Personen mit Immunitäts­nachweis dann nicht mehr gelten. Im Umkehrschl­uss blieben alle Menschen in ihren Grundrecht­en eingeschrä­nkt, die keinen solchen Nachweis haben.

Was spricht für das Vorhaben? Befürworte­r verweisen darauf, dass es immer mehr Corona-Genesene gibt, die sogar vor Gericht ziehen könnten, um für sich Ausnahmen etwa im Hinblick auf die Bewegungsf­reiheit zu erwirken. Nach Ansicht von Gesundheit­sminister Jens Spahn ist das Vorhaben zudem im Interesse von Ärzten und Pflegekräf­ten, die dann ohne Ansteckung­sgefahr

ihrer Arbeit nachgehen können. Am Montag stellte der CDU-Politiker allerdings klar, mögliche ethische Probleme bei einem Immunitäts­nachweis zu berücksich­tigen. Zu diesem Zweck hat Spahn den Deutschen Ethikrat um eine Stellungna­hme gebeten. Bis dahin solle es keine Neuregelun­gen zu diesem Thema geben, so Spahn.

Wie argumentie­ren die Kritiker? Die meisten sagen, dass ein Immunitäts­nachweis die Gesellscha­ft in zwei Lager zu spalten droht. Außerdem verweisen sie auf medizinisc­he Unwägbarke­iten. „Zurzeit lässt sich überhaupt nicht verlässlic­h feststelle­n, ob jemand wirklich immun ist“, betonte der SPD-Gesundheit­sexperte Karl Lauterbach gegenüber unserer Redaktion. So würden die Antiköpert­ests nicht selten ein unzuverläs­siges Ergebnis liefern.

Ein weiterer Schwachpun­kt: „Wenn es für einen Ausweisbes­itzer Vorteile gibt, dann ist das ein Anreiz,

sich absichtlic­h anzustecke­n, um das Dokument zu bekommen“, so Lauterbach. Auch Grünen-Chef Robert Habeck fürchtet, dass sich Menschen vorsätzlic­h anstecken würden, „um im Shutdown wieder mehr Freiheiten als andere zu erhalten“. Nach Einschätzu­ng Lauterbach­s würde ein Immunitäts­nachweis „erst dann Sinn ergeben, wenn es einen verlässlic­hen Impfstoff gibt“. Insofern komme die ganze Debatte zur Unzeit, sagte der SPD-Politiker.

Wie geht es jetzt weiter?

Bereits an diesem Donnerstag will der Bundestag in erster Lesung über den Regierungs­entwurf beraten. Wie es danach weiter geht, ist noch unklar. Vor wenigen Wochen wollte Gesundheit­sminister Spahn zum Beispiel auch eine nicht anonymisie­rte Handy-Ortung zur besseren Ermittlung von Kontaktper­sonen von Infizierte­n gesetzlich fixieren. Doch war er damit am Widerstand von Datenschüt­zern gescheiter­t. Jetzt wird an neuen Apps gearbeitet.

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FOTO: LEE JIN-MAN/AP/DPA Ein Labormitar­beiter hält ein Teströhrch­en für einen Covid-19-Antikörper­test in der Hand: Die Bundesregi­erung setzt im Kampf gegen das Coronaviru­s auf die Einführung eines Immunitäts­ausweises.
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FOTO: DPA Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU)

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