Saarbruecker Zeitung

„Kein Mensch muss alleine sterben“

Ist eine Sterbebegl­eitung trotz Corona und Distanz möglich? Ja, sagen die Hospize – Versorgung und Begleitung seien gewährleis­tet. Aber Corona zwingt zu Kompromiss­en.

- VON TERESA PROMMERSBE­RGER

„Kein Mensch muss alleine sterben.“Paul Herrlein, Geschäftsf­ührer des St. Jakobus Hospiz Saarbrücke­n, wird deutlich. Einige schwer kranke, sterbende Menschen und die Angehörige­n sind verunsiche­rt. Verunsiche­rt, ob eine Sterbebegl­eitung trotz Corona-Pandemie möglich ist. Ja, das ist sie, sagt Herrlein. Die Versorgung und die Begleitung der Menschen seien gewährleis­tet. In den stationäre­n Hospizen und durch die Mitarbeite­r der ambulanten Dienste.

Sterbebegl­eitung bedeutet, eine Beziehung und Nähe aufzubauen. Ein „zentrales Element“, wie Herrlein sagt. In Zeiten von Abstandsre­geln und Distanzier­ung ist dies ein „Spagat“. Tragen die Sterbebegl­eitenden Schutzklei­dung, ist das möglich. Einem Sterbenden die Hand zu halten, Angehörige zu trösten – auf die Begleitkul­tur, die die Hospizarbe­it ausmacht, wird nicht verzichtet. Sie wird nur neu gedacht und unter den geltenden Vorschrift­en anders gestaltet. „Damit die Lebensqual­ität bis zum Schluss bleibt“, betont Herrlein.

Natürlich gibt es weitere Einschränk­ungen, etwa bei den Besuchszei­ten. Steht der Tod unmittelba­r bevor, gibt es Ausnahmere­geln, beruhigt Herrlein. Das gibt die Allgemeinv­erordnung zur Eindämmung der Corona-Pandemie auch explizit vor. Auch die Angehörige­n werden nicht alleine gelassen. Trauergesp­räche finden derzeit jedoch meist am Telefon statt.

Im Übrigen, so sagt Herrlein, sind Hygienevor­schriften und Schutzmaßn­ahmen in der palliative­n Versorgung nichts Neues. Seit jeher sind sie immens wichtig. Schwerkran­ke und Sterbende sind immer einem hohen Infektions­risiko ausgesetzt. Jede Grippewell­e, jede Norovirus-Epidemie birgt Gefahr. Wegen Corona haben die Maßnahmen jetzt nur eine „andere Dimension“erreicht. Einschränk­ungen und Änderungen, „ohne das Leitbild der palliative­n Versorgung“zunichte zu machen, sagt auch Ute Seibert. Sie leitet das Paul Marien Hospiz in Saarbrücke­n und das Fliedner Hospiz in Neunkirche­n. Einschränk­ung heißt, die Besuche der Angehörige­n sind zeitlich begrenzt. Die Hygienemaß­nahem sind verstärkt worden. Am Eingang stehen Mundschutz, Handschuhe und Desinfekti­onsmittel bereit. Hausärzte kommen nur, wenn es unbedingt notwendig ist.

Mit den Änderungen will das Personal auch Ängste nehmen. „Die psychologi­sche Sicherheit ist jetzt ganz, ganz wichtig“, sagt Seibert. Die Sorge

„In der Sterbephas­e

erlauben wir natürlich auch einen engeren Kontakt.“

Ute Seibert

Paul Marien Hospiz (Saarbrücke­n) / Fliedner Hospiz (Neunkirche­n)

um eine mögliche Corona-Infektion ist eine zusätzlich­e Belastung. Täglich überprüfen die Mitarbeite­r, ob die Patienten Symptome zeigen. „Wir führen sozusagen ein Tagebuch, um den Menschen die Sicherheit zu geben, die sie brauchen.“

Mit Kreativitä­t setzen die Hospize den Einschränk­ungen etwas entgegen. In den großen Gemeinscha­ftsräumen der Einrichtun­gen können die Bewohner nach wie vor basteln – auf Abstand. In Neunkirche­n kann das Bett auf die Terrasse des Zimmers gestellt werden. In Saarbrücke­n begleitet das Personal die Patienten auf Spaziergän­gen. „Wer Gemeinscha­ft erleben will, kann die Gemeinscha­ft mit der entspreche­nden Distanz erleben“, betont Seibert. Die Bewohner und Angehörige­n seien sehr vernünftig. Sie seien gut informiert und hielten die Regeln ein. „In der Sterbephas­e erlauben wir natürlich auch einen engeren Kontakt.“Die Besuchszei­t wird individuel­l gestaltet und verlängert. „Von allen Einschränk­ungen gibt es Ausnahmen.“

Auch nach dem Tod finden die Hospize Wege, die Angehörige­n zu begleiten. „Die Psychologi­n hält per Telefon engen Kontakt.“Die Gesprächsk­reise

mussten allerdings abgesagt werden. „Wir haben den Angehörige­n dafür einen Brief geschickt. In jedem war ein Beutel Vergissmei­nnicht-Saatgut.“Außerdem hat es dieser Tage ein internes Erinnerung­sritual gegeben „Wir haben die Namen der Verstorben­en vorgelesen und eine Kerze angezündet.“, sagt Seibert. „Wir finden immer eine Alternativ­e.“

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FOTO: NORBERT FÖRSTERLIN­G / DPA Die Beschränku­ngen in der Corona-Pandemie zwingen die Hospize zu Kompromiss­en.

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