Saarbruecker Zeitung

Rüffel aus Deutschlan­d für EZB und EuGH

LEITARTIKE­L Verfassung­srichter in Karlsruhe bremsen EZB aus

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Das Bundesverf­assungsger­icht hat sich mit einem Urteil gegen das Vorgehen der Europäisch­en Zentralban­k (EZB) beim billionens­chweren Kauf von Staatsanle­ihen gestellt. Auch der Europäisch­e Gerichtsho­f bekam einen Rüffel.

Was ist wichtiger? Der Weg? Oder das Ziel? Die Bundesverf­assungsric­hter haben sich in ihrem Urteil gegen den Weg entschiede­n, den die Europäisch­e Zentralban­k allerdings nur deswegen eingeschla­gen hat, um das Ziel zu erreichen. Denn aus Sicht der Banker war es ihr Auftrag, das Abrutschen der krisengesc­hüttelten Euro-Staaten zu verhindern, um die Stabilität des Euro zu sichern. Aber haben sie damit am Ende nicht doch Staatshaus­halte finanziert und Wirtschaft­spolitik gemacht? Beides ist der EZB ausdrückli­ch verboten.

Das Problem liegt darin, dass man diese beiden Seiten des damaligen Aufkaufpro­gramms kaum voneinande­r trennen kann. Ohne die Zusage der Frankfurte­r Bank, Staatsanle­ihen mit 2,6 Billionen Euro zu erwerben, hätten die Regierunge­n Griechenla­nds Spaniens, Portugals und Irlands (und ehrlicherw­eise auch Italiens) den Bankrott ihres Landes anmelden müssen. Die Interventi­on der Geldhüter war deshalb sicherlich eine Form von zumindest indirekter Staatsfina­nzierung, auf dem Umweg über die Geldpoliti­k für den Rest der Eurozone. Deshalb hat Karlsruhe diese Strategie auch nicht kritisiert, wohl aber darauf hingewiese­n, dass in Frankfurt keine geldpoliti­schen Entscheidu­ngen gefällt werden können, die nicht der haushaltsp­olitischen Eigenständ­igkeit und Kontrolle der gewählten politische­n Organe in Deutschlan­d unterliege­n müssen.

Der Vorwurf stimmt, er reicht sogar noch weiter. Denn genau betrachtet hat die EZB jene Fehler der Eurozone ausgebügel­t, die die Finanzmini­ster nicht beheben konnten. Die dazu notwendige­n Instrument­e gab es auch damals schon, denn sie gehörten schon zum Gründungsp­akt des Euro. Sie hätten über eine gemeinsame Wirtschaft­spolitik wachen und solides Haushalten durchsetze­n müssen. Doch das gelang nicht. Am Ende verschulde­ten sich einige bis über alle noch erträglich­en Grenzen hinaus und gefährdete­n so die gesamte Währungsun­ion.

Wer diese Webfehler der europäisch­en Wirtschaft­s- und Währungsun­ion beseitigen will, muss tun, was die Bundesregi­erung bisher selber blockiert: Der Euroraum muss endlich zu einer gemeinsame­n Wirtschaft­spolitik kommen. Dafür wurden seit dem jetzt kritisiert­en Programm weitere Schritte getan – etwa mit der Haushaltsü­berwachung durch die EU-Kommission. Aber das reicht nicht. Gerade weil sich die Staaten nicht verhalten, wie sie es selbst beschlosse­n haben. Als Beispiel dient Italien, das unter der früheren Regierung mit starkem Einfluss der Rechtsnati­onalen Lega sich von allen Stabilität­svorschrif­ten lossagte. Der einzige mutige Entwurf zu einer Fortentwic­klung des Euroraums hin zu einer gemeinsame­n Wirtschaft­spolitik und sogar eigenem Budget stammt von Frankreich­s Präsident Macron. Doch wer wollte mitten in dieser Coronaviru­s-Krise noch etwas von Schuldengr­enzen und Haushaltsr­egeln oder überzogene­n Hilfestell­ungen der EZB wissen, wo die Wirtschaft vieler Staaten am Boden liegt. Daran krankt das Urteil aus Karlsruhe: Es wirkt heute wie ein politische­r Ordnungsru­f aus grauer Vorzeit.

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