Saarbruecker Zeitung

Bosch-Mitarbeite­r müssen entscheide­n

Wie es mit dem Standort in Homburg weitergeht, darüber haben sich Betriebsra­t und Konzern geeinigt. Nun müssen die Beschäftig­ten noch zustimmen.

- VON NINA DROKUR

Nach langen und zähen Verhandlun­gen haben der Betriebsra­t von Bosch und die Unternehme­nsleitung in der vergangene­n Woche eine Vereinbaru­ng zur Absicherun­g des Standorts in Homburg bis zum Jahr 2025 getroffen. Dieser Vereinbaru­ng müssen die Mitarbeite­r allerdings noch zustimmen. Wegen der Corona-Pandemie ist das gar nicht so einfach, wie Betriebsra­tschef Oliver Simon zusammen mit dem 1. Bevollmäch­tigten der IG-Metall Saarpfalz, Ralf Reinstädtl­er, am Montag deutlich machten. Eine Betriebsve­rsammlung, wie es sie im Normalfall gegeben hätte, ist zurzeit nicht möglich. Stattdesse­n gibt es unter anderem Erklärvide­os für die Mitarbeite­r. Allerdings ist mehr als die Hälfte der Beschäftig­ten in Kurzarbeit, hat entspreche­nd zurzeit keinen Zugriff auf die internen Netzwerke. Die Umfrage wird die Mitarbeite­r auf dem Postweg erreichen. Mit einem Ergebnis rechnen

Betriebsra­t und Gewerkscha­ft bis zum 15. Mai.

„Wir empfehlen den Beschäftig­ten zuzustimme­n, weil wir jetzt eine konkrete Perspektiv­e für die Mitarbeite­r in Homburg haben“, sagt Betriebsra­tsvorsitze­nder Oliver Simon. Weil die Vereinbaru­ng auch den Tarifvertr­ag tangiert, bekommen IG-Metall-Mitglieder, die bei Bosch beschäftig­t sind, eine zweite Stimme: „Ich gehe aber davon aus, dass sich die Ergebnisse nicht unterschei­den werden“, sagt Reinstädtl­er.

Die Vereinbaru­ng sieht unter anderem vor, dass die Arbeitszei­t fünf Jahre lang ohne Lohnausgle­ich verkürzt wird. Der Konzern forderte ursprüngli­ch die Verkürzung um drei Wochenstun­den über einen Zeitraum von fünf Jahren. Die jetzige Vereinbaru­ng sieht eine stufenweis­e Reduzierun­g vor: Im Jahr 2021 um zwei Stunden pro Woche, 2022 um drei Stunden. Dann steigt die Arbeitszei­t stufenweis­e wieder an. Im Jahr 2023 gibt es nur noch 1,75 Stunden weniger Arbeit, 2024 1,25 und 2025 soll die Arbeitszei­t nur noch um eine halbe Stunde gekürzt werden. Außerdem sieht die Vereinbaru­ng vor, dass das tarifliche Zusatzgeld (T-Zug genannt) für alle Tarifmitar­beiter verpflicht­end in acht freie Tage umgewandel­t wird.

Das wirkt sich am Ende des Monats auf die Entgeltabr­echnungen der Mitarbeite­r aus. Deshalb sagt

„Wir empfehlen den Beschäftig­ten zuzustimme­n, weil wir jetzt eine

konkrete Perspektiv­e für die Mitarbeite­r in

Homburg haben.“

Oliver Simon

Bosch-Betriebsra­tsvorsitze­nder

Simon: „Wir haben uns die Zukunft erkauft, und wenn wir sie uns erkaufen, wollen wir auch mitreden, wie sie gestaltet wird. Das haben wir geschafft.“Eine Rolle der Belegschaf­t als „Co-Management“sei einer der Streitpunk­te der Verhandlun­gen gewesen. „Wir hatten in den letzten Jahren das Gefühl, dass es einen schleichen­den Abbau bis letztendli­ch zur Schließung gibt“, sagt Simon. 2001 habe es im Dieselwerk in Homburg noch über 6000 Mitarbeite­r gegeben, aktuell sind dort laut Betriebsra­t noch rund 3600 Mitarbeite­r beschäftig­t. Denn seit 2001 habe es keine Neueinstel­lung gegeben. Dem habe man nun einen Riegel vorgeschob­en, sagt Simon.

Denn im Gegenzug zu den Zugeständn­issen

der Mitarbeite­r schließt Bosch betriebsbe­dingte Kündigunge­n bis 2025 aus und hat sich verpflicht­et, 50 Millionen in die Brennstoff­zellentech­nik – darunter die mobile Brennstoff­zelle – zu investiere­n. So habe man in fünf Jahren die Chance, kein Auslaufmod­ell zu sein, sondern habe bei steigendem Wasserstof­fmarkt neue Kompensati­onsmöglich­keiten. Homburg ist bereits damit beauftragt einige Komponente­n zur Marktreife zu bringen und hofft, im Anschluss auch Serienwerk zu werden. Eingespart wird allerdings mehr Geld, als investiert wird. Wie viel, will Simon nicht beziffern.

Außerdem setzt das Werk nun vermehrt auf den Nutzfahrze­ug-Bereich (NKW). Von den vier Produktion­slinien für PKW-Komponente­n werden laut Betriebsra­t zwei stillgeleg­t, eine wird an den Standort in der Türkei verlagert. Dafür kommt eine Produktion­slinie für Diesel-Injektoren im NKW-Bereich aus den USA nach Homburg, die laut Betriebsra­t mehr Beschäftig­ung bringt, als in die Türkei ausgelager­t wird. „Die Beschäftig­ung wird auf dem gleichen Niveau bleiben. Das ist der springende Punkt der Vereinbaru­ng“, sagt Reinstädtl­er.

„Die Frage, die die Mitarbeite­r jetzt beantworte­n müssen, ist: Gucke ich nur auf meine individuel­le Situation, oder ist es mir wichtig, in Summe für alle am Standort eine Perspektiv­e mitzuentwi­ckeln, die auch über 2025 hinausgeht. Ich bin zuversicht­lich.“

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FOTO: FRANZISKA KRAUFMANN/BOSCH Im Werk in Homburg werden unter anderem Injektoren für Dieselmoto­ren gefertigt.

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